Alexander Zverev im Achtelfinale:Der neue Marathonmann von Paris

French Open - Roland Garros

Ein Hamburger fürs Hamburger Publikum: Alexander Zverev.

(Foto: Gonzalo Fuentes/Reuters)
  • Alexander Zverev setzt sich in fünf Sätzen gegen Dusan Lajovic mit 6:4, 6:2, 4:6, 1:6, 6:2 durch.
  • Der deutsche Tennisspieler schwankt extrem in seinem Spiel, ordnet es aber noch rechtzeitig.
  • Auch Jan-Lennard Struff gelingt ein Erfolg: Er steht erstmals im Achtelfinale bei einem Grand-Slam-Turnier.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Die French Open im Tennis sind zwar das berühmteste Sandplatzturnier der Welt, und jeder Tennis-Interessierte kennt es natürlich, trotzdem bewerben die Veranstalter ihr Roland Garros auf allen möglichen Kanälen. Eine Rubrik, die sich seit ein paar Jahren etabliert hat, ist die "Road-to-Roland-Garros"-Reihe, ein stets knapp zweiminütiges Videofilmchen auf der Turnierhomepage. Dabei steigt ein Spieler oder eine Spielerin in ein Auto und eine Stimme aus dem Off fragt ihn oder sie Fragen, während die Person durch Paris kutschiert wird vom Fahrservice. In der vergangenen Folge saß Alexander Zverev hinten rechts am Fenster.

Auf die Aufforderung, sich mit drei Wörtern zu beschreiben, sagte der 22 Jahre alte Deutsche: Er sei "leidenschaftlich", "emotional" und "ein Kämpfer". Dann sollte er einmal bitte ein böses Gesicht machen. Er versuchte es, und da urteilte die Stimme: "Das sieht eher verwirrt aus." Was Zverev natürlich nicht ahnen konnte: Die Mimik passte durchaus auch zu seiner Leistung später am Samstagmittag.

Schlecht begonnen, ein Wutausbruch, besser gespielt, richtig gut gespielt, dann schlecht gespielt, dann richtig schlecht gespielt und schließlich, nach einem wankelmütigen Start in den fünften Satz, klar gewonnen. 6:4, 6:2, 4:6, 1:6, 6:2 lautete das Ergebnis seiner wechselhaften Vorstellung gegen den Serben Dusan Lajovic, den er im vergangenen Jahr ebenfalls in fünf Sätzen besiegt hatte, damals in der zweiten Runde. Zverev hat nun vorerst eine respektable Hürde genommen und das Achtelfinale erreicht. Dort trifft er auf den an Nummer zwölf gesetzten Italiener Fabio Fognini, der hoch einzuschätzen ist - in Monte Carlo bezwang er Rafael Nadal. Auf Sand.

Zverev manifestiert seinen Ruf als Kämpfer

Über Zverevs Spiel lässt sich weiterhin wenig verlässlich behaupten, es habe sich auf hohem Niveau stabilisiert. Wenn Zverev es aber positiv sieht, hat er immerhin seinen Ruf als Kämpfer manifestiert, wobei er seit vergangenem Jahr besonders in Paris mit sehr langen Schichten auffällt. Zverev ist der neue Marathonmann von Roland Garros. Fünf seiner letzten sieben Matches hier hat er nun über fünf Sätze bestritten. 2018 waren es drei von fünf Partien, dieses Mal hat er sowohl in Runde eins gegen den Australier John Millman als auch gegen Lajovic über die volle Distanz gehen müssen.

Es war von Beginn an ein für seine 2019er Saison typisches Match. In seinem ersten Einsatz auf dem neuen Court Simonne-Mathieu, der von vier Gewächshäusern umrahmt ist, agierte er früh schon instabil. Und in jedem Satz schwankte seine Leistung. Dieses Muster kann er irgendwie nicht durchbrechen. Zverev hatte den Start verpatzt, gleich im ersten Aufschlagspiel unterliefen ihm zwei Doppelfehler. Lajovic zog auf 4:2 davon, und als Zverev ein leichter Volley misslang, drosch er den Ball über eines der vier Gewächshäuser in den strahlend blauen Pariser Himmel, bis der Ball verschwunden war. Eine Verwarnung folgte. Man kann solche Momente so und so sehen, was die Etikette betrifft, in jedem Fall scheint er manchmal solche Augenblicke zu brauchen. Ab diesem Moment diktierte er viele Ballwechsel, gewann Satz eins 6:4 und Satz zwei dann noch klarer, 6:2.

Als Zverev von Struffs Sieg erfährt, reißt er die Arme hoch

Doch Sicherheit strahlte Zverevs Spiel plötzlich nicht mehr aus. Und das wurde deutlich, als Lajovic seine Fehlerquote minimierte. Im dritten Satz fabrizierte der 28-Jährige nur fünf unerzwungene Fehler, im vierten sogar nur einen einzigen. Er überließ Zverev sozusagen die Streuung. Ab dem fünften Satz aber sortierte sich Zverev neu, setzte sich mit zunehmend aggressiverem Grundlinienspiel durch. Das hatte er sich auch vorgenommen, "wieder aggressiver" zu spielen, wie er später meinte.

"Wieder ein Fünfsatz-Sieg, das ist großartig für mich", sagte Zverev direkt nach dem Match beim Sender Tennis Channel. Er fühle sich weiterhin gut, "ich versuche, immer positiv zu sein", betonte er, "positiv mit mir, meinem Spiel, wie ich spiele". Nach jeder Partie sage er sich selbst, "was ich gut gemacht habe". Bislang klappe es in Paris. Als er später, nach einem Eisbad und einem Essen, zur Pressekonferenz kam, ergab es sich, dass während seiner Ausführungen Jan-Lennard Struff gewann. Da riss Zverev die Arme hoch, als er davon erfuhr. "Ich freue mich sehr für ihn, wir haben hier auch immer zusammen trainiert", sagte Zverev.

Für den 29 Jahre alten Struff ist das Erreichen des Achtelfinales der größte Erfolg bei einem Grand-Slam-Turnier im Einzel. Zweimal hatte er 2018 die dritte Runde erreicht, in Wimbledon und bei den US Open. In der Runde der letzten 16 stand er noch nie. Auf die Knie sank er, als er nach 4:22 Stunden den Kroaten Borna Coric mit 4:6, 6:1, 4:6, 7:6 (1), 11:9 bezwungen hatte. Der ist immerhin die Nummer 15 der Welt. Zur Belohnung darf Struff nun gegen den Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic antreten.

Der Sieg bedeute ihm "einfach alles", sagte Struff überglücklich auf dem Platz beim Interview mit Eurosport. "Das war ein unfassbar hartes Match, es ist schwer, alles zusammenzufassen. Es ist so viel passiert." Während er sprach, riefen deutsche Fans hinter ihm "Struffi, Struffi!" Der sagte dazu: "Die Stimmung war Weltklasse."

Zur SZ-Startseite
2019 French Open - Day Two

Tennisprofi Mischa Zverev
:"Ja, ich hatte Burn-out, so sieht's aus"

Ein fatal verlorenes Match, eine Pleitenserie, mentale Durchhänger: Mischa Zverev berichtet bei den French Open offen von seinem inneren Kampf - und Parallelen zu seinem Bruder.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: