Sie zeigte hoch. Zum Himmel. Für dich, Jana!, sollte das heißen. Es war ein Moment, der einen gewissen Bruch darstellte. Denn diese Barbora Krejcikova spielt ja nicht gerade sentimentales Tennis, zumindest werden das ihre Gegnerinnen so empfinden. Auch wenn die Tschechin einmal dieser Tage innere Probleme einräumte, vor dem Achtelfinale gegen Sloane Stephens. Da schloss sie sich im Physio-Raum ein. Rief ihre Mentaltrainerin an. Sie ging aber noch raus, auf den Court Philippe Chatrier. 6:2, 6:0, was für eine Machtdemonstration.
Ansonsten besiegte Barbora Krejcikova bei diesen French Open: Kristyna Pliskova, Schwester der Spitzenkraft Karolina Pliskova. Jekaterina Alexandrowa, an Nummer 32 gesetzt. Elina Switolina, Fünfte der Welt. Stephens, ehemals US-Open-Siegerin. Cori Gauff, das Mega-Talent. Und am Donnerstag die vor Kraft strotzende Maria Sakkari, auch sie Favoritin, als 17. der Welt. Hin und her ging's, Matchball hatte die Griechin, dann Krejcikova; ein Ball war im Aus, wurde nach Debatten gut gegeben, Drama, typisch Paris mal wieder.
Aber die Engel passten auf, da oben. Am Ende 9:7, fassungslos starrte Krejcikova, bislang stets eine hervorragende Doppelspielerin gewesen, die Nummer eins mal, in die Höhe. Ehe Jana Novotna starb, mit 49 nur, hatte sich die frühere Wimbledon-Gewinnerin, die so beliebt überall war, um Krejcikova als Trainerin gekümmert. Sie hatte etwas in ihr gesehen, an sie geglaubt. Daran musste Krejcikova denken. Und so wurde sie sentimental.
Krejcikova gegen Anastasia Pawljutschenkowa, so heißt also nach zwei turbulenten Wochen das Finale des Frauenturniers von Roland Garros. Ehe jetzt jemand mon dieu! ruft, lässt sich konstatieren: Es ist ein Endspiel, das eine schlüssige Klammer zu den Ereignissen bildet. Mental Health, mentale Gesundheit war das überlagernde Thema diesmal im 16. Arrondissement von Paris, ausgelöst durch den überraschenden Rückzug der Branchengröße Naomi Osaka. Die Japanerin war nicht mit dem Druck in der Öffentlichkeit klargekommen.
Nun sind Krejcikova, 25, und Pawljutschenkowa, 29, sicher nicht die zwei besten Profis der Welt. Krejcikova aus Brünn ist die 33. im Ranking. Und die Russin kann viel, sie besiegte sagenhafte 37 Mal eine Gegnerin aus den Top Ten, zählte selbst aber nie zu diesem Elitezirkel - Rekord im Frauentennis. Aber bislang galt: Irgendwas war immer bei ihr. Diesmal nicht. Eine Eigenschaft trug beide nun so weit, bis sie im Finale landeten: Matchhärte. Sie bewiesen vorzügliche mentale Stärke.
"Wenn ich auf dem Platz bin, denke ich nur an Tennis"
Gut, bei Pawljutschenkowa muss man schmunzelnd einordnen: Einmal mussten ihr auch Gummibärchen auf die Sprünge helfen. Im Halbfinale, beim 7:5, 6:3-Sieg gegen die Slowenin Tamara Zidansek, futterte sie, kein Witz, echte Haribos, leider war nicht ersichtlich, ob sie die gelben oder die grünen lieber mag. Betrachtet man den Vorfall ernster, ließe sich aber auch folgern: Pawljutschenkowa, fast schon eine Veteranin der WTA Tour, weiß eben, was ihr guttut. Was sie braucht. Sie war bislang immer eine typische Viertelfinalspielerin gewesen, auch bei den Männern gibt es einige dieser Spezies, die spätestens in dieser Runde ausscheiden. Sechsmal war Pawljutschenkowa unter den letzten Acht. Im 52. Grand Slam indes nahm sie diese Hürde.
Warum so spät? "Ich weiß es nicht", sagte sie da. Ihr Weg sei so gewesen (natürlich sagte sie aber nicht, dass sie auch früher nicht immer topfit war). Eines wusste sie aber: Sie spiele jetzt schlauer. Weil sie erfahrener sei. Und tatsächlich überzeugte sie, ohnehin mit viel Ballgefühl und einer natürlichen Schlagbewegung ausgestattet, mit wunderbar klarer Strategie, etwa auch bei den Siegen gegen die Topspielerinnen Aryna Sabalenka und Viktoria Asarenka. Ruhe, ja, strahlte sie auch aus.
Hemdsärmeliger Pragmatismus ist der Gewinner dieser zwei Wochen
Krejcikova und Pawljutschenkowa belegen ein altes Gesetz, nämlich dass es immens hilft, mit sich im Reinen zu sein. Und Lust auf Wettkampf zu haben. So traurig es war, als Krejcikova über Novotna sprach, so klar wurde, wie sehr sie dieses Thema von ihrem Beruf trennen konnte. "Wenn ich auf dem Platz bin, denke ich nur an Tennis", sagte sie. Sie denke dann, "wo schlägt sie hin, wo sollte ich hinschlagen, wie sollte ich schlagen, wo soll ich hinschlagen". Novotna hätte ihr diese Einstellung vermittelt. Wie auch diese: "Ich sagte mir: kämpfe, kämpfe, kämpfe einfach bis zum letzten Punkt."
Ob ihr Novotna auch zu Mondbällen riet, ließ sie offen. Aber diese bei Profis fast nie zelebrierten Schläge nervten ihre Gegnerinnen. Herrlich. Und es passt zu dieser Geschichte, dass Sakkari in der entscheidenden Phase an Matchhärte verlor. Sie habe "so viele Gedanken" gehabt, gab sie zu: "Das nächste Mal werde ich nicht an die Zukunft denken." Bei sich und im Moment zu bleiben, ist immer besser.
Hemdsärmeliger Pragmatismus ist somit auch der Gewinner dieser zwei Wochen, Krejcikova und Pawljutschenkowa haben sich ja keineswegs durchgemogelt, sondern starke Konkurrenz beiseite geräumt. Jetzt wollen sie aber auch den Titel, das machten beide deutlich, klar. Krejcikova sogar noch im Doppel, mit Katerina Siniakova ist sie auch dort im Endspiel. Mondbälle oder Gummibärchen, der Tennissport wird am Samstag eine besondere Siegerin erhalten.