Afrika-Cup:Von Fifa-Platz 198 in die Herzen der Fans

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Keine leichte Gruppe beim Afrika-Cup: Die Komoren spielen noch gegen Marokko und Ghana. Den Auftakt gegen Gabun (rechts Lloyd Palun) verlor Faiz Mattoir mit seinem Nationalteam. (Foto: Kenzo Tribouillard/AFP)

Die Komoren sind erstmals beim Afrika-Cup dabei. Trainer Amir Abdou muss viel Aufklärungsarbeit über die kleine Inselgruppe leisten - auch bei seinen eigenen Spielern.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Als Amir Abdou im Jahr 2014 sein Amt als Nationaltrainer der Komoren antrat, fand er nicht sehr viel vor, mit dem er etwas anfangen konnte. Zumindest aber fand er die Komoren, jene Inselgruppe an der Ostküste Afrikas, von der seine Vorfahren einst nach Frankreich aufgebrochen waren. Von der aber sonst nicht sehr viele Menschen je gehört hatten - bis die Komoren sich 2021 zum ersten Mal für den Afrika-Cup qualifizierten. Ein Staat mit 850 000 Einwohnern im Nirgendwo schaffte das, was Südafrika trotz etwa 50-mal so vielen Einwohnern nicht gelang, die Qualifizierung. Eine kleine Sensation.

Seitdem sind die Komoren fußballerisch so etwas wie das afrikanische Pendant von Färöer; die Inselgruppe genießt einen legendären Ruf, seit sie 1990 Österreich in der EM-Qualifikation 1:0 schlug. Fürs Turnier selbst reichte es dennoch nicht, weshalb Färöer in gewisser Weise nun im Schatten der Komoren steht.

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Die müssen nun erklären, wer sie sind und woher sie überhaupt kommen. Trainer Abdou ist die Fragen gewohnt, seine Spieler wollten ja auch viel von ihm wissen, bevor sie zum Team stießen. "Wenn man ein kleines Land ist, das diesen Spielern ein Projekt vorschlägt, ist es sehr schwierig, sie dazu zu bringen, zu sagen: Ich möchte auf die Komoren kommen, wenn wir nicht wissen, was wir in Sachen Sicherheit bieten können", sagte er dem Nachrichtenkanal CNN.

Die allermeisten im Team, das nun in Kamerun um die Meisterschaft spielt, wurden wie Coach Abdou in Europa geboren. Der Trainer kommt aus Marseille, wo sich zwischen 100 000 und 200 000 Menschen komorischer Abstammung niedergelassen haben, so viele, dass die Region auch als fünfte Insel der Komoren gilt.

Trainer Abdou sammelt seine Spieler in Europas unteren Ligen ein

Die vier Hauptinseln des Archipels wurden zuerst von Asiaten, Afrikanern, Arabern und Madegassen besiedelt, zuletzt kamen die Franzosen und machten sie zu ihrer Kolonie. Was sie interessierte: die strategisch günstige Lage auf der Handelsroute nach Asien. Und das, was die Komoren zur Parfüm-Insel werden ließ: die Extrakte aus der Ylang-Ylang-Pflanze, die sich auch in Chanel No. 5 finden. Die Gewinne aus dem Export blieben in Frankreich, in die Infrastruktur des Landes wurde nur wenig investiert.

Im Jahr 1974 fragten die Franzosen die Inselbewohner, wie es denn weitergehen solle, ob sie Teil Frankreichs bleiben wollten oder lieber unabhängig. Drei der vier Inseln votierten für einen eigenen Staat, nur das kleine Mayotte wollte sich nicht lösen, heute gehört es als 101. Département Frankreichs auch zur EU. Die Bewohner bereuen die Entscheidung nicht, der Lebensstandard und die Gesundheitsversorgung sind so viel besser auf Mayotte, dass sich jedes Jahr Tausende Komoren auf den Weg zur Nachbarinsel machen, um dort zu arbeiten oder gleich irgendwie nach Europa zu kommen.

Komoren-Trainer Amir Abdou (re.) musste erst einmal Überzeugungsarbeit leisten, um Spieler für die Nationalmannschaft zu gewinnen. (Foto: Chris Omollo/Shengolpixs/Imago)

Dort sammelte auch Trainer Abdou sein Team ein, meist in den unteren Klassen und bei kleineren Vereinen. Einer der bekanntesten Spieler ist Saïd Bakari, der in der zweiten niederländischen Liga für RKC Waalwijk spielt.

"Wir haben vor niemandem Angst", sagt Bakari. "Wir sind hier bei diesem Turnier, also sind wir auch gut." Schlecht waren sie auch nicht im ersten Spiel gegen Gabun, verloren aber dennoch mit 0:1. Es ist keine leichte Gruppe, in die die Komoren da geraten sind, am Freitag geht es gegen Marokko, am Dienstag gegen Ghana, beides Mitfavoriten auf den Turniersieg.

Wenn die Nationalmannschaft auf die Inseln kommt, "bleibt das Land 15 Tage vorher stehen"

Die Komoren bewegten sich viele Jahre lang am Ende der Fifa-Weltrangliste, schafften es bis hinunter auf Platz 198. Der Wiederaufstieg ist neben Trainer Abdou und seinem klaren Konzept auch den Fördergeldern der Fifa zu verdanken. Unter Fifa-Chef Sepp Blatter hatte es sich eingebürgert, dass jeder noch so kleine und obskure Verband der Welt mit ein paar Millionen Dollar beschenkt wurde und dann dankbar für Blatter stimmte. Auf den Komoren haben sie mit den nach Angaben der Deutschen Welle jährlich 1,5 Millionen von der Fifa tatsächlich die Infrastruktur der Stadien verbessert und ein Trainingszentrum eingerichtet. In den vergangenen Jahren ging es stetig voran, sehr zur Freude der Bevölkerung. Wenn die Nationalmannschaft auf die Inseln kommt, "bleibt das Land 15 Tage vorher stehen", erzählt Trainer Abdou. "Das Land hält inne, und die Menschen leben durch die Mannschaft."

Der Fußball eint das sonst nicht so einige Land. Während die Komoren lange die Fifa-Tabelle von unten dominierten, standen sie auf einer anderen Rangliste ganz oben: Wohl keine andere Nation hat so viele Militärputsche erlebt, mehr als 20 sollen es seit der Unabhängigkeit gewesen sein.

Die ersten wurden von französischen Söldnern angeführt, denn Frankreich hatte die Komoren zwar in die formale Unabhängigkeit entlassen, wollte sich aber nicht gänzlich trennen. Später kam es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den zwei kleineren Inseln Anjouan und Mohéli und der viel größeren Grande Comore. Es ging um Macht und Einfluss und die Verteilung von Ressourcen. Die beiden kleinen fühlten sich so sehr benachteiligt, dass sie sich 1997 vom Staat der Komoren lösen wollten und Anjouan sogar darum bat, ein Teil Frankreichs zu werden.

Die Instabilität hat nicht gerade dazu beigetragen, dass sich viel entwickeln konnte auf den Komoren. Die Nachbarn auf den Seychellen haben ihre Insel in ein lukratives Tourismusgebiet umgebaut, auf den Komoren gibt es viele schöne Strände und Potenzial, aber wenig Besucher. Corona hat die Lage nicht gerade erleichtert, die Inseln sind so gut wie nicht zu erreichen, weshalb auch keine Fans zum ersten Afrika-Cup nach Kamerun reisen konnten. Die Mannschaft sagt, das mache nichts, sie gebe dennoch ihr Bestes.

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