Bremen (dpa) - Mit 25 Jahren hat sich für Patrick Erras ein Traum erfüllt. Der Fußball-Profi ist zu einem großen, etablierten Bundesliga-Club gewechselt.
Mit 21 wäre er beinahe schon mal bei Borussia Mönchengladbach gelandet, doch das verhinderte damals eine schwere Knieverletzung. In diesem Sommer klappte es dann mit seinem Transfer vom 1. FC Nürnberg zu Werder Bremen.
Bei der Unterzeichnung seines neuen Dreijahresvertrages musste Erras allerdings einen ungewohnten Passus akzeptieren: Er ist einer der ersten Bundesligaspieler, der eine „Pandemie-Klausel“ unterschrieb. So nannte das Werders Sportchef Frank Baumann jedenfalls während des Trainingslagers der Bremer im österreichischen Zillertal. Denn in Corona-Zeiten besteht der Club bei neu abzuschließenden Verträgen darauf, „dass auch die Spieler ihren Teil zu der Bewältigung der finanziellen Probleme beitragen“, wie Baumann sagte.
Bei dieser Klausel bedeutet das konkret: Wie viel Gehalt eines Profis bei coronabedingten Einnahmeausfällen seines Vereins einbehalten wird, ist nun bereits vorab geregelt. Ein Anteil von X Prozent, wenn weiter ohne Zuschauer gespielt werden muss. Ein Anteil von Y Prozent, falls die Saison erneut unterbrochen wird. So muss der Club im Fall der Fälle nicht mehr auf einen freiwilligen Gehaltsverzicht hoffen. „Wir wollen und müssen uns für die finanziellen Ausfälle absichern, die entstehen können“, sagte der Bremer Sport-Geschäftsführer dazu.
Die „Corona-Klauseln“ sind ein Diskussionsthema in der Liga - gerade seit die Clubs davon ausgehen müssen, noch mindestens bis zum Ende des Jahres keine Zuschauereinnahmen zu haben. Es gibt Vereine wie Schalke 04, RB Leipzig oder Arminia Bielefeld, die genauso mit den Klauseln arbeiten wie Werder. „Es ist etwas ganz Normales, dass man sagt: Wenn wesentliche Einnahmen wegbrechen, kann das Auswirkungen auf die Vergütung haben. Das ist kaufmännisch sinnvoll“, sagte der Schalker Sportvorstand Jochen Schneider der Deutschen Presse-Agentur.
Es gibt aber auch Clubs wie den VfL Wolfsburg, die dabei juristische Bedenken haben. „Kann ein Arbeitnehmer für das Ausbrechen einer Pandemie verantwortlich gemacht werden?“, sagte Sport-Geschäftsführer Jörg Schmadtke dem Internetportal „Deichstube“.
Nach Auffassung des Arbeitsrechtlers und Sportrechtsexperten Daniel Hennig stellt Schmadtke damit die entscheidende Frage. „Die diskutierten Gehaltskürzungsklauseln sind nicht ohne Risiko für die Vereine“, sagte der Experte von der internationalen Anwaltskanzlei CMS der dpa. „Abschließende Rechtssprechung hierzu besteht nicht. Und das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko trägt immer der Arbeitgeber.“
Haltbar seien solche „Corona-Klauseln“ nur dann, wenn es eine abweichende vertragliche Vereinbarung zwischen dem Verein und dem Spieler gibt und die dann auch noch mehrere Voraussetzungen erfüllt: „Sie muss klar und verständlich formuliert sein“, erklärte Hennig. „Insbesondere muss sich ergeben: Wann erfolgt eine Gehaltskürzung? Wie hoch ist die Gehaltskürzung? Auf welche Gehaltsbestandteile bezieht sie sich? Im Übrigen darf die Klausel die Interessen des Spielers nicht unangemessen benachteiligen.“
Alles andere, etwa eine „pauschalierte prozentuale Gehaltskürzung“, hält der Arbeitsrechtler für nicht tragfähig. Und nebenbei auch noch für „abschreckend bei Vertragsverhandlungen.“
Natürlich sieht auch Hennig das Problem, dass die Personalkosten für Spieler und Trainer der mit Abstand größte Ausgabeposten der Bundesliga-Clubs sind. In der Saison 2018/19 machten sie laut Wirtschaftsreport der Deutschen Fußball Liga mit rund 1,43 Milliarden Euro genau 36,79 Prozent des Gesamtaufwands aller 18 Vereine aus.
„Ich empfehle Vereinen daher eine Prämienlösung“, sagte der Experte. „Die Grundgehälter sollten angepasst und kreative Lösungen bei der Ausgestaltung von Prämien gefunden beziehungsweise gestärkt werden. Bonus statt Gehaltskürzung im Profifußball - dies ist für die Spieler verständlicher, stärkt die wirtschaftliche Einheit zwischen Verein und Spieler und ist rechtlich sehr gut umsetzbar.“
Als Alternativen bleiben immer noch: Spieler verzichten in der Krise freiwillig auf einen Teil ihres Gehalts, bei Borussia Dortmund zum Beispiel gilt eine solche Vereinbarung noch bis zum 31. Dezember. Oder der Markt regelt diese Frage. Zumindest dann, wenn ein Spieler neben einem Vertrag mit „Corona-Klausel“ eventuell noch das Angebot eines anderen Clubs vorliegen hat. „Wenn eine Partei das nicht für sinnvoll erachtet, dann wird sie nicht unterschrieben“, sagte Jochen Schneider lapidar. „Es wird doch niemand zur Unterschrift gezwungen.“
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