Süddeutsche Zeitung

FC Augsburg - Mönchengladbach:Experiment über Umwege

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Markus Weinzierl verzichtet gegen Mönchengladbach zunächst auf Florian Niederlechner. Doch der bislang einzige Augsburger Torschütze der Saison entscheidet die Partie.

Von Andreas Liebmann, Augsburg

Das Experiment wäre aufgegangen, ganz klar, genau in diesem Augenblick. Bis dahin hatte es keinen nennenswerten Einfluss auf das Spiel gehabt, dieses Experiment, mehr als eine Stunde lang. Aber jetzt würde sich zeigen, wieso Trainer Markus Weinzierl Florian Niederlechner draußen gelassen und stattdessen Andi Zeqiri aufgeboten hatte, den 22-jährigen Angreifer aus der Schweiz, von dem er sich so viel versprochen hatte; weil er engagiert und schnell sei und "mit Euphorie angekommen" aus Brighton.

Rafal Gikiewicz, der wenig beschäftigte Torwart des FC Augsburg, hatte schnell geschaltet: Ein weiter Abwurf auf Ruben Vargas, der auf der linken Seite Tempo aufnahm, genau das schnelle Umschaltspiel also, das sich der Bundesligist vorgenommen hatte für sein Heimspiel am Samstag gegen Mönchengladbach - und Vargas schickte Zeqiri mit diesem perfekten Pass allein Richtung Tor.

Doch Zeqiri zögerte. Ließ sich einholen von Verteidiger Joe Scally. Machte einen letzten Haken.

Den machte kurz nach dieser vertanen Großchance auch Trainer Weinzierl. Er beendete das Startelfdebüt des bemühten Schweizers, der im Gegensatz zum quirligen Nebenmann Vargas kaum Einfluss auf die Partie gehabt hatte und ohne Abschluss blieb. Stattdessen kam nun also Niederlechner, der Routinier, der bislang alle Augsburger Tore dieser Saison erzielt hatte - es gab ja erst eins, beim 1:4 gegen Leverkusen.

Mit dem neuen System haben sie sich in der Länderspielpause Sicherheit angeeignet, sagt Weinzierl

Der Ball war noch eine kleine Weile in der Luft, als der Schlusspfiff durchs Augsburger Stadion schrillte, dann sank er passenderweise genau in die Hände Niederlechners, der ihn fing und die Faust reckte: 1:0 (0:0) hatte der FCA gewonnen, damit die bedenklich vor sich hin kriselnde Borussia in der Tabelle überholt, die bei vier Punkten aus fünf Spielen bleibt. Weinzierl setzte draußen zum Spurt an, er rannte auf Niederlechner zu und umarmte ihn. Sein Joker hatte das Siegtor erzielt, in der 80. Minute.

Der Angreifer habe leichte Adduktorenprobleme gehabt, erzählte Weinzierl bei der Pressekonferenz, daher diese "Bauchentscheidung". Ob er ihn damit gekitzelt habe? Wisse er nicht: "Aber er war im richtigen Moment da." In jenem Moment, als Jeffrey Gouweleeuw einen weiten Ball aus der Abwehr auf Vargas schlug, Nico Elvedi patzte und Vargas für Niederlechner zurücklegte: Linksschuss ins kurze Eck, 1:0.

Viele Chancen hatten die Augsburger nicht gehabt, in Weinzierls System war das auch nicht zwingend vorgesehen. Erneut hatte er auf die zuletzt praktizierte Dreierabwehr gesetzt, in der man sich in der Länderspielpause Sicherheit erarbeitet habe und aus der vor allem Reece Oxford herausstach. Im zentralen Mittelfeld tue sich auch Zugang Niklas Dorsch leichter mit zwei Mann neben sich. Mit dieser neuen Grundordnung, die eine Konsequenz war aus acht Gegentoren in den ersten beiden Heimspielen, sei klar, "dass du auf Konter ausgelegt bist", dozierte Weinzierl.

Eine strittige Szene hatte es in der ersten Hälfte gegeben, auch die hätte zu einer Großchance für den FCA geführt, als Florian Neuhaus als letzter Mann den Ball gegen Vargas vertändelte. Vargas spurtete Richtung Tor, Neuhaus klammerte sich an die Hose des Schweizers - es wäre eine Notbremse gewesen. Doch der Schiedsrichter entschied auf Foulspiel von Vargas. Zumindest zweifelhaft, auch wenn Vargas Neuhaus' Bein touchiert hatte. Man hätte es weiterlaufen lassen und später ansehen können, empfahl Augsburgs Manager Stefan Reuter bei Sky. Für Gladbach jedenfalls war sehr wenig zu notieren gewesen bis zu diesem Zeitpunkt, während Augsburg immerhin zu einem Fallrückzieher durch Vargas gekommen war und zu zwei Chancen durch Freistöße von Daniel Caligiuri, deren zweiter an den Pfosten prallte.

Der letzte Pass, die letzte Flanke kamen nicht, bemängelt Gladbach-Coach Adi Hütter

"Im Spiel mit dem Ball kann ich meiner Mannschaft wenig Vorwürfe machen", sagte Gladbachs Trainer Adi Hütter, man habe es allerdings nicht geschafft, den letzten Pass, die letzte Flanke anzubringen - abgesehen von einem Abseitstreffer durch Alassane Plea kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit, als es über Neuhaus und Lars Stindl einmal wirklich schnell und zielstrebig nach vorne gegangen war.

Nach der Pause steigerten die Gäste ihre spielerische Überlegenheit, ihr Ballbesitz wuchs auf mehr als 70 Prozent - doch die Chancen blieben aus. Augsburg habe gut verteidigt, fand Hütter, "mit Mann und Maus", trotzdem könne er natürlich nicht zufrieden sein. Zumal vom FCA spielerisch immer weniger kam. Er wolle nicht jammern, sagte Hütter, verwies dann aber doch auf die lange Liste verletzter Leistungsträger, auf der zuletzt noch Jonas Hofmann gelandet war.

Für Niederlechner habe er sich "sehr gefreut", versicherte Weinzierl noch, das war es, was er ihm während der Umarmung versichert habe. "Einfach eine schöne Geschichte." Später wurde auch der Torjäger gefragt, ob er sich durch den Bankplatz "gekitzelt" gefühlt habe. Die Antwort: "Nein, weil wir beide das Gefühl hatten, dass das richtig war." 2:8 Tore sprechen noch nicht für einen Durchbruch, andererseits, so Niederlechner, sei es das dritte Zu-null-Spiel gewesen, "da hat der Trainer einiges richtig gemacht". Und Weinzierl habe ihm zuvor erklärt: "Wir lassen den Andi spielen - und du kommst rein und machst das 1:0." Das Experiment hatte doch gegriffen.

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