French Open:Giftpfeile vor dem Duell der Diven

Lesezeit: 4 Min.

Maria Scharapowa und Serena Williams - diese beiden waren nicht immer beste Freundinnen. (Foto: imago/Kyodo News)
  • Vor dem Duell zwischen Serena Williams und Maria Scharapowa bei den French Open erzählt die Amerikanerin erstaunlich offen von der Rivalität mit der Russin.
  • Ihre öffentliche Fehde geht trotz aller Bekundungen, dass alles in Ordnung sei, bis ins Jahr 2004 zurück.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Serena Williams war erst vor einer Stunde vom Platz gekommen, sie hatte Julia Görges besiegt. Es war eine in Phasen überzeugende Darbietung gewesen. Ihr unterliefen nur zwölf unnötige Fehler. Wenn Görges, die zu den besten Aufschlägerinnen zählt, aufschlug, schaffte sie 29 von 65 Punkten. Diese Fähigkeiten verhalfen Williams zum 6:3, 6:4, es war ihr dritter Erfolg in Serie bei den French Open. Die 36 Jahre alte Amerikanerin, die vor neun Monaten ein Kind gebar und seitdem wieder erstmals bei einem Grand-Slam-Turnier teilnahm, befand: "Es entwickelt sich in die richtige Richtung." Sie meinte das Sportliche. Sie müsse nur besser starten, reinfinden in eine Partie. Es waren die einzigen Ausführungen zu ihrem Spiel, zum Sport.

Ansonsten ging es nicht in einem Wort um die Gegenwehr von Görges am Samstagabend auf dem Court Suzanne Lenglen. Es ging nicht darum, dass Williams diesmal nur drei Asse gelangen, wenig für sie, die von Assen und Winnern zehrt. Es ging um Maria. Ihre nächste Gegnerin. Denn sie betreffend laufe einiges offenbar nicht in die richtige Richtung.

Williams und Scharapowa. Man darf das so sagen: zwei Diven des Tennissports. Die eine: Amerikanerin, 23 Grand-Slam-Titel, eine Berühmtheit, viele Werbemillionen, ein Vorbild für viele. Die andere: Russin, fünf Grand-Slam-Titel, ebenso eine Berühmtheit, noch mehr Werbemillionen, ein Vorbild für viele. Vor allem aber sind beide auch: Weggefährtinnen. Zwei, die das gleiche wollen. In einem Weltmarkt um die gleichen Währungen kämpfen, Dollars, Euros, Aufmerksamkeit, Einfluss, Selbstverwirklichung, Behauptung. Seit 14 Jahren.

Mütter im Profi-Tennis
:"Serena Williams kann sich die Turniere aussuchen"

Wie schwer haben es Frauen, die als Tennisprofi Mutter werden? Tim Sommer, Ehemann und Trainer der Luxemburgerin Mandy Minella, erklärt das Problem der Zweiklassen-Gesellschaft auf der Tour.

Interview von Gerald Kleffmann

An diesem Montag begegnen sie sich wieder, erstmals seit Januar 2016. Im Achtelfinale von Roland Garros, auf dem Court Philippe-Chatrier. Das letzte Mal hatte Williams gesiegt, im Viertelfinale der Australian Open, 6:4, 6:1. Ihre beiden Leben waren danach sehr, sehr unterschiedlich verlaufen. Williams verriet später, sie sei in Melbourne bereits schwanger gewesen. Sie stieg danach aus, um Töchterchen Olympia auf die Welt zu bringen. 16 Monate war sie weg. Scharapowa wurde positiv auf ein seit Kurzem für Tennisprofis verbotenes Herzmittel getestet und gesperrt. Erst für 24 Monate. Die Strafe wurde reduziert. Sie war dann 15 Monate weg. Die eine hat ein Kind bekommen, ist nun verheiratet. Die andere hat ihre Strafe verbüßt und ist offiziell zumindest damit rehabilitiert. Es könnte alles gut sein, aber das ist es nicht.

Scharapowa hat ja ein Buch geschrieben. Und Serena Williams hat nicht vergessen, was in diesem steht. Also ging es auf ihrer letzten Pressekonferenz vor dem Duell sehr, sehr viel um dieses Buch. "Unstoppable" heißt es. Das will sich Williams nicht bieten lassen. Eine Scharapowa nicht stoppen. Immerhin hat sie schon in den letzten 18 Matches in Serie gegen Scharapowa gewonnen, woraufhin manche schrieben und manche meinten, diese Rivalität sei die größte Nichtrivalität, weil sie sportlich im direkten Clinch so einseitig verlaufe. Das mag sein, und doch ist die Rivalität die größte, die das Frauentennis zu bieten hat. Und sicher eine der größten im Sport generell.

