Freispruch für Bin Hammam:Dubiose Geldbündel in Trinidad

Ein Urteil, das Bewegung in die Fifa bringt: Der Internationale Sportgerichtshof Cas spricht den ärgsten Blatter-Widersacher Mohamed Bin Hammam vom Vorwurf der Bestechung frei. Doch Fifa-Chef Blatter muss vorerst nichts befürchten - wie zufällig gibt es nun gleich den nächsten Bann gegen seinen Rivalen.

Thomas Kistner

Am Dienstag gab der Fifa-Vorstand ein hundertprozentiges Vertrauensvotum für seinen Chef Sepp Blatter ab, obwohl dessen Rolle als Korruptions-Mitwisser nun schon Schweizer Justizpapiere ziert. Die Rädchen greifen perfekt ineinander im Fußball-Weltverband Fifa, sie bezeugen eine obwaltende Autokratie. In solchen Systemen ist die Vorhersehbarkeit von Vorgängen, die dem Machterhalt dienen, ein zentrales Wesensmerkmal - das zeigte sich Donnerstag erneut.

Freispruch für Bin Hammam: Der frühere katarische Fußball-Funktionär Mohamed Bin Hammam.

Der frühere katarische Fußball-Funktionär Mohamed Bin Hammam.

(Foto: Sayeed Khan/AFP)

Da wurde Blatters ärgster Widersacher und Thron-Rivale, der von der Fifa 2011 lebenslang gesperrte Mohamed Bin Hammam, am Internationalen Sportgerichtshof Cas freigesprochen. Doch kurz zuvor brummte ihm der Weltfußball die nächste Sperre auf. Dass der Fifa-Bann gegen Blatters Intimfeind aus Katar aufgehoben würde, war branchenintern seit Monaten spekuliert worden. Die Fifa hatte dem früheren Vizepräsidenten und Chef des asiatischen Kontinentalverbandes AFC vorgeworfen, er habe im Mai 2011 bei einem Treffen der Karibischen Fußball-Union CFU 25 Funktionäre mit je 40.000 Dollar bestochen.

Der von der Fifa angeheuerte frühere FBI-Chef Louis Freeh, ausstaffiert mit einer horrenden Millionengage, trug über seine global operierende Detektei Belege zusammen für besagtes Korruptionsfestival, das sich am 11. Mai 2011 in einem Hotel in Port of Spain auf Trinidad/Tobago abspielte. Dort waren die Gelder von CFU-Bediensteten verteilt worden, nachdem der CFU-Chef Jack Warner den Kongressgästen erklärt hatte, sie stammten von Bin Hammam.

Doch dem Cas reichten die von Freeh gesammelten Belege nicht aus. Spektakulär waren sie also nur für die Öffentlichkeit, die erstaunlich rasch davon erfuhr: ein dramatisches Video von Warners Auftritt, dazu Fotos von Geldbündeln im Kongresshotel. Das sei gut und schön, der Cas indes moniert nun, dem Weltverband sei nicht gelungen, "irgendeinen direkten Beweis zu präsentieren, der Bin Hammam mit der physischen Präsenz des Geldes in Trinidad/Tobago verbindet, oder dessen Transport in einem Koffer oder sonstwie zu Warner, und in der Folge dessen Angebot an die CFU-Mitglieder, um sie zur Stimmabgabe für Bin Hammam zu verleiten".

Da öffnet sich eine für Blatter gefährliche Flanke. Zwar findet auch der Cas, es spreche mehr dafür, dass Bin Hammam Quell dieser Gelder sei. Das Gericht stellt der Fifa anheim, mit seinem runderneuerten Ethikkomitee erneut an die Sache ranzugehen, "um die Faktenlage zu ergänzen". Das aber dürfte zum Problem werden.

Die millionenteure Arbeit des Profischnüfflers Freeh, der öfter für die Fifa tätig ist, hat die vom Cas explizit vermissten Beweise nicht produzieren können - dass sich die Fifa ihre stärksten Belege für ein Wiederholungsspiel vorm Cas aufsparte, erscheint so unwahrscheinlich wie die Annahme, dass sich jetzt per Zweitrecherche Bin Hammams Verbindung zum konkret verteilten Geld nachweisen ließe. Er selbst dürfte den Koffer, falls es einen gab, sowieso nicht durchs Hotel gewuchtet haben. Der Katarer bestreitet die Vorwürfe.

Bin Hammam ante portas: Gut für Blatter und Fifa, dass just der Asien-Verband die eigenen Geschäftsbücher prüfen ließ (eine seltene Maßnahme, die allen Verbänden zu empfehlen wäre). Jedenfalls erwuchs daraus am Dienstag, als Blatter sein Traumvotum in Zürich feierte, ein Disziplinarverfahren gegen Bin Hammam. Punktlandung: Der AFC suspendierte ihn für 30 Tage.

Blatter darf sich freuen

Die Kontenprüfung nähre den Verdacht, dass der schwerreiche Unternehmer aus Doha AFC-Gelder kassierte. "Die Untersuchung betraf Aushandlung und Abwicklung von Verträgen und finanzielle Transaktionen zwischen seinem Privatkonto und dem des AFC", teilte der Verband mit. Tags darauf, Stunden vor Verkündigung des Cas-Urteils pro Bin Hammam, wurde die Sperre weltweit ausgedehnt.

So darf sich Blatter wieder mal über eine segensreiche Schicksalsfügung im Weltfußball freuen. Er muss den Erzfeind vorläufig nicht wieder willkommen heißen, ihn schon gar nicht in die Exekutive eingliedern. Womöglich wäre es dann vorbei mit den Hundertprozent-Voten. Die übrigens neben Blatter offenbar auch dessen eifriger Reform-Helfer Mark Pieth schätzt. Der Compliance-Experte erklärte am Donnerstag nun auch der Frankurter Allgemeinen Zeitung, Blatter sei unverzichtbar für die ethische Selbsterneuerung.

"Nur er kann die Gegenkräfte überzeugen, dass Veränderungen hermüssen", sagte er. Damit konterkariert Pieth Forderungen nach Blatters Amtsende, die Bayern-Präsident Uli Hoeneß und der deutsche Liga-Präsident Reinhard Rauball jüngst vortrugen. Zugleich baut er darauf, dass Leute, die nur Blatter zu ethischen Reformen zwingen kann, das geeignete Gremium sind, um diese Selbstreinigung glaubwürdig voran zu treiben.

Am Donnerstag reagierte die Fifa "besorgt" auf das Cas-Urteil. Sie rief sogleich den neuen, passgenauen AFC-Bann in Erinnerung und kündigte an, die Causa des Katarers mit ihren neuen Komitees weiter zu betreiben. Das kann man verstehen: Löst sich die Karibik-Affäre in Luft auf, wäre ja Blatters Alleinkandidatur am 1. Juni 2011 vielleicht nicht ganz in Ordnung gewesen - Bin Hammam war drei Tage vor der Wahl gesperrt worden. Mit dem Fall vertraute Sportjuristen meinen, wenn dies Urteil bestehen bleibe, sei es "ein direkter Angriff auf das damalige Wahlergebnis".

Das vorläufig letzte Wort zum Themenkreis Fifa und Augias-Stall formulierte der Cas. In seine Rüge bezüglich des Karibik-Treffs schloss er die Fifa geschickt mit ein: Höchste ethische Standards seinen "umso notwendiger auf der höchsten Fußballebene, wo in der Vergangenheit Personen wie Bin Hammam und Warner agiert haben".

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