French Open in Paris:Es ist, wie es eben ist

Kampfpreise, Dach-Debatte und immer wieder Regen: ein Rückblick auf das Turnier.

Von Philipp Schneider, Paris

An diesem Wochenende enden die 115. French Open, von den 256 Spielern und Spielerinnen der Einzelwettbewerbe werden am Ende zwei als Sieger übrig bleiben. Es ist eine Menge passiert, wie das so üblich ist bei einem Grand Slam.

Das Wetter

Ja, ach. Das Wetter. Fühlte sich an, als würde jeden Tag der Stausee an der Möhnetalsperre eingeflogen und über dem Bois de Boulogne ausgekippt werden. Mal langsam, dass es den ganzen Tag lang tröpfelte. Mal schneller, wie bei einer dieser tropischen Wetterduschen rund um den Äquator. Nur halt bei frostigen Temperaturen. Kam nicht gut an. Weder bei den Zuschauern, die nicht einmal dann zahlreich die Tribünen besetzten, als die Konkurrenzveranstaltung im Louvre wegen Überflutung geschlossen war. Noch bei den Spielern, die wegen der nassen, schweren Tennisbälle über Schulterprobleme klagten. Oder sich verletzten, wie der Franzose Jo-Wilfried Tsonga, der sich den "Addüktöör" verkühlte, wie er meinte. Ob Roger Federer mal wieder das beste Gespür hatte? Der Maestro reiste gar nicht erst an.

French Open in Paris: Gut behütet: Der Serbe Novak Djokovic schaffte es trotz aller Widrigkeiten erwartungsgemäß ins Finale von Paris.

Gut behütet: Der Serbe Novak Djokovic schaffte es trotz aller Widrigkeiten erwartungsgemäß ins Finale von Paris.

(Foto: Philippe Lopez/AFP)

Wichtigster Mann

Guy Forget. War im Dauereinsatz. Der Turnierdirektor der French Open erinnerte bei seinem Krisenmanagement an den Bundeskanzler Gerhard Schröder in Gummistiefeln, der vor 14 Jahren bei Hochwasser durch den Elbematsch zur Wiederwahl watete. Mit dem Unterschied, dass Forget erst seit Februar im Amt ist. Und anders als Schröder permanent Pressekonferenzen abhielt, um sich zu entschuldigen. Für das schlechte Wetter. Für die Verletzung von Rafael Nadal. Und für das fehlende Dach über dem Stadion Philippe Chatrier, was sich im Vergleich zu den anderen Grand Slams allmählich zum Alleinstellungsmerkmal entwickelt. Im August erhalten die US Open in New York eine Haube, dann rieselt es nur noch in Paris auf die wichtigen Tennisspieler herab. Das wird nämlich trotz Guy Forgets "Das-Dach-ist-garantiert-2020-fertig"-Versprechen gerne vergessen: Auf den Nebenplätzen regnet es dann immer noch.

Tennis - French Open - Roland Garros -  Venus Williams of the U.S. v Alize Cornet of France -

Tropenschauer in Paris: Bei den French Open regnete es ausdauernd und heftig auf Spieler und Publikum herab - und das Dach auf dem Center Court soll erst 2020 kommen.

(Foto: Gonzalo Fuentes/Reuters)

Die Preise

Am Donnerstagabend wurden im Internet erstaunliche Preise gesichtet für Tickets in Roland Garros: Für 10 Euro bekam einer Zutritt ins Suzanne Lenglen, das zweitgrößte Stadion, in dem nur deshalb noch gespielt wurde, weil Partien wegen der vielen Regenunterbrechungen nachgeholt werden mussten. Am Freitag stand auf dem Programm: ein Halbfinale zwischen Garbine Muguruza und Samantha Stosur. Außerdem: Das Halbfinale, in dem sich Novak Djokovic gegen Dominic Thiem für sein viertes Finale bei den French Open qualifizierte. Alles für zehn Euro? Solche Kampfpreise sind natürlich nur möglich an Tagen, an denen auf der Titelseite von Le Monde Schlauchboote zu sehen sind, die durch Frankreichs historische Stadtkerne tuckern. Insolvenz müssen die Veranstalter der French Open trotzdem nicht anmelden, das Geld holen sie sich anderswo: beim Käsebaguette für sieben Euro.

French Open tennis tournament at Roland Garros

Ein Zebra in freier Wildbahn? Nein, Österreichs Dominic Thiem trägt die neue, gewagte Tennis-Mode.

(Foto: Caroline Blumberg/dpa)

Und natürlich dem erstaunlich beliebten Regenschirm für 65 Euro. Im Viertelfinale verlor Novak Djokovic das erste Spiel im dritten Satz gegen Tomas Berdych und vergab darauf eine Chance zum sofortigen Rebreak, weswegen er aus Frust seinen Schläger warf. Der Schläger prallte vom Boden zurück, segelte durch die Luft und verfehlte knapp den Linienrichter, der sich gerade noch wegdrehte. Was das solle? "Es ist doch offensichtlich,", erklärte Djokovic später, "ich habe einen Schläger auf den Boden geworfen, der ist weggerutscht und hat fast den Linienrichter getroffen." Das war eine schöne Zusammenfassung. Und ein Geständnis. Für die Verletzung eines Offiziellen hätte Djokovic disqualifiziert werden können. Anders als der talentierte Australoprolet Nick Kyrgios. Der wurde nur verwarnt. Weil er einen Balljungen anschnauzte, er möge doch zackig das Handtuch aushändigen zum Schweißabwischen. Nur sagte Kyrgios wohl nicht "aushändigen", er bat auch nicht im höflichen Konjunktiv. Trotzdem zeigte er sich verwundert ob der Verwarnung. Kyrgios wies den Stuhlschiedsrichter Carlos Ramos sinngemäß darauf hin, er habe halt so kräftig bellen müssen, weil es so laut gewesen sei auf dem Platz. Der Schiedsrichter entgegnete: "Es ist ja nicht so, dass Sie zu laut 'Handtuch' gerufen hätten. Es lag an der Art und Weise!"

French Open in Paris: Knapp am Platzverweis vorbei: Novak Djokovic wirft den Schläger und trifft fast einen Linienrichter.

Knapp am Platzverweis vorbei: Novak Djokovic wirft den Schläger und trifft fast einen Linienrichter.

(Foto: Martin Bureau/AFP)

Sensationelle Nachbarn

Bei den French Open passt die Medienwelt auf 160 Quadratmeter. In so einem engen, nahezu fensterlosen Pressezentrum haben sportliche Überraschungen direkten Einfluss auf den zur Verfügung stehenden Platz in den nach kontinentaler Herkunft sortierten Sitzreihen. Nach der Niederlage von Kei Nishikori gegen den Franzosen Richard Gasquet reisten die japanischen Journalisten ab. Das war insofern schade, als die Japaner morgens immer die Ersten waren, die das Deckenlicht einschalteten, um besser sehen zu können beim schweigsamen Tippen. Überraschend lange blieben die Niederländer und Österreicher, wegen des hartnäckigen Verbleibs von Kiki Bertens und Dominic Thiem im Wettbewerb. Die Österreicher fuhren in die Innenstadt, weil sie nicht genug Unterhosen eingepackt hatten für derart viele Tage in Paris, dann schliefen sie auf Sofas in den Wohnungen ihrer deutschen Kollegen. Die Niederländer lachten viel und laut, sie hackten riesige Aufmacher auf die Seiten ihrer Zeitungen. "Kikimania" sei ausgebrochen rund um Amsterdam, riefen sie - in der Woche vor Beginn eines Fußballturniers in Frankreich, an dem die Niederlande nicht teilnimmt. Warum die deutschen Journalisten überhaupt noch in Paris seien, wollten sie wissen? Gute Frage.

Das letzte Zebra

Vor dem Turnier gab es eine beliebte Wette: Wer würde das letzte Zebra sein im Wettbewerb? Die Australian-Open-Siegerin Angelique Kerber? Die Grundlinienwühlerin Simona Halep? Oder doch der robuste Jo-Wilfried Tsonga? Am Ende wurde es Dominic Thiem. Der Österreicher war der letzte Vertreter einer Spielergattung, die von einem Hersteller und Sponsor in Paris in ein Zebra-Outfit gesteckt wurde, das an die in den Neunzigern beliebten Kritzeleien erinnerte, bei denen der Betrachter schielen musste, um einen 3-D-Effekt als Mehrwert zu erkennen. "Wenn man Streifen macht, dann muss man ganz eng schneidern. Weil Streifen optisch größer machen!", kritisierte Andrea Petkovic. Aus bislang ungeklärten Motiven verabschiedete sie sich in Paris nach der zweiten Runde.

Die Rekordjagd

Natürlich ging es für alle 256 Spielerinnen und Spieler um einiges. Aber für Novak Djokovic und Serena Williams ging es um etwas mehr. Sollte Djokovic am Sonntag sein Finale gegen Andy Murray gewinnen, wäre er erst der achte Tennisspieler in der Geschichte, der die Pokale von allen vier Major-Turnieren stemmen durfte. Für Williams geht es in ihrem Endspiel am Samstag gegen Muguruza darum, mit ihrem 22. Grand-Slam-Sieg den Rekord von Steffi Graf zu egalisieren. In ihrem Halbfinale gegen Bertens, das zumindest der Kikimania in Paris nur einen zarten Dämpfer verpasste, schleppte sich Williams merkwürdig träge über den Platz. Offenbar hat sie sich inzwischen ebenfalls die Adduktoren verkühlt. "Ja, ich hatte ein paar Probleme. Aber es ist, wie es ist", meinte Williams. Mit der Amerikanerin verhält es sich demnach wie mit dem ganzen Turnier. Es gab ein paar Probleme, aber dann ist es, wie es eben ist: Am Ende gewinnen die Besten.

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