Fußball-Bundesliga: 8. Spieltag:Das Bayern-Publikum will endlich Tore

Lesezeit: 4 min

Es fehlt an Kreativität und Aggressivität: Nach dem 0:0 gegen Köln müssen sich Trainer van Gaal und die Bayern mit unangenehmen Zahlen beschäftigen.

Johannes Aumüller

Uli Hoeneß wählte eine ziemlich umständliche grammatische Konstruktion, um der versammelten Journalistenschar mitzuteilen, dass er an diesem Tag gar nichts mitteilen möchte. "Heute wird nichts gesagt", sagte der Bayern-Manager nach einem über weite Strecken faden 0:0 seiner Mannschaft gegen den 1. FC Köln.

Louis van Gaal (rechts) schaut kritisch auf das Spiel seiner Mannschaft. (Foto: Foto: dpa)

Er und die anderen 69.000 Zuschauer hatten ein ziemlich merkwürdiges Spiel des deutschen Rekordmeisters gesehen. Die Bayern hielten den Ball konsequent in den eigenen Reihen, passten kreuz und quer und vor und zurück (meistens quer und zurück), sorgten für ein Spiel auf ein Tor, agierten dabei aber so umständlich wie Hoeneß nach dem Spiel formulierte - und kamen so zu kaum einer Torchance.

Zwei Kopfballlattentreffer von Bastian Schweinsteiger (ein echter, ein abgefälschter) sowie zwei Schüsse in der Schlussphase (Andreas Ottl, Ivica Olic) waren die einzigen Möglichkeiten der Münchner. "Wir haben zu wenige hundertprozentige Torchancen kreiert", bemängelte van Gaal.

Dabei gewann seine Elf so ziemlich alles, was es in der Welt der Statistik zu gewinnen gab. Sie erarbeitete sich neun Eckstöße, Köln keinen einzigen. Sie schlug 29 Flanken, Köln nur drei. Sie hatte 65 Prozent Ballbesitz, wobei der neutrale Beobachter bei dieser Zahl den Eindruck haben musste, die Datenbankler hätten den Kölnern noch rasch ein paar Prozentpunkte draufgeschlagen. Doch am Ende gab es nur ein 0:0.

"Es ist immer schwierig, wenn ein Team so verteidigend spielt wie Köln. Mir fehlte die Aggressivität im Sechzehnmeterraum. In der ersten Halbzeit haben wir noch ein bisschen was gemacht, in der zweiten Halbzeit haben wir nicht genug gemacht. Das war einfach zu wenig", sagte van Gaal.

Langsam kommen er und die Bayern nicht um zwei unangenehme Rechenaufgaben herum. Die erste Rechenaufgabe heißt: Addieren Sie, wie lange Sie schon ohne Treffer geblieben sind. 90 torlose Minuten gegen Köln plus 90 torlose Minuten gegen Juventus plus 90 torlose Minuten gegen Hamburg plus jene vier Minuten der DFB-Pokal-Partie gegen Oberhausen, in der Daniel van Buyten in der 86. Minute das bisher letzte Pflichttor der Münchner schoss.

Ausgerechnet diese teure und vielgerühmte Offensive kommt auf eine stolze Zahl von 274 Minuten ohne Treffer, weshalb sich Stürmer Mario Gomez schon an die Vergangenheit erinnert: "Ich habe letztes Jahr achthundertirgendwas Minuten nicht getroffen und hatte trotzdem 25 Tore. Ich weiß nicht, ob wir jetzt schon wieder mit Zahlen spielen sollten."

Nun lassen sich die Begegnungen gegen die schwungvoll mitspielenden Hamburger, gegen die taktisch diszipliniert agierenden Turiner sowie die mit zehn Mann dauerverteidigenden Kölner nicht über einen Kamm scheren. Doch manche Auffälligkeiten ziehen sich quer durch diese drei jüngsten Partien. Aus dem Mittelfeld kommt insgesamt zu wenig Kreativität, die Spieler haben das Prinzip von van Gaals Ballsicherheit zwar verinnerlicht, sparen dafür aber mit Überraschungsmomenten. Gegen Köln, als das Duo Schweinsteiger/Ottl im zentralen Mittelfeld agierte, war das einmal mehr offensichtlich.

