Vor genau sieben Monaten war der TSV 1860 München ebenfalls zum Halleschen FC gereist, damals wie diesmal mit einer schlechten Serie im Gepäck. Und auch damals hatten die Fans etwas mitzuteilen: "Power muss weg", hieß es im Februar, gemeint war der Investoren-Statthalter bei Sechzig, Anthony Power. Was übrigens auf der Haupttribüne an jenem Freitagabend die Nachfrage eines Einheimischen nach sich zog: "Entschuldigung, muss es nicht heißen: Power muss her?" Denn das Spiel endete 0:0. Damals machte Geschäftsführer und Interimstrainer Günther Gorenzel noch eine Geheimniskrämerei daraus, wer der nächste Trainer werden würde, obwohl es bereits feststand.
Jener Maurizio Jacobacci hatte in den vergangenen Tagen verzweifelt versucht, eine Serie von vier Niederlagen weg zu moderieren, obendrein auch noch die mit vielen Indizien angereicherten Gerüchte, dass in der Sommerpause bezüglich der Kaderplanung zweifelhafte Gepflogenheiten herrschten. Es war auch nicht komplett auszuschließen, dass es im Falle einer fünften Niederlage erneut Trainer-Ungewissheiten geben könnte.
Exklusiv TSV 1860 München:Kontinuität im Chaos
Nach dem Streit innerhalb des Präsidiums gehen bei Sechzig nun gewohnte Kontrahenten wieder mal aufeinander los: Präsident Reisinger kontert Vorwürfe von Aufsichtsratschef Stimoniaris - und äußert sich zu dessen Vorschlag, den Vertrag mit Geschäftsführer Pfeifer zu verlängern.
Doch diesmal war die Stimmung anders, weil die Löwen erstmals wieder etwas mehr Power zeigten als Tölpelhaftigkeit: Sechzig gewann 2:0 (1:0), machte einen kleinen Sprung weg von den Drittliga-Abstiegsplätzen. "Wir haben heute wirklich wenig Fehler gemacht", freute sich der 60-jährige Trainer bei Magentasport, und merkte an: "Ich habe der Mannschaft immer wieder Mut zugesprochen, sie soll weiter an sich glauben. Denn das hat Hand und Fuß auf dem Platz."
Sieht man nur die reine Torausbeute, mag diese Aussage zutreffend sein. Die Gastgeber waren es jedoch, die sich mit zahlreichen guten Kombinationen immer wieder Chancen erspielten, diese aber liegenließen. Die Sechziger hingegen bestraften schlicht die Fehler des Gegners eiskalt. Mann des Spiels wurde Morris Schröter, der zuletzt wegen Adduktorenproblemen gefehlt hatte. In der 18. Minute hatte der 28-jährige Sommerzugang die erste gute Möglichkeit noch vergeben, fünf Minuten später nutzte er einen haarsträubenden Fehlpass von Halles Nico Hug, um den Ball einzuschieben. Die Vorentscheidung fiel in der 66. Minute, als Schröter halbhoch in Richtung fernen Pfosten schoss. Dort hatte Julian Guttau auf solch einen Ball spekuliert, er traf volley, jubelte aber nicht - der 23-Jährige ist gebürtiger Hallenser. "Das war jetzt nicht der gezielteste Pass, so ehrlich muss man sein", sagte Schröter hernach über seine eher glückliche Vorbereitung.
Wie so oft bringt eine Führung auch dieses Mal nicht die gewünschte Souveränität
Eine echte Steigerung war die Partie zwar weder im Spiel nach vorne noch in der Defensive, aber das Glück erreichte die zweifelsfrei sehr engagierten Löwen gerade noch rechtzeitig. Denn auch diesmal kam ihnen die Souveränität über lange Phasen abhanden, obwohl sie 1:0 führten - in sieben Partien schon zum sechsten Mal. "Da war viel zu viel Hektik und Nervosität im Spiel", kritisierte dann auch Matchwinner Schröter mit Blick auf den Beginn der zweiten Halbzeit. Ganz ohne Wermutstropfen ging es eben auch diesmal nicht: Etwas unglücklich sah kurz vor Schluss Manfred Starke nach einer Grätsche die rote Karte (87.). Während die Löwen die Entscheidung als zu hart kritisierten, gab Halle am Sonntag bekannt, dass der Gefoulte Niklas Landgraf wegen einer Knieverletzung mehrere Monate ausfallen wird.
Trainer Jacobacci war in der Schlussphase sichtlich nervös. Immer wieder stand er laut schreiend an der Seitenlinie. Den Sieg spielte er dann ein wenig herunter, schließlich habe die Mannschaft in den vergangenen Wochen meistens auch gut gespielt. Doch die enorme Erleichterung war ihm anzusehen. Gerade mit Blick auf die Vorkommnisse unter der Woche war es für den Trainer besonders befriedigend, dass "sein" Kader gewonnen hatte: Sieben Zugänge hatten in der Startelf gestanden, zwei Neue hatten die Tore erzielt.
Trotz Sieg in Halle - Fans fordern "kompetenten Sportvorstand"
Die Diskussion um die Vorwürfe in einem Beitrag auf sechzger.de kann nach einem Sieg ein wenig ruhiger angegangen werden, doch sie steht weiter an. Das Fanportal scheint sich der Sache sicher zu sein. Nachdem der Verein am Mittwoch rechtliche Schritte gegen die "gänzliche haltlosen Anschuldigungen gegen verschiedene Funktionäre" angedeutet hatte, war der Artikel am Samstagabend aber immer noch im Netz zu finden.
Die Fans hatten jedenfalls auch diesmal in Halle etwas zu sagen. Dass möglicherweise Spieler gebeten wurden, den Berater zu wechseln, um zu 1860 München wechseln zu können, und dass möglicherweise auch der Manager des einst verhassten Rivalen Türkgücü München, Max Kothny, in die Planungen involviert war, provozierte das Spruchband: "Wenn eine Pfeife ohne sportliche Power den Max macht, kommt nur Mist raus! Kompetenter Sportvorstand jetzt!" Das schwelende Problem wird nach einem sportlichen Erfolg womöglich aber gar nicht schneller angegangen. Ob nämlich der kaufmännische Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer oder die Investorenseite um Anthony Power nun gesteigerten Bedarf sehen, der Fanforderung nachzukommen, darf angezweifelt werden.