French Open - Nadal gegen Djokovic:Final-Entscheidung wird vertagt

Das Männer-Finale zwischen Rafael Nadal und Novak Djokovic wird abgebrochen und am Montag beim Stand von 6:4, 6:3, 2:6 und 1:2 fortgesetzt. Schuld daran sind die Veranstalter, der Leichtsinn von Nadal - und ein unwahrscheinliches Comeback von Djokovic.

Milan Pavlovic, Paris

Rafael Nadal gilt als bescheidener Mensch. Dennoch hat er sich für diese French Open ein paar Schuhe anfertigen lassen, auf deren Fersenlasche eine "6" prangt - für die Anzahl seiner Siege am Bois de Boulogne. Nicht nur er ging davon aus, die sechs am Sonntag hinter sich zu lassen und mit einem siebten Triumph in Roland Garros den bisherigen Co-Rekordhalter Björn Borg abhängen zu können.

*** BESTPIX *** 2012 French Open - Day Fifteen

Genervt über den späten Abbruch, durch den er das Fußballspiel verpasste: Rafael Nadal.

(Foto: Getty Images)

Dafür, dass er das frühestens am Montag schaffen kann, gibt es drei Schuldige. Erstens die Veranstalter, die trotz schwärzester Wetterprognosen am späten Spielbeginn festgehalten hatten, weshalb ein Großteil der Partie bei Nieselregen stattfand und schließlich beim Stand von 6:4, 6:3, 2:6, 1:2 abgebrochen werden musste. Zweitens Nadal selbst, der bereits mit 2:0 nach Sätzen und 2:0 im dritten Durchgang geführt hatte. Und drittens der Weltranglistenerste Novak Djokovic, der danach ein unwahrscheinliches Comeback begann.

Die beiden weltbesten Tennisspieler bestritten zwar ihr viertes Grand-Slam-Endspielduell in Serie (ein Rekord), aber sie trafen in Paris erstmals seit Djokovic' Lauf aufeinander: Der Serbe hatte die vergangenen drei großen Finals (in Wimbledon, New York und im Januar bei den Australian Open) jeweils gegen Nadal gewonnen. Im Pariser Finale, mit dem er als erster Spieler seit Rod Laver 1969 alle Grand-Slam-Titel gleichzeitig in seinen Besitz bringen konnte, wollte er sich zunächst ansehen, ob Nadal am Bois de Boulogne wirklich so unantastbar ist, wie alle behaupten.

Doch während der Serbe noch seinen Rhythmus suchte, hämmerte ihm der Gegner bereits die Grundschläge um die Beine. Nadal hatte sich trotz gewonnener Seitenwahl für Rückschlag entschieden. Was ein gefährliches Manöver sein kann, wenn der Gegner souverän vorlegt, entpuppte sich zunächst als gelungener taktischer Kniff.

Nach 13 Minuten hatte man den Eindruck, Fußball-Enthusiast Nadal wolle unter keinen Umständen den Beginn des ersten spanischen Spiels bei der Fußball-EM um 18 Uhr verpassen. Er führte mit 3:0 und hatte Djokovic bereits zweimal dessen Aufschlag abgenommen. Der Spanier konnte sich den Sandplatz-Luxus leisten, drei bis vier Meter hinter der Grundlinie zu stehen und abzuwarten, was auf ihn zukam - um dann im richtigen Moment das Tempo anzuziehen. Djokovic war mit der Hartplatztaktik ins Match gegangen, die Vorhand des Spaniers zu traktieren. Aber wehe, der Serbe wurde dabei nur zehn Zentimeter zu kurz, dann sah er sich sofort dem Konter ausgesetzt.

Erst nach 17 Minuten unterlief dem Spanier der erste unerzwungene Fehler. Danach nahm das Match eine unerwartete erste Wende: Nadal, der in den ersten sechs Runden überhaupt nur ein einziges Mal sein Service verloren hatte, unterliefen nun mehrere Fehler der menschlichen Art, und prompt musste er seinen Aufschlag abgeben. Einmal zum 3:1. Und gleich noch einmal zum 3:3. Djokovic erinnerte in dieser Phase daran, dass er auch auf der Sand der einzige Spieler ist, der gegen Nadal Ballwechsel noch gewinnen kann, in denen der Spanier dominiert hatte.

"Jetzt geht es nicht mehr - aber vorhin schon?"

Doch just als sich der Eindruck verfestigte, Djokovic habe sich wie in den vergangenen Grand-Slam-Endspielen in den Kopf seines Kontrahenten geschlichen, schlug der Serbe seinen ersten Doppelfehler und schenkte dem Gegner damit das entscheidende Break im ersten Satz. Er schaute zu seinem Betreuerteam hoch und klagte auf Serbisch: "Was soll ich denn tun?" Das Spielchen ging so weiter. Nadal legte vor (2:0), Djokovic kämpfte sich zurück (2:2). Toni Nadal, Rafaels Onkel und Trainer, schrieb die hohe Anzahl an Breaks den Return-Qualitäten beider Spieler zu - und einer "ungewöhnlichen Nervosität, zumindest bei Rafa".

Trotz der Fehler auf beiden Seiten war es ein Match von höchster Intensität. Dass die beiden unvermindert hart spielten, war umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die Bälle beim fortwährenden Nieselregen die Nässe aufsaugten und sich auf Dauer vermutlich so schwer angefühlt haben müssen wie Pampelmusen. Danach ging Djokovic zum ersten Mal in einem Satz in Führung (3:2), doch bei 3:3 bezahlte er den Preis für drei verschlagene Vorhandbälle. Beim Seitenwechsel zertrümmerte Djokovic einen Teil seiner Sitzbank, wofür er eine Verwarnung erntete und die Pfiffe der notorisch nachtragenden Pariser Zuschauern, die Spielern nur dann emotionale Ausbrüche nachsehen, wenn ihnen danach ist.

Fast schon zum Glück für Djokovic wurde der Regen danach stärker und das Match um 17.10 Uhr beim Stand von 4:6, 3:5 für 34 Minuten unterbrochen. In der Zwischenzeit wurde Djokovic' Sitzbank ausgetauscht, doch die Spieler blieben unverändert und die Verhältnisse ebenso. Drei leichte Djokovic-Fehler und einen herrlichen Rückhand-Passierball Nadals später ging auch der zweite Satz an den Spanier, diesmal mit 6:3. Doch sollte Nadal bei einer 2:0-Führung im dritten Durchgang auch nur eine Sekunde an eine Dankesrede gedacht haben, wäre das fahrlässig gewesen. Denn mit einem Mal schwang Djokovic viel freier, und in dem Maße, in dem der Serbe mutiger und präziser wurde, ließ Nadal nach.

Sechs Spiele in Serie gab er ab und damit seinen ersten Satz in diesem Turnier. Der Regen insistierte nun - und Djokovic auch. Gleich im ersten Spiel des vierten Satzes verwickelte er Nadal in einen wahnwitzigen Ballwechsel, den der Serbe nach 44 Schlägen für sich entschied. Drei Minuten später hatte er das erste Break geschafft. Mehrmals hatte Nadal nachgefragt, wie lange diese Rutschpartie weitergehen sollte, mit Bällen, die inzwischen so viel Wasser aufgesogen hatten wie Melonen. Oberschiedsrichter Stefan Fransson kam beim nächsten Seitenwechsel und verkündete, dass die Spieler die Kabinen aufsuchen sollten. "Jetzt geht es nicht mehr - aber vorhin schon?" sagte der Spanier genervt, während Djokovic den Anweisungen um 18.52 Uhr wortlos folgte.

Eine Stunde lang wurde gewartet, bis verkündet wurde, dass für den Rest des Tages nichts mehr gehen würde. Deshalb muss in Paris nachgesessen werden, erstmals seit 1973 (als Ilie Nastase und Niki Pilic sogar erst am Dienstag spielen konnten). Djokovic und Nadal sollen am Montag um 13 Uhr weitermachen - sofern das Wetter mitspielt. Bis dahin dürfte Nadal viel grübeln. Über 2:0 und 2:0. Und womöglich auch über die Schuhe mit der "6".

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