Fußball: 1860 München:Verhandeln mit Herrn Kleber

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Eigengewächs Fabian Johnson verlässt den TSV 1860 nach Wolfsburg, Mittelfeldabräumer Florin Lovin von Steaua Bukarest soll kommen.

Gerald Kleffmann

Es gibt Momente, in denen ist Ewald Lienen stur wie ein korsischer Esel, der am Berg stehend partout nicht weiterschreiten will. Keinen Millimeter geht es dann voran. Eine mühsame Geschichte. Wenn Lienen, der Trainer des TSV 1860 München, gefragt wird, was der Verkauf seines Mittelfeldspielers Fabian Johnson dem Fußballzweitligisten finanziell einbringt, stellt er auf Durchzug und formuliert Ablenkungssätze wie: "Der Transfer ist in Ordnung so. Es freut mich für Fabi, er wollte das."

Der TSV 1860 verliert wieder einmal ein großes Talent: U21-Europameister Fabian Johnson (links) wechselt zum deutschen Meister VfL Wolfsburg. (Foto: Foto: dpa)

Immerhin verrät er, dass der VfL Wolfsburg, der nun wie erwartet Johnson nach wochenlangem Preisgeschachere (1860-Geschäftsführer Manfred Stoffers nennt es hübsch verpackt "anfängliche Irritationen") am Mittwochvormittag verpflichtete, den Löwen entgegenkam. Über eine Million Euro habe der deutsche Meister hingeblättert, spekulierte die heimatnahe Wolfsburger Allgemeine. Wahr? Quatsch? Lienen lächelt, schweigt - und genießt. Man hat offenbar mehr aus Wolfsburg herausgequetscht als die kolportierte erste aufgerufene Summe von 900 000 Euro. Wenn auch nicht viel mehr. Aber es ging ums Prinzip.

"Wir leben von Transfers"

Bereits vor drei Wochen hatte Lienen betont, 1860 werde selbst ausgebildete Talente nicht mehr ohne wirklich angemessene Ablöse ziehen lassen. Vor allem die Vorstellung, Johnson - seit der U9 bei Sechzig und im Juni Teil der deutschen U21-Europameisterelf - würde seinen noch bis 2010 laufenden Vertrag bei 1860 aussitzen, um dann ablösefrei zu gehen, sollte ihn der TSV nicht jetzt ziehen lassen, hatte ihn in Rage gebracht.

Er drohte sogar an, Johnson auf die Tribüne zu setzen, sollte der Spieler sich nicht erkenntlich genug zeigen, dass er jahrelang bei 1860 lernen durfte. "Wir leben von solchen Transfers", wiederholte Lienen nun am Mittwoch während des Trainingslagers in St. Johann im Pongau und schaute lammfromm, was man nur so deuten konnte: Er schien froh zu sein, dass 1860 unter seiner Ägide in Sachen Personalpolitik ein erstes halbwegs vorzeigbares Exempel statuiert hat. Dass er bei den Planungen Johnson nicht als Eckpfeiler in einer neuen, aufstiegsreifen Elf betrachtete, ist ein anderes Thema, was man aber aus der Schlussfolgerung ableiten darf, Lienen wolle mit dem Johnson-Erlös nun "die Mannschaft verstärken".

Lovins Champions-League-Erfahrung

Eine Absicht, die bereits am Mittwoch erstmals in die Tat umgesetzt wurde. Denn der Trainer vermeldete als zweite heiße Tagesnachricht, dass der nächste Spieler, den 1860 verpflichten wird, Florin Lovin sein sollte. Der 27-jährige Rumäne war bereits am Dienstagabend im rustikalen Fünf-Sterne-Palast "Oberforsthof" aufgetaucht, um ersten Kontakt mit dem Team aufzunehmen - und "um zu verhandeln", wie der Trainer unverblümt aussprach. Am Mittwochabend, so der Plan, sollte dann laut Lienen ein "Herr Kleber aus Berlin", der Berater Lovins, zusammen mit 1860-Sportchef Miki Stevic die Details bereden, zur Debatte stand ein Ausleihgeschäft oder ein Kauf; beide Lösungen würden Lienen zufrieden stellen. "Er verkörpert das Profil, das wir suchen", schwärmte der Trainer, "er ist ein echter Sechser, groß, gute Technik, guter Spielaufbau."

Erfolgversprechend auch: Der defensive Mittelfeldabräumer ist offenbar einer mit Courage, einer, der Verantwortung zu übernehmen weiß. Lovin, in den vergangenen vier Jahren Stammspieler bei Steaua Bukarest, der dominierenden Mannschaft Rumäniens und damit Champions-League-erprobt (im November spielte er beim 0:3 in der Arena gegen den FC Bayern), kritisierte kürzlich den Präsidenten Steauas, weil der Klub Gehaltszahlungen zurückhielt - woraufhin der ihn in die zweite Mannschaft degradierte. So landete Lovin auf dem freien Markt - andere wiederum verletzen sich und verschwinden quasi vom Radar der Scouts.

Ein solcher ist der Montenegriner Ardijan Djokaj, 30. Der offensive Mittelfeldmann hatte seine beste Phase, als er vor zwei Jahren in 26 Spielen elf Tore für TuS Koblenz schoss, im vergangenen halben Jahr aber hatte er Verletzungsprobleme. Nun ist er ablösefrei. "Er ist ausgezeichnet, ein starker Linksfuß", lobte Lienen. Beim Testspiel an diesem Donnerstag in Kirchanschöring gegen Posen (18 Uhr) wird Djokaj die erste Bewährungsprobe erhalten; am Mittwoch fehlte er noch im Training.

© SZ vom 16.07.2009/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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