Süddeutsche Zeitung

Friedhelm Funkel bei Fortuna Düsseldorf:Hochmoderne, alte Schule

Düsseldorfs Trainer Funkel reduziert Fußball auf den Kern. Sein Mantra: Es starten elf gegen elf. Das verschafft dem Teamgedanken ein Comeback.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Einst hatten Fußballer meist nur ihre Namen, Stürmer hießen Müller oder Seeler, Regisseure Netzer und Overath, und der Verteidiger war ein Schwarzenbeck. Heute, im globalisierten Sport, bekommen sie Nummern zugeteilt. Der Sechser ist der Mann vor der Abwehr. Der Zehner ist der, der das Spiel zu ordnen versucht. Vorne gibt es den richtigen Neuner (klassischer Mittelstürmer) oder den falschen (rotierender Stürmer). Als Friedhelm Funkel noch als Profi unterwegs war, tief im vorigen Jahrhundert, gab es richtige Neuner, keine falschen.

Funkel diente dahinter. Funkel war das, was man heute einen Achter nennt. Oder, internationaler: Einen Box-to-box-Player, einen, der sich zwischen den Strafräumen rumtreibt. Rastlos unterwegs im Dienst der Mannschaft. Ein Achter ist der Altruist auf dem Rasen. Die Besseren unter diesen Selbstlosen wissen trotzdem immer, wo der Gegner sein Tor hat.

Es gibt diese gar nicht so dämliche These, dass eine Mannschaft auf Dauer den Charakter ihres Trainers spiegelt. Selten wurde dies so deutlich wie im Spätwerk des Fortunen Funkel, der einen Aufsteiger und Abstiegsfavoriten in einen Favoritenschreck verwandeln konnte.

Funkel hat den Dienst nie beim FC Bayern hinter Gerd Müller oder beim HSV hinter Uwe Seeler leisten können. Zum einen ist er etwas jünger, zum anderen rackerte er beim KFC Uerdingen (1973 bis 1980 und 1983 bis 1990), als die Stürmer dort Feilzer, Schäfer oder Loontiens hießen. Zwischendrin trug er dazu bei, dass Kaiserslauterns Betzenberg der Gipfel war, den alle fürchteten - bei einem 5:0 erzielte Funkel einmal zwei Tore, im Europapokal, gegen Real Madrid.

Das Erstaunliche am Trainer Funkel ist heute, dass er den Fußball von viel Brimborium, Datenirrsinn und Geheimnistuerei befreit und auf den Kern reduziert. Sein Mantra: Es starten elf gegen elf, immer. Und so musste auch Schalke nach dem 0:4 die selbe Funkel-Wahrheit akzeptieren wie einst Real Madrid. Dass Schalke "natürlich" (Funkels Lieblingsvokabel) die viel bessere Elf sei, nur, Künstlerpech: Sie bringe es halt nicht auf den Platz. Und bei Anzeichen von Schwäche packt das Fortuna-Rudel sofort zu.

Funkel verhilft in seiner hochmodernen, alten Schule dem Teamgedanken zum Comeback. Er zog sogar noch Energie daraus, dass die irrlichternden Fortuna-Bosse in der Winterpause plötzlich eine Trennung provozierten. Ein Fan-Aufstand hievte ihn binnen Stunden zurück ins Amt. Öffentlich vergoss der 65-Jährige ein paar Tränen, Düsseldorf soll seine letzte Etappe sein, aber er gab nicht den Beleidigten, im Gegenteil. Er ist halt ein Achter, kurz vor der Rente immer noch.

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SZ vom 04.03.2019/jbe
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