Führungsdebatte beim Zweitligisten:Eriksson übernimmt Trainerjob bei 1860 München

Sven-Göran Eriksson, TSV 1860 München

Sven-Göran Eriksson wird neuer Trainer beim TSV 1860 München.

(Foto: REUTERS)

"Es war eine positive und gute Nacht für 1860": In einer bemerkenswerten Sitzung fällt die Entscheidung für Sven-Göran Eriksson und Alexander Schmidt als neues Trainergespann der "Löwen". Aber auch nach mehrstündigen Verhandlungen der Verantwortlichen bleiben zahlreiche Fragen offen.

Von Philipp Schneider

Der Vereinspräsident kam mit dem Aufzug hinabgesaust, hinunter von der dritten Etage der Geschäftsstelle des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München bis ins Erdgeschoss. Dort traf er dann mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats zusammen, der die Treppe für seinen Abstieg gewählt hatte. Es war 2:47 Uhr in der Früh, fast sieben Stunden hatten die Mitglieder des Aufsichtsrates beraten.

Dann erst traten Präsident Dieter Schneider und Otto Steiner, der Vorsitzende des Gremiums, hinaus in die Kälte. Ihre Augen trugen Spuren von Müdigkeit und Steiners Stimme die von Heiserkeit: "Erst einmal Entschuldigung, dass es so lange gedauert hat", sagte er. Man habe jetzt "nur direkt auch mit Hamada Iraki und Hasan Ismaik kommuniziert, über das, was heute Abend besprochen und beschlossen wurde".

"Vorab, es war eine positive und gute Nacht für 1860", bilanzierte Steiner. Denn: "Der Aufsichtsrat ist einverstanden, dass Sven-Göran Eriksson in den Trainerstab von 1860 hinzustößt. Alexander Schmidt wird Trainer bleiben. Robert Schäfer (Geschäftsführer der KGaA; Anm. d. Red.) ist beauftragt, in den nächsten Tagen mit beiden Gespräche zu führen und die Aufgabenteilung zu klären."

Ismaiks Wunsch-Trainer

Bereits seit dem Mittwoch vergangener Woche hatten die Vereinsvertreter bei 1860 über ein Kompromiss-Papier des jordanischen Investors Hasan Ismaik beraten, das dieser nach einer eskalierten Aufsichtsratssitzung beider Gesellschafter der gemeinsamen Profifußball-Abteilung und noch vor seiner Abreise nach Abu Dhabi den Vereinsvertretern zur Prüfung hinterlassen hatte. Der Vorschlag war von seinem Geschäftspartner Hamada Iraki erstellt worden - und hatte nach SZ-Informationen bereits explizit den Namen von Ismaiks Wunsch-Trainer Sven-Göran Eriksson enthalten.

Man habe "den Kompromissvorschlag von Hasan Ismaik und Hamada Iraki auf dem Tisch gehabt" und diesen "ausführlich diskutiert". Schließlich habe ihn der Aufsichtsrat "ohne Gegenstimme gebilligt", sagte Steiner. Die Sitzung habe sich demnach auch deshalb so hingezogen, weil noch Details zu klären gewesen wären. "Einige Sachen gemäß der 50+1-Regel der DFL (Deutsche Fußball Liga)", waren "noch modifiziert und auch diskutiert und besprochen und auch gegenseitig abgenommen" worden, sagte Steiner.

Diese Formulierung war aus juristischer Sicht nicht ganz unwichtig, denn um zwei Fragen könnte es in den nächsten Wochen tatsächlich noch gehen: Hat der e. V. am Ende dieser turbulenten Woche nur einem Wunsch von Hasan Ismaik entsprochen - der an der Schnittstelle der sportlichen Leitung so leidenschaftlich gerne einen Vertrauensmann installieren wollte? Oder waren die Vereinsvertreter von dem jordanischen Geschäftsmann mit finanziellen Mitteln, wenn auch indirekt, unter Druck gesetzt worden? Denn die "50+1"-Regel der DFL schreibt in Deutschland vor, dass die Vereine stets die politische Entscheidungshoheit bewahren - und mögliche Investoren nicht mehr Mitsprache erhalten, als es ihre (maximal) 49 Prozent stimmberechtigten Anteile an der Profifußball-Abteilung zulassen.

