Süddeutsche Zeitung

French Open:Mit der Kraft von Jana Novotna

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Auf Barbora Krejcikova hatte vor den French Open niemand gesetzt - nun triumphiert sie in Paris. In ihrem größten Moment dankt sie ihrer verstorbenen Mentorin: "Alles in den letzten beiden Wochen ist passiert, weil sie auf mich achtgibt."

Von Barbara Klimke, Paris/München

Das Match war längst vorbei, die grellgelben Bälle waren verschwunden. Stattdessen tauchte auf der Tribüne des Stadions eine Chanteuse im grellgelben Kleid auf und sang, vom Cello begleitet, ein Lied mit dem Titel "Voilà". Barbora Krejcikova saß noch immer mit fast versteinertem Gesichtsausdruck unten auf dem Hocker neben dem Schiedsrichterstuhl, als könne sie das Spektakel, das sich entfaltete, kaum fassen: Die Ballkinder bildeten ein Spalier. Der Pokal wurde auf den Platz getragen. Eine Grande Dame des Tennis, Martina Navratilova, erschien. Dann hatte Barbora Krejcikova die Silbertrophäe in der Hand, stemmte sie mit beiden Händen hoch in den Himmel. Und da war es: Voilà! Voilà! Ein breites, seliges Lächeln.

Barbora Krejcikova, 25, aus Brünn in Tschechien, hat sich zur French-Open-Siegerin gekürt: als ungesetzte Spielerin; nur zwei Wochen nachdem sie überhaupt erstmals als Solistin ein Turnier der WTA-Tour, in Straßburg, für sich entschieden hatte. Und all jenen zum Trotz, die sie bisher hauptsächlich als eine Expertin für die Doppel-Konkurrenzen kannten. 6:1, 2:6 und 6:4 schlug sie am Samstag die Russin Anastasia Pawljutschenkowa, wie sie selbst an diesem Tag eine Debütantin auf der größten Bühne, die der Tennissport zu bieten hat, in einem Grand-Slam-Finale. "Ich weiß nicht, wie ich es formulieren soll", sagte Krejcikova: "Es ist wie ein Traum."

Ihre Gegnerin, Anastasia Pawljutschenkowa, 29, hatte immerhin einen sehr langen Anlauf zu diesem Endspiel genommen. Für sie war es bereits der 52. Grand-Slam-Wettbewerb ihrer Karriere, die Russin gehört seit Jahren zum Establishment der Tour. Dagegen ist Barbora Krejcikova gewissermaßen auf dem Sprungbrett mit einem Salto in die Elite gehüpft. Als sie vor einem Jahr nach Paris reiste, war sie noch nicht einmal unter den ersten 100 der Weltrangliste notiert. Die French Open sind überhaupt erst ihr fünftes Major-Turnier. Seit Samstag wird sie nun in einem Atemzug mit Hana Mandlikova genannt, der letzten Tschechin, die 1981, damals für die CSSR, die French Open gewann. Als Martina Navratilova die beiden Paris-Trophäen ihrer 18 Grand-Slam-Trophäen umfassenden Silbersammlung gewann, 1982 und 1984, trat sie für die USA an.

Ein Klopfen an der Tür - und die Folgen

Navratilova war es dann, die in ihrer kurzen Hommage auf dem Court Philippe Chatrier an Barbora Krejcikovas Entschlossenheit, an ihren Mut erinnerte. Doch nicht so sehr die couragierten Slice-Bälle auf dem Platz hatte sie dabei im Sinn, sondern eine Episode, die sieben Jahre zurückliegt. Damals, 2014, war eine weitere berühmte Tennisspielerin des Landes, die Wimbledonsiegerin Jana Novotna, nach Brünn zurückgekehrt, und Barbora Krejcikova nahm ihr Herz in die Hand und - so erzählte es Navratilova dem Publikum - klopfte an Novotnas Tür. Novotna lud die jugendliche Athletin ein paar Tage später zu einer Tennisstunde auf den Platz ein. Sie blieb für Barbora Krejcikova eine hingebungsvolle Trainerin, Beraterin und fürsorgliche Freundin bis zu ihrem frühen Tod im Alter von nur 49 Jahren im November 2017.

Alles habe sie ihrer Mentorin Jana Novotna zu verdanken, sagte Krejcikova am Samstag: die frühen Erfolge als Doppelspielerin an der Seite von Katerina Siniakova, etwa bei den French Open und in Wimbledon; und ebenso den Triumph nun im Einzel in Paris. "Fast ihre letzten Worte waren: Versuch, mit Freude zu spielen und einen Grand Slam zu gewinnen", erzählte sie: "Ich weiß, dass sie mir von irgendwoher zusieht. Alles in den letzten beiden Wochen ist passiert, weil sie auf mich achtgibt, und ich danke ihr dafür."

Beim Training verlässt sie sich mittlerweile auf Ales Kartus, der am Samstag nach ihrem Triumph auf der Tribüne gerührt ein paar Freudentränen vergoss. Und auch die Hilfe einer Sportpsychologin hat Barbora Krejcikova während des Turniers regelmäßig in Anspruch genommen. Noch kurz vor dem Achtelfinale gegen die US-Amerikanerin Sloane Stephens plagten sie Versagensängste: "Panik", wie sie sagte. Erst nach einem beruhigenden Telefonat mit der Psychologin wagte sie sich hinaus auf den Platz - und gewann dieses Match wie alle weiteren Partien.

Am Samstag, in Spiel Nummer sieben, hatte sie ihre Nerven im Griff. Sie sprintete leichtfüßig in dieses Finale, ließ sich zwar gleich zu Beginn den ersten Aufschlag abnehmen, aber noch ehe ihre Gegnerin richtig in Tritt gekommen war, hatte sie ihr reihenweise unerreichbare Slice-Bälle vor die Füße gespielt. Nach einer halben Stunde und drei Breaks war der erste Akt, 6:1, vorbei. Den zweiten dominierte Anastasia Pawljutschenkowa fast ebenso souverän: Die Russin besann sich auf ihren Paradeschlag, wuchtete die Bälle die Linie entlang, ging bewusst ins Risiko und nahm nun ihrerseits der Gegnerin dreimal den Aufschlag ab.

Vor dem Entscheidungssatz verschwand Krejcikova eine Zeitlang in den Katakomben des Court Philippe Chatrier. Pawljutschenkowa, mittlerweile mit dick bandagiertem Oberschenkel, nutzte die unfreiwillige Pause, um sich in der Nachmittagssonne mit Eisbeuteln abzukühlen. Bis zum 2:2 hielt die erfahrenere Russin das Match offen, dann zog Krejcikova auf 4:3 davon, wieder nach einem Break, und konnte nach zwei vergebenen Matchbällen mit eigenem Aufschlag den dritten als Schlusspunkt setzen.

Am Ende angelangt ist sie allerdings noch nicht in Paris: Am Sonntag hat Krejcikova in Roland Garros sogar noch die Chance auf einen zweiten French-Open-Titel, wenn sie mit ihrer Kollegin Katerina Siniakova, mit der sie schon bei den Junioren spielte, im Doppel-Finale steht. Voilà! Ein weiterer Grund, glücklich und entspannt zu lächeln.

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