Sergio Agüero:Wie ein brutaler Witz

Sergio Agüero: Sergio Agüero bei seiner Verabschiedung im Camp Nou.

Sergio Agüero bei seiner Verabschiedung im Camp Nou.

(Foto: Emilio Morenatti/AP)

Unter Tränen muss Sergio "Kun" Agüero mit 33 Jahren seine Karriere beenden: Der Stürmer, der immer so viel Herz zeigte, leidet an Herzrhythmusstörungen.

Von Javier Cáceres

Mitte der Nullerjahre erreichte auch den FC Bayern München die Kunde von einem Wunderstürmer aus Argentinien. Der 2011 bei einem Verkehrsunfall verstorbene Spieleragent Adrián de Vicente, der 2003 den Verteidiger Martín Demichelis nach München vermittelt hatte, redete mit Engelszungen auf die Bayern ein, dass sie Sergio Agüero holen müssten. Um jeden Preis der Welt.

Agüero war damals noch auf dem Weg zur Volljährigkeit. Aber er stürmte bereits wie ein Großer für CA Independiente de Avellaneda, die Roten Teufel von Buenos Aires, weil er längst Geschichte geschrieben hatte. Sie nannten ihn damals schon "el Kun", nach einer argentinischen Trickfilmfigur aus seinen Kindheitstagen. Mit 15 Jahren und 35 Tagen war er am 5. Juli 2003 zum jüngsten Spieler der Geschichte geworden, der in der ersten argentinischen Liga debütiert hatte. Der vorherige Rekordhalter war ein gewisser Diego Armando Maradona gewesen, der später kurzzeitig Agüeros Nationaltrainer werden sollte, und den Agüero später zum Großvater machen sollte. Damals, im Sommer 2006, wechselte Agüero aber nicht zum FC Bayern, sondern zu Atlético Madrid - für 23 Millionen Euro, die sich als recht gut angelegtes Geld entpuppten, weil er mit dem Klub einen Europa-League-Pokal holte und später für mehr als 40 Millionen Euro nach Manchester zu City wechselte.

Am Mittwoch, mit 33 Jahren und 195 Tagen, hat "el Kun", wie er seit Kindheitstagen genannt wird, als Spieler des FC Barcelona seinen Rücktritt vom aktiven Fußball erklärt. Wegen Herzproblemen.

Was wie ein brutaler Witz anmutet, denn Herz hat Agüero immer gezeigt, sehr viel Herz. Und am Mittwoch boten sich emotionale Bilder, als er eine Bühne im Camp Nou betrat. Fast eine Minute brauchte er, bis er die Tränen ausreichend unter Kontrolle hatte. "Ich habe entschieden, aufzuhören, Fußball zu spielen." Es sei "ein sehr harter Moment", aber eben auch "eine gute Entscheidung", denn an erster Stelle stehe die Gesundheit. "Ich habe alles Mögliche getan, um zu sehen, ob es eine Hoffnung gab. Doch es gab sie nicht", sagte er, und griff zu einer grauen Papierserviette.

Auch Pep Guardiola kommt zum Abschied

Zu den Gästen auf der Ehrentribüne zählten Vertreter seiner bisherigen Klubs, darunter Pep Guardiola, der Agüero bei Manchester City trainiert hatte. Guardiola kam nach Manchester, als Agüero längst eine veritable Klub-Legende geworden war. Agüero holte mit City unter anderem fünf Premier-League-Titel; zudem wurde er der beste ausländische Premier-League-Torjäger (181), was ihn an die Schwelle des Podiums der drei besten Schützen der Geschichte der Premier League überhaupt brachte. Unvergesslich wurde er vor allem wegen eines Tores aus 2012. Seinerzeit erzielte er gegen Queens Park Rangers nach 93 Minuten und 20 Sekunden einen Treffer, der für City die erste Meisterschaft überhaupt bedeutete.

Im vergangenen Sommer - und nach einer Reihe von Verletzungen - ging Agüero ablösefrei nach Barcelona. Dem Vernehmen nach verzichtete er auf Geld; sein Wille war, die Karriere an der Seite seines Freundes Lionel Messi ausklingen zu lassen. Zusammen hatten sie nicht nur die U20-WM und Olympia, zuletzt auch die Copa América gewonnen. Sie hatten auch wie Zeichentrickfiguren Fußball gespielt. Doch aus dem Traum, es im Dress des FC Barcelona gemeinsam zu tun, wurde nichts. Denn in Barcelona überschlugen sich die Ereignisse.

Dem FC Barcelona wurde gewahr, dass er kein Geld mehr hatte; Messis Vertrag wurde nicht verlängert, die Barça-Ikone zu Paris Saint-Germain geschickt. "Ein Schock" sei das gewesen, sagte Agüero. Doch nicht nur deshalb missriet sein Neuanfang in der katalanischen Hauptstadt. Er verletzte sich an der Wade, verpasste die Vorbereitung, sein Debüt ließ bis Mitte Oktober auf sich warten.

Lionel Messi of Argentina Retires From International Football

Lionel Messi (links) und Sergio Agüero spielten unter anderem zusammen das Olympische Fußballturnier 2008 in Peking.

(Foto: Koji Watanabe/Getty)

Dann aber schoss Agüero ein Tor im Clásico, bei Barças 1:2-Niederlage gegen Real Madrid, das sein letztes werden sollte. Denn nur eine Woche darauf erlitt er im Spiel gegen Alavés unvermittelt einen Schwächeanfall. Er musste sich auf den Boden legen, und wirkte, als würde er das Bewusstsein verlieren. So weit kam es nicht. Aber nach seiner Auswechslung wurde er sofort ins Krankenhaus verbracht, die Ärzte stellten bei Untersuchungen Herzrhythmusstörungen fest.

Die genaueren Umstände der Erkrankung wurden bislang nicht erklärt. Die Konsequenzen aber waren kolossal: Das Karriereende wurde als unabwendbar angesehen. "Ich weiß nicht, was mich im anderen Leben erwartet, aber ich weiß, dass ich viele Menschen um mich herum habe, die das Beste für mich wollen." Dazu zählt auch Messi. "Es tut weh, zu sehen, dass Du das, was Du am meisten magst, aufgeben musst", schrieb Messi. "Ich liebe Dich sehr, mein Freund."

Die Unterredung, in der die Ärzte ihm dazu rieten, den Fußball sein zu lassen, sei überaus schwierig gewesen. "Ich habe versucht, das anzunehmen, aber es war nicht einfach", sagte Agüero am Mittwoch. Der Traum, mit Argentinien auch Weltmeister zu werden, wird unerfüllt bleiben. "Ich bin sehr stolz auf meine Karriere", sagte er, "ich hatte nie gedacht, es bis nach Europa zu schaffen." Er gehe "erhobenen Hauptes" und "glücklich", sagte er. "Das letzte Tor gegen Real Madrid geschossen zu haben, ist auch nicht so schlecht", sagte er, als er an einem Mittwoch voller Tränen das Lächeln und seinen Humor zurückerobert hatte.

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