Fußball-Bundesliga, 6. Spieltag:Pfiffe für den Beamtenfußball

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Beim 2:1 gegen Nürnberg startet Bayern zum wiederholten Mal in dieser Saison schwach in ein Spiel - und muss van Gaal wieder seine Aufstellung korrigieren.

Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Es ist nicht bekannt, ob der FC Bayern einen Brief an die Deutsche Fußball-Liga geschickt hat. Darin könnten die Verantwortlichen die Abschaffung der ersten Halbzeit fordern und erklären, ab sofort samstags erst um 16.30 Uhr aufs Spielfeld kommen zu wollen. So abwegig ist das nicht, hat Uli Hoeneß in seiner Laufbahn schon ganz andere Dinge gefordert, gegen die eine Abschaffung der ersten Spielhälfte überaus vernünftig klänge.

Der Wiesn-Auftakt ist gerettet: Bayerns Daniel van Buyten bejubelt sein Siegtor gegen Nürnberg. (Foto: Foto: Getty)

Sportlich würde ein solcher Verzicht durchaus Sinn machen für die Münchner. Wie schon gegen Bremen, Hoffenheim, Mainz und Dortmund konnte sich der FC Bayern gegen arg defensiv auftretende Nürnberger keine Führung erspielen, die Mannschaft bot weitgehend biederen Beamtenfußball - den Spieler und Verantwortliche nach dem Spiel mit Floskeln wegzureden versuchten. "Gegen einen defensiv eingestellten Gegner tut man sich schwer", war aus fast jedem Mund zu hören. "Wir können nicht jeden überrollen", raunte Uli Hoeneß. Nur Philipp Lahm wagte eine klare Aussage: "Wir haben viel zu viele leichte Fehler gemacht, vor allem im Spielaufbau."

Dieser Spielaufbau gestaltete sich wie so häufig in dieser Saison: Die Abwehrspieler passen den Ball etwa 30 Sekunden lang quer, bis ihn jeder einmal berührt hat. Dann folgt meist ein langer Ball auf einen der Außenstürmer oder ein ungenaues Zuspiel auf den zentralen Angreifer. "Das Spiel kontrollieren" nennt Trainer Louis van Gaal das, wie er schon bei seiner ersten Pressekonferenz beim FC Bayern betont hatte. Die Zuschauer in der Arena würden wohl eher die Begriffe "stinklangweilig" und "ideenlos" verwenden - sie pfiffen von der 30. Minute an nur deshalb, um die Gesichtsmuskeln vom vielen Gähnen zu entspannen.

Es war eine eigenartige Formation, die van Gaal da aufs Feld geschickt hatte. Zu den vier Abwehrspielern und dem defensiven Mittelfeldspieler Anatolij Timoschtschuk gesellten sich die fünf Offensivkräfte Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger, Ivica Olic, Arjen Robben und Mario Gomez. Die wuselten oftmals derart durcheinander über das Feld, dass nicht nur die Nürnberger verwirrt waren, sondern auch die Münchner. Plötzlich stand Olic neben Gomez im Strafraum, Müller tummelte sich neben Robben auf der rechten Seite und Schweinsteiger agierte noch defensiver als Timoschtschuk.

Nach Kontrolle sah das nicht aus, was der FC Bayern in den ersten 45 Minuten bot, eher nach Verwirrung und Anarchie. Es gab eine einzige Torgelegenheit für die Münchner, als Gomez eine Flanke von Müller an die Querlatte setzte. Ansonsten schoss bei den Münchnern nur Schweinsteiger aufs Tor - und das tat er meist aus einer Entfernung von 30 Metern. Zur Pause stand es nur deshalb 0:0, weil die Nürnberger überhaupt nicht einsahen, offensiv tätig zu werden, auch wenn sie vom Münchner Linksverteidiger Danijel Pranjic immer wieder dazu eingeladen wurden.

Es ist Louis van Gaal hoch anzurechnen, dass er eine erste Halbzeit genau analysiert, während der Pause reagiert und mögliche Fehler bei der Zusammenstellung der Startformation korrigiert. Wie schon in den Spielen zuvor nahm er auch gegen Nürnberg Änderungen vor. Er stellte Müller ins zentrale Mittelfeld, schickte Franck Ribéry aufs Feld und nahm Mario Gomez herunter - der nach dem Spiel wortlos und angesäuert durch die Mixed Zone stapfte. Wieder einmal belebte der Franzose die Offensive des FC Bayern, auch wenn er selbst nicht an einem Treffer beteiligt war. Die Treffer markierten Olic und Daniel van Buyten, die Vorlagen gaben Müller und Robben.

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Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Bei allem Lob für van Gaal, während der Pause zu korrigieren, muss indes die Frage erlaubt sein, warum er nicht schon zu Spielbeginn die stärkste Formation aufs Spielfeld schickt - und sie derart einstellt, dass die Mannschaft auch in der ersten Halbzeit eine gute Leistung bietet?

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Wie der Trainer des FC Bayern funktioniert, zeigte sich auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. Er sprach kaum über die erste Halbzeit, sondern monierte das Verhalten seiner Spieler nach dem Führungstreffer. "Wenn man nach viel Arbeit mit 1:0 führt, dann können nicht alle Spieler nach vorne gehen", sagte van Gaal. Das heißt im Klartext: Er hätte sich nach dem Treffer eine Rückkehr zum Beamtenfußball gewünscht - wahrscheinlich hätte er Ribéry am liebsten vom Feld genommen.

In der Tat leistete sich der FC Bayern beim Gegentreffer gleich mehrere Fehler. Danijel Pranjic irrte wie so oft in diesem Spiel in der Mitte herum, Daniel van Buyten hob das Abseits auf, und Holger Badstuber kam bei seinem Rettungsversuch gegen Erik Maxim Choupo-Moting zu spät. Nur fiel dieser Gegentreffer nicht, weil alle Spieler nach vorne liefen - sondern weil jenen, die hinten geblieben waren, die Klasse fehlt, selbst gegen die Offensiv-Verweigerer aus Nürnberg keinen Gegentreffer zu kassieren.

"Das ist nicht meine Art Fußball, nicht einmal bei Rückstand zu versuchen, ein Tor zu schießen", ätzte Uli Hoeneß nach dem Spiel über die Nürnberger Spielweise. Es ist schon komisch, wie der FC Bayern ein Tor von einer Mannschaft kassieren konnte, die nicht einmal versuchte, eines zu schießen.

"Wir haben unseren Rhythmus gefunden", sagte Hoeneß weiter. Er ließ offen, ob er damit meinte, dass der FC Bayern nun vier Pflichtspiele in Folge gewinnen konnte - oder ob die Mannschaft immer erst in der zweiten Halbzeit (und der damit verbundenen Hereinnahme von Franck Ribéry) ansehnlich und erfolgreich spielt. Am kommenden Wochenende müssen die Münchner nun beim Spitzenreiter Hamburger SV antreten. Der FC Bayern kann selbstbewusst nach Hamburg fahren - nicht nur, weil Zeitungen in Norddeutschland bereits von der möglichen HSV-Meisterschaft schreiben (Hoeneß: "Hoffentlich schreiben sie so lange, bis wir oben waren."), sondern vor allem wegen der Terminierung: Das Spiel beginnt um 18.30 Uhr. Spät genug, dass auch Ribéry um diese Uhrzeit auf dem Feld stehen könnte.

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