FC Augsburg:Sätze wie Peitschenhiebe

Augsburg kassiert das 1:4 durch Jonathan Burkardt (29, Mainz 05), Fußball, 1. Bundesliga, 9. Spieltag, 1. FSV Mainz 05

Zu satt? Zu wenig Austausch? Nach der Klatsche gegen Mainz suchen die Augsburger Fußballer nach Erklärungen - und lassen ihren Frust in der Kabine raus. Torhüter Gikiewicz berichtet von kaputten Flaschen.

(Foto: Thomas Frey/imago)

Nach dem 1:4 in Mainz zeigt sich, dass beim FC Augsburg bereits Grundsätzliches zerborsten ist. Nun stellt sich unweigerlich die Frage, welche Verantwortung Trainer Markus Weinzierl an der bisher mageren Ausbeute hat.

Von Frank Hellmann, Mainz

Rafal Gikiewicz hatte das Trikot und die Fußballschuhe ausgezogen, trug aber noch sein grünes Funktionshemd, die grüne Hose und die grünen Stutzen, als der Torwart des FC Augsburg zur Generalabrechnung ausholte. Nach der 1:4-Abreibung beim FSV Mainz 05 hätte die Gesamtkomposition des Keepers bestens zu Hulk-Inszenierungen gepasst, wenn die Titelfigur aus den gleichnamigen Comics sich bei jedem Anflug von Wut zum rasenden Monster verwandelt. Der Augsburger motzte am Freitagabend in bester Oliver-Kahn-Manier über seine Vorderleute: "Wir haben keine Eier mit Ball, wir haben keine Eier gegen den Ball. Wenn du so spielst jede Woche, sind wir im Sommer in der zweiten Liga!"

Es waren Sätze wie Peitschenhiebe, die der seit 2014 in Deutschland beschäftigte Pole fallen ließ. Er werde am kommenden Dienstag - einen Tag vor dem DFB-Pokalspiel beim VfL Bochum - 34 Jahre alt und habe eigentlich vor, noch ein bisschen in der Bundesliga die Bälle zu fangen: "Mit so einer mentalen Vorbereitung kannst du nicht in der Bundesliga spielen, nicht einmal in der Kreisliga. Wir kommen zum Spiel, der Schiri pfeift - und alles ist weg." Er habe "das Gefühl, wir sind zu satt und haben keine Lust, Fußball zu spielen".

Der frustrierte Leistungsträger hatte sich Mitte der zweiten Halbzeit Hohngesänge auf den nahenden Untergang ("Zweite Liga - Augsburg ist dabei") anhören müssen und konnte keine Gegenargumente anführen, außer: "Darauf habe ich keinen Bock, dass ein ganzes Stadion das singt." In den Gängen der Mainzer Arena war später neben der Wut allerdings auch die Besorgnis aus der bebenden Stimme herauszuhören. Denn in die Tirade war die Aufforderung eingewoben, sich gemeinsam an die eigene Nase zu fassen. Über Trainer, Taktik oder Personal zu diskutieren, sagte die Nummer eins sinngemäß, bringe nichts.

In der Kabine sei es laut geworden und habe "ein bisschen Krieg" gegeben, sagt Verteidiger Gouweleeuw

Das vor den Augen von Bundestrainer Hansi Flick wie aufgedreht spielende Mainzer Sturmduo mit U21-Europameister Jonathan Burkardt (26. und 71. Minute) und dem österreichischen Nationalspieler Karim Onisiwo (10.) war von den viel zu passiven Augsburgern nie zu packen. Zudem traf Stefan Bell nach einer Burkardt-Vorlage noch durch die Beine von Gikiewicz (15.), der in der Folgezeit mit zahlreichen Paraden ein Debakel verhinderte. "Ich habe mich gefühlt wie beim Abschlusstraining. Immer war einer frei. Wahnsinn", schimpfte der Torhüter, der den vor dem 0:1 über den Ball tretenden Verteidiger Robert Gumny ausdrücklich von der Gesamtverantwortung freisprach.

Trainer Markus Weinzierl bemühte sehr wohl diesen Ansatz als eine Ursache der Niederlage, die er ansonsten an fehlender Wehrhaftigkeit festmachte: "Wenn wir die Zweikampfquote nicht nach oben schrauben, wird es schwierig, ein Spiel zu gewinnen." Der ausgesprochen mies gelaunte 46-Jährige gab mit versteinerter Miene zu, sein Matchplan sei "nicht befolgt" worden: "Wir sind zu früh rausgelaufen, waren nicht kompakt, das Spielfeld war zu groß." Ergo habe der Gegner leichtes Spiel gehabt.

Trainer Markus Weinzierl (Augsburg) ist enttaeuscht ueber die Niederlage in Mainz FSV Mainz 05 vs FC Augsburg, Fussball

Versteinerte Miene nach der Niederlage gegen Mainz: Mit Trainer Markus Weinzierl konnte der FC Augsburg von zwölf Ligapartien erst zwei gewinnen.

(Foto: Eibner-Pressefoto/imago)

Mit Blick auf die nächsten Bundesligapartien gegen den VfB Stuttgart, VfL Wolfsburg und FC Bayern sorgt sich auch FCA-Abwehrspieler Jeffey Gouweleeuw: "Wenn wir so spielen, holen wir keine Punkte. Wir reden auf dem Platz zu wenig." Deshalb sei es in der Kabine auch richtig laut geworden, "ein bisschen Krieg" habe es gegeben und das müsse auch so sein, erklärte er, während Gikiewicz konkret von "kaputten Flaschen" berichtete. Weinzierl negierte zwar in der Pressekonferenz derartige Vorfälle, was jedoch nichts daran ändert, dass bereits Grundsätzliches zerborsten ist: die Zuversicht, endlich eine sorgenfreie Saison zu spielen.

Stellt sich unweigerlich die Frage, welche Verantwortung der Trainer an der mageren Ausbeute mit erst sechs Zählern besitzt. Zumal Weinzierl seit Amtsantritt im April mit erst zwei Siegen in zwölf Ligapartien nicht gerade eine Erfolgsbilanz vorzuweisen hat. "Es ist zu wenig, was wir anbieten. Da ist jeder gefordert", sagte Manager Stefan Reuter. Aus seiner Sicht war die Pleite schnell erklärt: "Wir haben nicht ansatzweise dagegengehalten. Wir verlieren die Kompaktheit, was dazu führt, dass es desaströs aussieht. Wir müssen extreme Lehren rausziehen."

Manager Stefan Reuter gibt FCA-Coach Weinzierl Rückendeckung

Der 55-Jährige stellte nach expliziter Nachfrage zum Coach klar, dass "Markus Weinzierl unsere volle Rückendeckung hat". Der Weltmeister von 1990 geht übrigens bei der steilen These von Klubchef Klaus Hofmann mit, der unter der Woche gesagt hatte, dass der FC Augsburg sich unter den Vorgängern Heiko Herrlich und Martin Schmidt - mittlerweile Sportdirektor in Mainz - "systematisch das Fußballspielen abgewöhnt" habe. "Die letzten Jahre waren wir mit der Art und Weise nicht zufrieden, wie wir gespielt haben", bestätigte Reuter, wohl wissend, dass es schwierig werden dürfte, in nächster Zeit Stabilität und Effektivität auch noch mit Attraktivität zu paaren.

Gikiewicz empfahl derweil, bis zur Winterpause 20 Punkte zu holen - und sich dann vielleicht sogar ganz neu zu erfinden. In diesem Zusammenhang erinnerte er an seinen Wechsel vor zehn Jahren zu Slask Wroclaw in Breslau: "Zur Halbzeit waren wir Vorletzter, am Ende Meister." Dass sich diese Geschichte in der deutschen Bundesliga eher nicht wiederholen dürfte, wusste der impulsive Keeper, aber er wollte eines damit ausdrücken: Nach neun Spieltagen ist es für Korrekturen nicht zu spät. Vielleicht kann seine Verwandlung in einen Hulk dabei sogar helfen.

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