Freizeitsport:Kontaktlos im Boot

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Im Freien und mit Abstand: Beim Kanu-Wandern ist die Einhaltung der Corona-Regeln keine große Anstrengung. (Foto: Rainer Weisflog/Imago)

Der Kanu-Verband registriert trotz Corona und trotz gestrichener Touren ein steigendes Interesse von Erwachsenen am Paddeln. Bedenklich ist aber der Rückgang bei Kindern und Jugendlichen.

Von Barbara Klimke, München

Das Anpaddeln auf Seen, Flüssen und an den Küsten hat gerade erst begonnen, doch der Saisonkalender ist schon ausgedünnt. Die internationale Elbefahrt im Sommer ist gestrichen, der Wesermarathon, der im Mai zum 50. Mal stattfinden sollte, ebenso. Auch die Gänseliesel-Frühlingsfahrt, die im März bei Göttingen auf der Leine für Kajaks, Canadier, Faltboote und Stehpaddler geplant war, musste frühzeitig abgeblasen werden. "Dabei könnten Boote problemlos Abstand halten", erklärt Gerd Bode vom Ausrichterverein TW Göttingen 1861. Die Schwierigkeiten, erklärte Bode, lagen nicht im Geschehen auf dem Wasser, sondern in den Kontaktbeschränkungen an Land.

Von den 132 000 Mitgliedern im Deutschen Kanu-Verband (DKV) sind rund zwei Drittel Freizeitsportler und -sportlerinnen. Manche gleiten allein über die Gewässer, andere lieber in Gemeinschaft, beim Touring oder bei Wanderfahrten. Kanufahren gilt als Individualsport im Freien; aber auch Paddler, darauf weist der DKV ausdrücklich hin, sind von den Einschränkungen während der Pandemie betroffen. Das fängt schon bei der Anreise an: Bei Anmeldung, Ein- und Ausstieg sei die Einhaltung der Distanzregeln nicht garantiert, sagt Bode. Auch beim Beladen und gemeinschaftlichen Umsetzen der Autos könnten die Gesetzesvorgaben kaum eingehalten werden - "nicht einmal bei Tagestouren".

Die Probleme der Kanufahrer liegen nicht auf dem Wasser - sondern an Land

Schon jetzt ist ein Drittel aller Veranstaltungen für das Frühjahr 2021 abgesagt, fasst Isa Winter-Brand, die Vizepräsidentin Freizeitsport im DKV, die Entwicklung zusammen: "Das Vereinsleben, dort wo man sich trifft, austauscht und Fahrten verabredet, liegt komplett darnieder." Auch längere Sommer-Expeditionen wie die Dreiwochenfahrt flussabwärts auf der Elbe mit eigener Ausrüstung an Bord sind nicht mehr möglich. Die "unlösbare Aufgabe", sagt Winter-Brand, liege darin, dass Übernachtungsmöglichkeiten fehlen, "weil die Bootshäuser oder Campingplätze, auf denen man abends sein Zelt aufstellt, geschlossen oder nicht weiträumig genug sind". Auch dies: ein Problem der Land-Logistik.

Aber das ist nur die eine Seite. Der Vorteil dieses Wassersports liegt darin, dass man ihn individuell betreiben kann, in der Natur, ohne Gruppe, ohne feste Trainingszeiten. Die Paddelfreunde schieben ihr Boot ins Wasser und schippern los: allein, zu zweit, je nach Stand der Corona-Regeln. "Kanusport ist Gesundheitssport", sagt die DKV-Vizepräsidentin, und als solcher biete er Prävention für alle Altersgruppen: "Für Kinder, für Leute mittleren Alters, die einen Workout brauchen, für Ältere, um sich die Beweglichkeit zu erhalten." Wer in der Pandemie Ausgleich sucht, kann ihn auf dem Wasser finden.

Kinder brauchen Training, sie wollen Wettkämpfe - aber beides gibt's nicht mehr

Und so hat der DKV festgestellt, dass der Individualsport, trotz Corona, trotz der gestrichenen Touren, bei den Erwachsenen zugenommen hat. "Wir sehen Nachfragen und Zuwächse in den Vereinen, vor allem bei Personen, die früher schon mal Kontakt mit dem Sport hatten und ihn jetzt wieder entdecken", sagt Isa Winter-Brand. Mit dem Paddeln, so erzählen die Wasserfreunde gern, verhalte es sich wie mit dem Fahrradfahren - das verlerne man nicht.

So erfreulich die Rückkehr der Älteren in die Boote ist, so bedenklich sieht der Verband die Mitgliederverluste bei den Jüngeren. Erste Erhebungen deuten darauf hin, dass sich 5,3 Prozent der Kinder und Jugendlichen abgemeldet haben - auch wenn der Gesamtzuwachs im DKV bei 0,5 Prozent liegt. Das seien vorläufige Zahlen, heißt es einschränkend, aber sie bildeten den Trend des vergangenen Jahres ab. "Kinder brauchen Training in den Vereinen, aber das Training ist weggebrochen", sagt Isa Winter-Brand: "Und Kinder brauchen die Gruppe, die Gemeinschaft, sie wollen sich treffen und sich messen - aber auch die Wettkämpfe gab es nicht mehr." Viele hätten deshalb aufgehört. Für die Vereine bedeute dies: Sie müssen von vorn beginnen, Kinder - und Jugendgruppen aufzubauen.

Gestrichen ist nun auch das XXL-Paddel-Festival im Kanupark Markkleeberg im Mai, das als Highlight für Kaffeepaddler, Kilometerjäger und Wildwasserfahrer angekündigt war. Begründet wurde die Absage indes nicht mit der Pandemie, sondern mit Bauarbeiten am See.

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