Was gleich geblieben ist: Beide beherrschen das große Schauspiel. Etwa die Kunst, ständig zu versichern und zu betonen, dass man gar kein Problem mit der anderen habe. Das doch eigentlich alles gut sei. Und dann wird doch gestichelt, mal subtiler, mal direkter. So wie am Samstag von Williams. Sie habe "keinerlei negative Gefühle ihr gegenüber", sagte sie. Aber dann legte sie los.

French Open
:Im Kosmos von Serena Williams

Ist sie noch ein Tennis-Profi - oder längst Unternehmerin und Botschafterin? Serena Williams will bei den French Open ihr erstes Grand-Slam-Turnier nach der Babypause gewinnen.

Von Gerald Kleffmann

Williams sagte: "Als Fan wollte ich das Buch wirklich lesen, ich war wirklich gespannt, als es herauskam und ich habe mich für sie gefreut." Aber dann habe sie festgestellt: "Das Buch handelt sehr viel von mir. Ich war darüber überrascht, um ehrlich zu sein. Ich dachte: Oh, okay, ich habe nicht erwartet, ein Buch über mich zu lesen, mit Dingen, die nicht wirklich stimmen." Ihre Meinung: "Ich denke, das Buch war zu 100 Prozent ein Hörensagen. Zumindest all das Zeug und all die Zitate, die ich gelesen habe, was ein bisschen enttäuschend war."

Williams pickte sich dann auch, um eine sehr gewiefte Spitze auszupacken, eine Passage heraus. In dieser ging es darum, ob und wie Williams 2004 nach ihrem verlorenen Wimbledonfinale gegen Scharapowa, als deren Stern mit 17 zum Leuchten begann, geweint habe in der Umkleidekabine. Das hatte ja Scharapowa thematisiert in ihrem Buch. An anderer Stelle, in Wimbledon, hatte sie sich öffentlich bei Pressekonferenzen zum Liebesleben der anderen abfällig geäußert. Diesmal ging es um die Tränen von Williams 2004, die Scharapowa in ihrem Buch als Auslöser dafür derart interpretierte, dass Williams nie mehr gegen sie verlieren wollte. Tränen als Trauma.

"Ich bin ein Mensch", verteidigte sich Williams und referierte weiter darüber, dass sie eben Leidenschaft in sich trage, schon oft geweint habe nach Niederlagen, dass sie emotional sei. Sie sprach jetzt nicht den Namen Maria aus, sie wurde allgemein, aber es war klar, dass ihre nächste Ausführung an Scharapowa gerichtet war. "Ich finde, Frauen sollten sich gegenseitig unterstützen", sagte sie. Frauen sollten andere ermutigen, und der Erfolg einer Frau sollte andere Frauen inspirieren. Sie stellte Scharapowa damit indirekt als eine Person dar, die Frauen quasi in den Rücken gefallen sei. Wie eine Verräterin der guten Sache. Ganz grundsätzlich. Wenn man so will, war das ein direkter Winner.

Aber Williams legte noch ein Ass mit 190 km/h nach. Weil sie so oft in Scharapowas Buch vorkomme, schlussfolgerte sie sich wundernd: "Ich wusste nicht, dass sie so zu mir aufschaut oder sie so sehr in meine Karriere involviert war." Sie machte sich im Grunde jetzt über Scharapowa lustig.

Scharapowa hatte Williams' Worte bislang noch nicht erwidern können, sie hatte ihre Pressekonferenz vor Williams abgehalten. Sie hatte sich, ohne zu wissen, was da folgen würde, eher kurz angebunden, aber positiv über Williams geäußert, auch wenn es etwas phrasenhaft klang. Das, was beide geschafft hätten, sein ja inspirierend, sie freue sich auf das Duell, sollte sie auf Williams treffen, alles diplomatisch.

Scharapowa wird allerdings ganz sicher alles versuchen, um auf dem Platz ihre Antwort zu geben. Das betont sie ohnehin sehr oft, dass sie nichts weiter sagen möchte, in diesen Worten schwingt auch etwas die Attitüde mit: Ist unter meinem Niveau, ich muss mich nicht darauf einlassen. Würze hat diese Partie nun allemal mehr als genug.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

French Open
:Königin von Wakanda

Serena Williams steht bei den French Open im Fokus - in vielerlei Hinsicht. Mit ihrem markanten Dress möchte sie auch Frauen repräsentieren, die mentale und körperliche Probleme durchstehen.

Von Gerald Kleffmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: