Führungskrise bei 1860 München:Iraki fordert Schneiders Rücktritt

Der Präsident von 1860 München wird offenbar immer heftiger von der Investorenseite in die Enge getrieben. Selbst im Aufsichtsrat scheint Schneider keinen wirklichen Rückhalt mehr zu haben, im Hintergrund formiert sich offenbar bereits ein neues Führungstrio.

Gerald Kleffmann und Philipp Schneider

Im Machtkampf beim Fußball-Zweitligisten 1860 München spitzt sich die Lage zwischen Vereins- und Investorenseite weiter zu, möglicherweise wird der Präsident des Traditionsvereins bald zum Aufgeben genötigt. Seit Dienstag steht im Raum, dass Hamada Iraki, der Statthalter des arabischen Investors Hasan Ismaik, intern den Rücktritt des Vereinspräsidenten Dieter Schneider mit Nachdruck gefordert habe. Dies berichtete der Merkur.

Hamada Iraki, Dieter Schneider

Beim Einstieg von Investor Hasan Ismaik waren sich 1860-Präsident Dieter Schneider (links im Bild) und Verhandlungsführer Hamada Iraki noch einig.

(Foto: dpa)

Vergangene Woche soll Iraki vor einer Klausurtagung von Präsidium und e.V.-Aufsichtsrat den Aufsichtsratschef Otto Steiner sowie die Vizepräsidenten Franz Maget und Wolfgang Hauner telefonisch dazu gedrängt haben, dafür zu sorgen, dass Schneider bis Freitag nicht mehr Präsident ist. Auf Anfrage bestätigte Hauner ein Gespräch mit Iraki. Zu der Schilderung, Iraki habe den Rücktritt Schneiders gefordert, sagte Hauner der SZ: "Ich werde nichts bestätigen, was die Lizenz des Vereins gefährdet." Diesen Satz kann man nur so verstehen, dass Iraki den Rücktritt gefordert hat.

Druckmittel Geld

Warum Hauner von einer Gefahr für die Lizenz spricht, ist klar: Sollte 1860 zugeben, dass der Investor den Rücktritt des Präsidenten gefordert habe, müsste das die Deutsche Fußball-Liga auf den Plan rufen. Gemäß der 50+1-Regel im deutschen Fußball darf ein Geldgeber, der an einem Klub beteiligt ist, nicht in das Hoheitsgebiet des Vereins eingreifen. Und das ist das Präsidentenamt, Herz dieses Vereins, zweifelsohne.

Klubs sollen so vor der Machtübernahme geschützt werden. Iraki selbst ließ eine Anfrage der SZ am Dienstag unbeantwortet. Dass er mit Macht auf den Rauswurf oder Rücktritt Schneiders hinarbeitet, ist aber kein Geheimnis. Schneider vertritt die Interessen des Vereins, Iraki hat in Gestaltungsfragen ganz andere Sichtweisen und offenbar ganz andere Interessen.

Zudem hat der Banker ein Druckmittel. Er könnte drohen, den Geldhahn zuzudrehen; das klang intern offenbar schon mal durch. Nach wie vor schleppt 1860 ein strukturelles Defizit mit sich herum und ist auf Gelder des Investors angewiesen. Erst kürzlich verkaufte 1860 die Fanartikel-Firma an den Investor und nahm von ihm ein Darlehen auf.

Eigentlich hat der Verein Möglichkeiten genug, für seine Rechte als Mehrheitsgesellschafter einzutreten und auch mal eine Auseinandersetzung mit dem Investor auszuhalten. Zumal die Vereinsvertreter wissen sollten, dass der Investor letztendlich sein eigenes Investment gefährdet, wenn er jede Hilfe oder Zusammenarbeit zukünftig verweigern sollte, nur weil Schneider Präsident ist.

