French-Open-Siegerin Scharapowa:Triumph der energischsten Kämpferin

French Open tennis tournament at Roland Garros

Freudiges Wiedersehen: Maria Scharapowa mit der French-Open-Trophäe.

(Foto: dpa)

Entspannter Vorlauf, intensives Match: Das French-Open-Finale entwickelt sich zum hochkarätigen Schlagabtausch, an dessen Ende sich Maria Scharapowa gegen Simona Halep durchsetzt - und hollywoodreife Szenen liefert.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Alles begann entspannt. Sie linste ein letztes Mal unter ihrer Schirmmütze hervor, sie lächelte und sah locker aus vor ihrer Premiere. Simona Halep, 22, aus Constanta in Rumänien, Tennisaufsteigerin Nummer eins der letzten 13 Monate, sie wollte dieses Finale "einfach genießen", die Emotionen, das französische Publikum, das sie ja erst jetzt so richtig kennenlernt. Ihre Gegnerin, seit 2012 drei Mal in Serie im Endspiel der French Open vertreten, war dagegen quasi eine gute, alte und vor allem erfahrene Bekannte, wie geschaffen für die großen Bühne. Auch Maria Scharapowa lächelte, klar.

Und dann folgte ein Duell, das so leidenschaftlich umkämpft, intensiv und hochklassig war, wie es das bei einem Frauenendspiel in Roland Garros seit Jahren nicht mehr gab. Ein Genuss für die 14911 Zuschauer im Court Philippe Chatrier, fürwahr.

Natürlich musste es eine Gewinnerin geben. Scharapowa, die 27-Jährige aus Sibirien, die seit ihrer Kindheit in den USA lebt, hat mit dem 6:4, 6:7 (5), 6:4-Erfolg ihre zweite French Open gewonnen nach 2012. Ihr fünfter Grand-Slam-Titel gelang nach härtester Arbeit. 3:02 Stunden dauerte das Frauen-Endspiel am Samstagnachmittag.

Es war das erste Dreisatz-Match seit 2001, als die Amerikanerin Jennifer Capriati die Belgierin Kim Clijsters 12:10 im dritten Satz besiegte. Und fast so lang wie das legendäre Duell zwischen Steffi Graf und der Spanierin Arantxa Sanchez Vicario 1996 (3:04 Stunden). Nach dem Matchball um 18.15 Uhr kniete Scharapowa nieder, dann schrie sie, kniete wieder und sprintete zur Box, um ihr Team zu umarmen. Auch ein Deutscher war da zu finden, Dieter Kindlmann, ihr Schlagpartner, den sie vor 15 Monaten angeheuert hat.

"Das war das härteste Grand-Slam-Finale, das ich je gespielt habe", sagte Scharapowa mit feuchten Augen, "das braucht Zeit, um das zu realisieren, es ist so emotional, ich kann kaum reden." Sie steigt mit dem Sieg auf Weltranglisten-Platz fünf, Halep klettert auf drei, für den Triumph kassiert Scharapowa 1.650.000 Euro, die Verlierern die Hälfte. Aber um Geld ging es diesmal nicht wirklich in erster Linie.

Es ging um den Ruhm, die Ehre. Als die russische Nationalhymne gespielt wurde, wippte Scharapowa, schloss die Augen, hollywoodreife Szenen allemal. Die Frau mit dem größten Willen, die energischste Kämpferin hatte reüssiert. Verdient. Bezeichnenderweise hat sie ihre letzten vier Partien in Paris alle erst im dritten Satz für sich entschieden. Sie hat sich durchgebissen.

"Simona, Simona"-Chöre von den Rängen

Zur Mittagszeit hatten sich beide Finalistinnen noch jeweils eine halbe Stunde eingeschlagen, Scharapowa mit dem früheren Profi Kindlmann, der 31 ist, aus Sonthofen stammt und wegen einer Schulterverletzung die aktive Karriere beendet hatte. Halep überprüfte mit Wim Fissette, ihrem Coach, noch mal alle Schläge, der Kim Clijsters zum US-Open-Triumph gecoacht und Sabine Lisicki in Wimbledon ins Finale geführt hat. Die beiden besten Spielerinnen standen im Finale. Um 15.15 Uhr schlug Scharapowa erstmals auf, die Russin verlor gleich ihr Servicespiel. Indes stieg sofort das Niveau, beide scheuchten einander in die Ecken.

Jedes Spiel war umkämpft, als wäre es ein Tie-Break, die Statistik spiegelte dies nicht ganz wieder. 2:0 Halep, dann 5:2 Scharapowa, 5:4. Eine Schachspielerin, so hatte Andrea Petkovic, die bis ins Halbfinale vorgestoßen war, ihre Bezwingerin aus Rumänien bezeichnet. Und, ja, Halep wie auch Scharapowa, sie spielten Schach. Mit dem besseren Ende im ersten Satz für Scharapowa, die mit einem Break nach langen 57 Minuten 6:4 reüssierte; dabei hatte sie nur vier Punkte mehr erzielt (40:36). Just als ein Baby schrie, schlug Halep eine Crossvorhand ins Aus. Schachspieler brauchen Ruhe.

Halep ging mit der Rückendeckung der Zuschauer in den zweiten Satz, geriet allerdings 0:2 in Rückstand, sie schaffte das Re-Break, an der hohen Qualität der Ballwechsel änderte sich nichts. 2:2, 3:3, nun musste Scharapowa sogar "Simona, Simona"-Chöre zur Kenntnis nehmen, die Zuschauer wollten den dritten Satz sehen. Bei 4:4 und Einstand boten beide einen spektakulären Schlagabtausch, den Halep, komplett in der Defensive, für sich entschied per Fehler von Scharapowa. Ion Tiriac, der frühere Profi, der heute weit über 70 ist und dem halb Rumänien gehört, so clever ist er als Geschäftsmann, er riss die Arme hoch wie ein Fußballfan beim Tor.

Sie schaffte das Break, kassierte aber gleich selbst eines - per Netzroller von Scharapowa, was murrend auf der Tribüne registriert wurde. Dann wieder Break Halep samt Re-Break, 6:6, Tie-Break. Wer als erster sieben Punkte hat (bei zwei Punkten Vorsprung), gewinnt. 5:3 führte Scharapowa, sie war nur zwei Punkte vom Titel entfernt, sie konnte schon fast auf den Coupe Suzanne Lenglen linsen, der Pokal ist benannt nach einer Ikone der Zwanzigerjahre. Doch Halep konterte mit vier Punkten in Serie. 7:5. Dritter Satz.

Scharapowa zog als erste davon, 4:2, ein Verdienst ihrer nun mutigeren Spielweise, wieder kam Halep zurück, 4:4, Break für die Russin. Und plötzlich war es ganz schnell vorbei, 40:0, den ersten Matchball verwandelt - Scharapowa, sie durfte auf die Asche von Roland Garros niederknien. Sie dankte anschließend allen in ihrem Team, auch Kindlmann, den "Didi", wie sie ihn nennt: "Danke dafür, dass du mein großartiger deutscher Freund bist", rief sie hoch, "und du zu mir gehalten hast in dem schwierigen letzten Jahr." Und Didi, er strahlte.

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