Auf der nächsten Seite: In welcher Frage sich van Gaal und Schweinsteiger widersprechen.

Bundesliga: 8. Spieltag
:Eine Liga im Taumel

Der eine Fußballer schreit sich in Ekstase, andere stehen Kopf und manche kugeln einfach so über den Rasen. Der Spieltag in Bildern

Die kreativen Momente der Elf entstehen nur über Franck Ribéry und Arjen Robben - und wenn wie gegen Köln Ersterer nur angeschlagen und nur 45 Minuten und Letzterer verletzungsbedingt nicht mitwirken kann, sind lichte Momente Mangelware. An dieser Schwachstelle dürfte sich im Laufe der Saison auch nicht mehr viel ändern.

FC Bayern: Einzelkritik
:Loch Ness und die Blaskapelle

Butt schläft beinahe ein, Sosa taucht aus der Versenkung auf, und Ribéry hat einen Grund, an Real Madrid zu denken.

Johannes Aumüller, Fröttmaning

Schweinsteiger und Ottl (und auch Timoschtschuk) spielen nun einmal so, wie sie von ihren Begabungen her spielen können - und auch so, wie es van Gaal verlangt. Ein Risikopassspieler ist keiner der drei. Auf mittelfristige Sicht kehrt Mark van Bommel in die Elf zurück, der mit seiner Art diese Kernproblematik nur graduell verbessern kann.

Daneben allerdings lähmt ein Faktor die Bayern-Offensive, der sich noch ändern lässt. Kein Mittelstürmer befindet sich derzeit in Bestform, und ein Grund dafür ist die Tatsache, dass es noch kein Mittelstürmer geschafft hat, van Gaal von seinen Qualitäten zu überzeugen. Immer wieder wechselt der Niederländer seinen Zentrumsangreifer, keiner kann sich als Stammspieler fühlen. Diese Situation hat auch einen systembedingten Hintergrund: Während zu Saisonbeginn Klose, Gomez, Olic und Toni im 4-4-2-System um zwei Plätze kämpften, ist im nun praktizierten 4-3-3 nur für einen Innenstürmer Platz.

Um keinen Spieler endgültig zu vergrätzen, tauscht van Gaal munter durch. Deswegen ist kein Angreifer richtig abgeschrieben, aber auch keiner in Topverfassung. Denn Selbstbewusstsein lässt sich so nur schwerlich aufbauen, und ohne Selbstbewusstsein geht ein Spieler ein Stück weniger zielstrebig und ein Stürk weniger aggressiv zu Werke als er es mit Selbstbewusstsein tun würde - und mangelnde Aggressivität im Strafraum war ja einer der Hauptkritikpunkte von van Gaal fürs Spiel gegen Köln.

Noch etwas bedrohlicher als das Addieren der Minuten ist aber eine andere Rechnung, um die sich der FC Bayern kümmern muss. Acht Punkte beträgt der Rückstand des deutschen Rekordmeisters mittlerweile, das vielzitierte Fernglas ist derzeit in der Hand der Münchner. Gewiss, die Saison ist noch sehr lang, aber um acht Punkte aufzuholen "müssen wir drei Mal gewinnen und die anderen drei Mal verlieren", wie Miroslav Klose ebenso banal wie richtig nach dem Spiel sagte - und darauf hoffen, dass die Teams, die zwischen ihnen und der Spitze liegen, ebenfalls stolpern.

Während van Gaal in diesem Rückstand noch kein Drama sieht ("Die Titel werden nicht heute vergeben, sondern im April und im Mai"), waren manche Spieler deutlich nachdenklicher. "Das ist ein Abstand, das tut schon weh", sagte Bastian Schweinsteiger.

Auch die Zuschauer werden langsam sauer. Schon in der Halbzeitpause gab es der Arena laute Pfiffe, nach dem Spiel aus der Südkurve ein regelrechtes Pfeifkonzert. "Wir haben kontrolliert gespielt, aber das sieht das Publikum nicht. Sie wollen Tore, und sie haben recht", sagte van Gaal.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: