Fußball: 1860 München vor Insolvenz:Acht Millionen in zwölf Tagen

Mit einem dramatischen Hilferuf bestätigen die Sechziger ihre große Finanznot. Sie appellieren an Banken, Unternehmen und die Politik. Ohne schnelle Hilfe droht nach der Saison der Zwangsabstieg in die Bayernliga.

Andreas Burkert und Markus Schäflein

Die Katakomben der Arena waren für die Verhältnisse des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München ungewohnt gut gefüllt. Das Interesse galt allerdings nicht dem Heimspiel gegen Karlsruhe, sondern der dramatischen Finanzlage der Löwen. Nach der Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung über den Schuldenstand von elf Millionen Euro und die drohende Insolvenz wegen eines hohen Finanzbedarfs waren Präsident Dieter Schneider und Geschäftsführer Robert Schäfer schon den ganzen Tag über von besorgten Fans um Stellungnahmen gebeten worden. Die Sorgen konnten sie ihnen dann auch beim Pressetermin am Nachmittag, den Schäfer als Hilferuf an mögliche Geldgeber, "an die wir bisher noch nicht gedacht haben", deklarierte, nicht nehmen. Im Gegenteil, die vorgelegten Zahlen wirkten noch dramatischer: Denn nicht weniger als acht Millionen Euro müssen die Löwen nun bis zum Monatsende auftreiben - acht Millionen in zwölf Tagen. Sonst sind sie pleite.

Pressekonferenz 1860 München

Schildert die dramatische Finanzlage des 1860 München: Präsident Dieter Schneider.

(Foto: dpa)

"Dieser Zeitpunkt ist von uns selbst, aber auch von der Deutschen Fußball-Liga gesetzt", bestätigte Schäfer. Damit ist klar. Die Zeit rennt gnadenlos davon. 3,5 Millionen werden, wie schon berichtet, allein für die Restsaison benötigt (SZ vom 18.3.), zudem fehlen kurzfristig weitere 4,5 Millionen Euro als Nachweis an die DFL für die kommende Spielzeit. "Wir arbeiten fieberhaft an einer Lösung, aber wir haben sie - Stand jetzt - noch nicht", räumte Schäfer ein und ergänzte: "Das ist eine ernste Situation. Ich kann nicht versprechen, dass wir das schaffen. Die Planung muss Ende März, Anfang April stehen, sonst haben wir ein Problem." Dann spielen die Löwen Fußball bei den Amateuren.

Dabei haben sie, wie Schneider und Schäfer darstellten, den Rotstift schon seit Monaten mit Schwung angesetzt. Von zwölf auf 3,5 Millionen habe man den Bedarf für die aktuelle Saison seit Amtsantritt im Herbst bereits gedrückt, konnte Schäfer vermelden: Darlehensgeber schoben Rückzahlungen auf, Mitarbeiter und Spieler verzichteten auf zehn Prozent Gehalt; zudem trennten sich die Löwen im Winter von sieben Angestellten und elf Profis. "Wir haben elf Spieler abgegeben, ohne der Kern der ersten Mannschaft zu schwächen", sagte Schäfer - was erneut ein ganz spezielles Licht auf die Kaderplanung wirft, die Sportdirektor Miroslav Stevic verantwortet.

"Der Grund für die Situation waren wir selbst", führte Schäfer in aller Offenheit aus. "Wir hatten lange Führungspersonal, das sich um die Selbstdarstellung mehr gekümmert hat als um die Führung des Unternehmens." Nach vier Monaten Tätigkeit haben Schäfer und Präsident Schneider immerhin erreicht, dass ihnen die Gesprächspartner Seriosität und Glaubwürdigkeit attestieren - was ihre Vorgänger nie von sich behaupten konnten. Dazu diente auch ein Gutachten, das laut Schäfer eine positive "Fortführungsprognose" stelle und es für möglich hält, bereits 2012/13 die Gewinnzone zu erreichen. Präsident Schneider hofft daher weiter aus Hilfe aus der Region München: "Ich rufe meinerseits auf, wenn es irgendwo irgendwelche Partner gäbe, die uns helfen können, dass sie aus der Deckung kommen und sich bei uns melden", formulierte er dramatisch.

"München ist nicht nur Champagner und Maximilianstraße"

Die Voraussetzung ist, dass die Löwen den akuten Geldbedarf decken. Im Grunde könnte ihnen der DFL-Sicherungsfonds helfen, wo bis zu fünf Millionen Euro verfügbar wären. Dieser Nothilfefonds steht dem TSV nicht wirklich zur Verfügung. Zum einen würde eine Auszahlung direkt mit der nächsten TV-Geld-Zahlung verrechnet - welche Sechzig nach SZ-Informationen bereits verpfändet hat. Wenn 1860 Hilfe in Anspruch nähme, müsste der Klub einen weiteren Punktabzug in Kauf nehmen; bedeutsamer ist, dass das Geld bis Juni zurückgezahlt werden müsste - verzinst.

Sechzig muss deshalb auf andere Retter aus der Region hoffen: Banken, Unternehmen oder gar die Politik. "München ist nicht nur Champagner und Maximilianstraße. München ist auch eine vierköpfige Familie, der Polizist, der Lehrling oder der normale Arbeiter. Für den steht der TSV 1860. Die Stadt München sollte in der Lage sein, einen Verein wie 1860 zu erhalten", appellierte Schäfer.

Sollten die Löwen Insolvenz anmelden, dürfte der Insolvenzrichter zunächst daran interessiert sein, den Betrieb bis Saisonende abzusichern. Danach folgt der Zwangsabstieg. Da die dritte Liga auch eine Profiliga ist, würde 1860 hier ebenfalls keine Lizenz mehr erhalten. Mit der Pleite wäre die ausgegliederte KGaA Geschichte. Die Regionalliga wiederum gehört zum DFB und sieht ein Lizenzverfahren vor - 1860 könnte höchstens in der Bayernliga antreten.

Der FC Bayern, in dessen Arena die Löwen Mieter sind, beobachtet die dramatische Situation beim Lokalrivalen durchaus betroffen, er hatte sich bis zuletzt hinter den Kulissen engagiert. Und das nicht nur, weil bei einem Abschied der Sechziger Verluste drohen. Die gestundete Miete von mindestens zwei Millionen Euro wäre wohl abzuschreiben. Und: Die Logen-Besitzer haben für 40 Spiele im Jahr gebucht, auch der Namensgeber des Stadions (Allianz) könnte bei weniger Partien auf reduzierte Zahlungen pochen. Präsident Uli Hoeneß sagte zu alledem am Freitag, sein Verein sehe diesen Dingen gelassen entgegen. "Wenn das nun wirklich so kommen sollte, haben wir ein Vierteljahr Zeit, um Lösungen mit den Partnern zu finden." Mindereinnahmen der Stadion-GmbH werde Bayern aber verkraften: "Unser Verein steht wirtschaftlich wie eine Eins."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: