Fußball-Bundesliga:Auf der Suche nach dem Feuer

Michael Henke, beim FC Ingolstadt eigentlich zuständig für internationale Beziehungen, übernimmt interimsmäßig das Amt als Trainer. Der wahre Chef soll erst noch gefunden werden.

Von Philipp Schneider

Vor etwas mehr als zehn Jahren stand ein auffallend gut gekleideter Mann auf dem Podium eines Hörsaals in München und hielt einen Vortrag. Der Mann hatte zu diesem Zeitpunkt schon zweimal die Champions League gewonnen, zunächst mit Borussia Dortmund, später mit dem FC Bayern, so wirklich bekannt war er allerdings nur einem Fachpublikum, weil in den Zeitungen immer nur Fotos gedruckt wurden, in denen sein Chef den Henkelpott in die Nächte von München (1997) und Mailand (2001) reckte. Der gut gekleidete Mann galt als ewiger Widerpart von Ottmar Hitzfeld, als Spindoktor, treuer Assistent, als so etwas wie der Harry Klein von Stephan Derrick, nur war er sehr viel seltener im Bild. Nun aber hatte der gut gekleidete Referent gerade ein zehntägiges Praktikum bei Arsenals Trainer Arsène Wenger absolviert, sozusagen dem Oberinspektor des englischen Fußballs, und im Rahmen einer Ringvorlesung zur Fußball-Weltmeisterschaft einen Powerpoint-Vortrag vorbereitet zum Thema: Der Trainer - Spielball oder Regisseur?

Michael Henke sagte: "Ich sage: Alle Macht dem Trainer!"

Am Dienstag ist der studierte Sport- und Erdkundelehrer Henke mal wieder in die Öffentlichkeit gezerrt worden. Er hat die Macht eines Trainers übertragen bekommen beim Fußball-Bundesligisten FC Ingolstadt, aber diesmal ist er eher Spielball als Regisseur. Der wahre Chef soll nach der 48 Stunden zuvor erfolgten Trennung von Übungsleiter Markus Kauczinski erst noch gefunden werden: "Wir arbeiten intensiv daran, den für uns geeigneten Coach zu finden", ließ Geschäftsführer Harald Gärtner am Vormittag mitteilen. Henke ist also die "temporäre, interne Interimslösung" wie es in einer etwas übertrieben wortreichen Stellenausschreibungsmitteilung des Klubs geheißen hatte. Wer also hat noch Lust, den Regisseur zu geben in einem Film, bei dem unwahrscheinlich erscheint, dass die Protagonisten am Ende in den Sonnenuntergang reiten?

Interimscoach Henke leitet erstes Training beim FC Ingolstadt

"Ich sage: Alle Macht dem Trainer!" - Michael Henke, früher Assistent von Ottmar Hitzfeld, ist beim FC Ingolstadt allerdings eher Spielball als Regisseur.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Nun ist es gar nicht so sehr erstaunlich, dass sich Henke auch von Gärtner und Sportchef Thomas Linke nicht überreden ließ (oder lassen wollte), dauerhaft die Verantwortung zu übernehmen. Seit dem Sommer ist er für die "Internationalen Beziehungen" des FCI zuständig; als Markenbotschafter soll er Kontakte im Ausland pflegen und weiter aufbauen. Seinen Posten als Assistent hatte Henke aufgegeben, nachdem sein Chef Ralph Hasenhüttl zum potenten Aufsteiger RB Leipzig entlaufen war. Bemerkenswert wäre eher, sollten sich Linke und Gärtner vor Sonntag tatsächlich noch nicht auf die Suche nach einem möglichen Nachfolger für Kauczinski begeben hatten, obwohl der Klub bekanntlich schon vor dem 0:2 gegen Augsburg mit so viel Schwung in die Tiefe gesaust war, wie ein vom Dach des Empire State Building geschubstes Klavier. "Wenn man sich innerlich von einem Trainer verabschiedet hat, dann sitzt der nicht am Wochenende noch auf der Bank", sagte Gärtner. Dieses Vorgehen mag einer nun wahlweise für Nächstenliebe mit Hang zur Fußballromantik halten oder für fahrlässige Planung.

Ingolstadt sucht einen Bundesligakenner, "der von außen neue Impulse reinbringt, Feuer und Power hat", sagte Gärtner im BR. Henke dagegen sei die "optimale Übergangslösung". Weil der 59-Jährige "Mannschaft und die Gegebenheiten kennt". Bis der Neue gefunden ist, wird nun weiter munter spekuliert. Die englische Tageszeitung Daily Mail brachte David Wagner ins Spiel. Der 45-Jährige arbeitet beim Zweitligisten Huddersfield Town und kämpft um den Aufstieg in die Premier League. Allerdings hat der langjährige Weggefährte von Jürgen Klopp bisherige Offerten angeblich aus Verbundenheit zu Huddersfield abgelehnt. Angefragt worden sind nach SZ-Informationen Jos Luhukay und André Breitenreiter.

Alle FCI-Trainer

07/04 bis 01/08 Jürgen Press

01/08 bis 04/09 Thorsten Fink

04/09 bis 11/09 Horst Köppel

11/09 bis 11/10 Michael Wiesinger

11/10 bis 11/11 Benno Möhlmann

11/11 bis 05/13 Tomas Oral

07/13 bis 09/13 Marco Kurz

10/13 bis 06/16 Ralph Hasenhüttl

07/16 bis 11/16 Markus Kauczinski

ab 11/16 Michael Henke

Gärtner sucht jemanden "der, weiß, worauf er sich einlässt" - ein Kriterium, das unstrittig auch auf Henke zutrifft, der vor zehn Jahren bei seinem Vortrag eine Langzeitstudie der Uni Münster zur Wirkung von Trainerwechseln im Fußball präsentierte. "Die Studie zeigt", sagte Henke, "dass sich die Mannschaften nach drei Monaten meist auf gleichem oder zum Teil schlechteren Niveau wieder einpendeln."

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