Wie sehr aber die Allianz offenbar bröckelt und Schneider als oberster Vereinsvertreter in die Enge getrieben wird, belegt die Tatsache, dass nach SZ-Informationen am Dienstagabend der eigene Aufsichtsrat des e.V. kurzfristig eine außerordentliche Sitzung ansetzte - ohne Präsidium. Im Kontrollgremium sollte es dem Vernehmen nach darum gehen, ob ein Abtritt Schneiders die verfahrene Situation mit Ismaik/Iraki lösen könnte, oder ob man Schneiders Kurs unterstütze. Sieben Räte sitzen im e.V.-Aufsichtsrat (Steiner, Hagl, Jodlbauer, Leipold, Monatzeder, Siegfried Schneider, Waggershauser).

Kaum Rückhalt im Aufsichtsrat

Laut Klubsatzung ist es zwar dem Aufsichtsrat nicht gestattet, "das Präsidium und einzelne Mitglieder des Präsidiums (...) abzuberufen". Dieses Recht hat nur das oberste Gremium, die Delegiertenversammlung. Doch sollten die Räte zum Schluss kommen, dass man aus einem "wichtigen Grund", wie es die Satzung fordert, kein Vertrauen mehr in Schneider habe, wäre ein Verbleib des Präsidenten und auch seiner beiden Vize als unwahrscheinlich einzustufen.

Wie die sieben Aufsichtsräte zum Präsidium und insbesondere zu Schneider stehen, ist nicht bei allen zu durchschauen. Wolfgang Hauner jedenfalls gibt zu: "Wie der Rückhalt im Aufsichtsrat für das Präsidium aussieht, ist schwer zu beurteilen. Ich möchte aber nicht in ihrer Haut stecken." Grundsätzlich, das betont Hauner, müsse sich der Verein eine wichtige Frage stellen: "Wir sind an einer ganz entscheidenden Stelle. Wir sind längst nicht über den Berg. Wir müssen jetzt endlich Weichen stellen und uns fragen: Wollen wir uns weiter verschulden oder nicht? Welchen Weg gehen wir?"

Es ist nicht ganz klar, welche Rolle in diesem Machtspiel Otto Steiner zufällt, dem Aufsichtsratschef. Mal hat er sich intern als Hardliner gegenüber Iraki und Geschäftsführer Robert Schäfer positioniert; so begrüßte er die einstige Vereinsforderung in einem Positionspapier, Schäfer müsse gehen. Jüngst lobte er beide wieder. Am Sonntag, also drei Tage nachdem er offenbar ebenfalls einen Anruf von Iraki erhielt, versicherte er der SZ, hinter Schneider zu stehen.

Zudem: Seine Verpflichtungen als Geschäftsführer einer Firma ließen das Ehrenamt als Präsident bei Sechzig nicht zu ("Ich habe definitiv nicht das aufzubringende Zeitkontingent"). Der Merkur berichtete indes, Steiner habe sich längst die Zustimmung seines Arbeitgebers eingeholt, das Präsidentenamt "im Ernstfall" ausüben zu dürfen. Die Frage ist, ob dieser Ernstfall aus Steiners Sicht bereits eingetreten ist? Er sagt: "Wir müssen einen Weg finden, die Unstimmigkeiten aus der Welt zu schaffen, die evident waren. Zwischen dem Geschäftsführer der KGaA, dem Präsidenten und dem Investor."

Steiner schwärmt von Iraki

Es klingt in Gesprächen mit Steiner jedenfalls durch, dass er persönlich solche Unstimmigkeiten selten erlebt hat. Iraki habe er als "harten, aber konstruktiven Verhandlungspartner erlebt", er sei ein "sehr wacher, sehr gewiefter, sehr witziger" Mensch, darüber hinaus stamme man "aus einer Generation". Schäfer, als ein Gegenspieler Schneiders auffällig, schätze er "sowohl menschlich als auch fachlich sehr", sagt Steiner - und nimmt ihn in Schutz: "Wir haben ihn damals über Nacht zum Geschäftsführer gemacht und waren uns bewusst, dass wir einen Mann installieren, der nicht in erster Linie eine kaufmännische Ausbildung hat."

Schäfer ist Jurist. Das alles klingt nach einem angestrebten Trio aus Iraki, Schäfer und Steiner, das sich offenbar selbst als sehr harmonisch empfindet. Auch Iraki hat dem Vernehmen nach durchklingen lassen, mit einem Präsidenten Steiner sehr gut leben zu können.

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