Fußball:1860 München trennt sich von Oliver Kreuzer

Oliver Kreuzer

Oliver Kreuzer: War mal Sportdirektor in München

(Foto: dpa)

Ein neuer Sportdirektor steht auch schon bereit: Thomas Eichin beendet seinen Vertrag mit Werder Bremen und soll Kreuzer beerben.

Von Jörg Marwedel und Philipp Schneider, Bremen/München

Im geschwätzigen Fußballgeschäft kann es hin und wieder vorkommen, dass die Nachricht von der Verpflichtung eines Spielers, Trainers, oder Geschäftsführers schon durchsickert, bevor die Arbeitsverträge überhaupt unterzeichnet sind. Dieses Prinzip kennen sie ganz gut beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, bei dem der Geheimnisverrat zu den Gründungsmythen gehört wie das Löwenstüberl von Wirtin Christl Estermann.

Als sich am Mittwoch die Nachricht verbreitete, dass Thomas Eichin seinen Manager-Vertrag beim Erstligisten Werder Bremen aufgelöst habe, um neuer Geschäftsführer bei Sechzig zu werden, da war die undichte Stelle ausnahmsweise nicht in München zu suchen, sondern irgendwo im Bremer Umfeld. Die Kreiszeitung Syke meldete Eichins Wunsch nach beruflicher Neuorientierung nach München und eine Liga tiefer - und überrumpelte damit die zuständigen Gremien des TSV 1860 genauso wie die Öffentlichkeit: Der Klub wollte offenkundig einerseits die bereits beschlossene Amtsenthebung seiner gegenwärtigen Geschäftsführer Markus Rejek und Noor Basha noch vor dem finalen Übereinkommen mit Eichin kommunizieren.

Und vor allem: Er musste sich auch noch mit Sportchef Oliver Kreuzer einigen und ihn freistellen, weil Eichin dessen Kompetenzen als neuer Super-Funktionär ja ebenfalls übernehmen wird. Am Nachmittag verschickte 1860 also eine augenscheinlich in großer Hast erstellte Mitteilung, die aus sechs dürren Zeilen bestand. Überschrift: "1860 und Oliver Kreuzer gehen getrennte Wege". Im vergangenen Winter hatte der 50-Jährige mit einigen klugen Transfers die sportliche Wende eingeleitet, die 1860 überhaupt erst den Ligaverbleib ermöglichte.

An seiner Arbeit gab es nicht einmal ansatzweise etwas auszusetzen. Er war wohl lediglich zu einem Zeitpunkt eingestellt worden, als ein ominöses Gremium noch nicht geschaffen war, das seit Mai das Vertrauen von Investor Hasan Ismaik genießt: ein sogenannter "Strategie-Ausschuss", in dem jeweils vier Vertreter von Vereins- und Investorenseite sitzen. Dieses für Personalfragen zuständige Gremium bei 1860 sollte eigentlich erst an diesem Donnerstag tagen, um die Auflösungsmodalitäten der alten Verträge zu fixieren. Doch nachdem durchgesickert war, dass Eichin der Wunschkandidat des Ausschusses ist, wurde es schon einen Tag vorher hektisch bei 1860.

Und für den sparsamen Ismaik, der sich jede Überweisung sehr gut überlegt, bedeutet die Trennung von Kreuzer unweigerlich: die nächste Abfindung.

"Interessante und besondere Zeit"

So professionell wie Eichin einst seine Arbeit bei Werder absolvierte, hat er den Weg für den neuen Arbeitgeber freigemacht. Nachdem er in der vergangenen Woche noch auf der MS Europa II ausgespannt und für die Passagiere die Fußball-EM kommentiert hatte, einigte er sich mit Bremens Aufsichtsratsboss Marco Bode auf die Auflösung seines bis 2018 datierten Vertrages und kassierte geschätzt eine halbe Million Euro Abfindung. Seine drei Jahre in Bremen stufte er als "interessante und besondere Zeit" ein.

Seine Transferbilanz mit relativ bescheidenen finanziellen Mitteln kann sich sehen lassen, Werder musste ja nach der Zeit in Champions und Europa League heftig sparen und hatte vier Jahre lang ein dickes Minus im Etat. Eichin verpflichtete Franco Di Santo und Yannik Vestergaard, die mit großem Gewinn verkauft wurden. Er holte den beliebten Claudio Pizarro zurück. Auch Stammspieler wie Anthony Ujah, Santiago Garcia, Florian Grillitsch und Fin Bartels schlugen ein, ebenso Leihspieler Papy Djilobodji vom FC Chelsea, der wesentlich zur Rettung vor dem Abstieg beitrug.

Es wäre vollkommen undenkbar gewesen, dass Eichin sich bei einem Wechsel zu 1860 mit Manager Kreuzer auf eine Stufe gestellt hätte. Sein Machtbewusstsein ist so groß, dass manche Werder-Mitarbeiter sich einst beschwerten über seinen ruppigen Umgangsstil. Gescheitert ist Eichin in Bremen letztlich, weil er Trainer Viktor Skripnik nicht für den richtigen Trainer hielt - im Gegensatz zu seinen Mitstreitern im Vorstand und Aufsichtsrat. Sein Versuch, den Vertrag mit dem Coach nach der Rettung aufzulösen, scheiterte am sogenannten "Werder-Weg", für den nicht nur Bode steht. Der sieht eine besondere Treue zu Leuten vor, die schon 20 Jahre im Verein wirken wie Skripnik. Nachdem Eichin trotz der Schwachpunkte, die Skripnik tatsächlich offenbarte, vereinsintern auf kein Gehör stieß, blieb nur die Trennung.

Doch auch Bode lobte den scheidenden Geschäftsführer. Er habe mit seiner Entscheidungsfreude "einiges bewegt". Nur das Unhanseatische am in Freiburg geborenen Eichin habe mit der "Philosophie" des Klubs nicht zusammengepasst. "Ich habe gut aufgetankt, ich brauche kein Sabbatjahr", hat Eichin kürzlich erzählt. Das klang nicht so, als ahne er, welch aufregende Abenteuer die Geschäftsführer beim TSV 1860 in der Regel zu bestehen haben.

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