"Eriksson kann eine Chance sein"

Am Ende jedenfalls hätten Hasan Ismaik und Hamada Iraki diesem, dann offenbar modifizierten, Kompromissvorschlag, "wie er jetzt am Schluss entworfen war" zugestimmt, sagte Steiner. Und nun also wird der frühere englische Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson schon sehr bald Trainer des Zweitligisten TSV 1860 sein.

Für den derzeitigen Übungsleiter Alexander Schmidt, der erst vor wenigen Wochen vom Übungsleiter der U21 zum sportlichen Verantwortlichen der Profimannschaft befördert worden war, bedeutet das: Er muss sich nun arrangieren mit einem Trainer, dessen Name selbst in den entlegensten Regionen dieses Planeten durchaus dem einen oder anderen Bewohner bekannt sein dürfte. Können sie tatsächlich miteinander arbeiten? Womöglich gleichgestellt?

Das werde nun der KGaA-Geschäftsführer Robert Schäfer in Einzelgesprächen klären, versprach Steiner: "Ob es dann nächste Woche mit den Gesprächen losgeht oder übernächste, das wird sich in den nächsten Tagen klären."

Ebenfalls zu klären wird sein, welche Auswirkungen die Implementierung eines derart erfahrenen (und international vernetzten) Trainers wie Eriksson auf die Arbeit des aktuellen Sportchefs Florian Hinterberger haben wird, dessen Vertrag im Sommer ohnehin ausläuft? "Das heißt gar nichts für Florian Hinterberger", sagte Steiner. Dieses Thema sei "heute nicht weiter vertieft" worden. Und überhaupt, man habe (im Gegensatz zur SZ) "direkt" noch nicht mit Eriksson gesprochen. Deshalb sei Robert Schäfer ja nun erst damit beauftragt worden, die Gespräche überhaupt aufzunehmen.

Kompromissvorschlag von beiden unterschrieben

Der auf Entschuldung und Aufstieg angelegte und im Sommer gemeinsam mit Hasan Ismaik entworfene Dreijahresplan habe weiter Gültigkeit, sagte Steiner. Ja, der Plan werde jetzt sogar "wieder nahtlos gelebt", wie Präsident Schneider ergänzte. Ob Eriksson nun damit beauftragt werden wird, gleich mehrere Spieler seines Vertrauens als Zugänge zu empfehlen, diese Frage wurde dann um drei Uhr in der Früh doch nicht mehr vertieft. "Ich werde in die Gespräche so einsteigen, dass es die beste Lösung für 1860 ist", versprach Geschäftsführer Robert Schäfer, ehe er als letzter Verantwortlicher das Vereinsgelände verließ: "Eriksson kann eine Chance sein."

Am Ende, hatte Otto Steiner vorher gesagt, sei der Kompromissvorschlag von beiden Seiten unterschrieben worden, "deshalb gibt es jetzt eine schriftliche Vereinbarung". Wie Investor Ismaik zu Stift und Papier griff, obwohl er persönlich gar nicht anwesend war (und die Vereinbarung noch während der Sitzung modifiziert worden war), das blieb eine weitere, ungeklärte Frage in dieser bemerkenswerten Münchner Nacht des 15. Januar 2013.

Sicher ist nur, dass der Aufsichtstrat des TSV 1860 am Dienstagmorgen tief in sich gegangen war, einmal mehr in der turbulenten Historie des Vereins, nur diesmal womöglich so tief wie niemals zuvor. Seine Repräsentanten redeten, sie berieten, sie stritten vielleicht auch. Fast sieben Stunden lang kreißten sie, dann trafen sie eine Entscheidung. Einstimmig. Und der Turn- und Sportverein von 1860 gebar Sven-Göran Eriksson.

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