Freiburg mit spätem Tor im Halbfinale:"Lächeln? Ah, okay, dann lächle ich"

Freiburg mit spätem Tor im Halbfinale: Moment der Ausgelassenheit: Trainer Christian Streich (rechts) und Nico Schlotterbeck nach dem Schlusspfiff.

Moment der Ausgelassenheit: Trainer Christian Streich (rechts) und Nico Schlotterbeck nach dem Schlusspfiff.

(Foto: Uwe Kraft/imago images)

Der SC Freiburg setzt seine phänomenale Saison auch im Pokal fort: Erstmals seit neun Jahren stehen die Breisgauer im Halbfinale - sogar Trainer Christian Streich gönnt sich diesmal ein bisschen Überschwang.

Von Ulrich Hartmann, Bochum

In der Berichterstattung über den Traum des SC Freiburg vom ersten DFB-Pokal-Triumph geht bislang unter, dass der Trainer Christian Streich ja schon der erfolgreichste Pokalfinal-Groundhopper Deutschlands ist. Groundhopper sammeln Stadionbesuche wie andere Menschen Briefmarken, und Streich hat im Großraum Berlin in drei unterschiedlichen Stadien bereits drei Mal im Endspiel gestanden und dabei auch noch jedes Mal den DFB-Pokal abgeräumt. 2006 im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark, 2009 im Karl-Liebknecht-Stadion in Potsdam und 2011 im "Stadion auf dem Wurfplatz" neben dem Olympiastadion führte er als U19-Trainer die jeweilige Freiburger A-Jugend zum Pokaltriumph.

Im Olympiastadion selbst stand Streich allerdings noch nie im Endspiel, genauso wie noch keine Freiburger Profimannschaft bislang den Sprung in das große Finale geschafft hat. Insofern war der 2:1-Sieg im Viertelfinale beim VfL Bochum schon etwas Besonderes für Streich, zumal der hochemotionale Siegtreffer 45 Sekunden vor Ablauf der Verlängerung fiel. Ob er sich und seine Mannschaft zwecks gutem Omen nun gerne in einem ihm womöglich bereits bekannten Berliner Glückshotel einbuchen wolle, ist er hinterher gefragt worden und hat wahrheitsgemäß geantwortet, dass man dazu zunächst ja aber erst noch Mitte April das Halbfinale gewinnen müsste. Die Auslosung ist am Sonntagabend in der "Sportschau".

Streich, 56, hat am Mittwochabend keinen Hehl aus seinem Überschwang gemacht. Er ist nach dem Schlusspfiff strahlend über den Rasen des Ruhrstadions gesprungen und später der rhythmisch formulierten Aufforderung der Freiburger Anhänger zum Erscheinen vor dem Fanblock gefolgt, "weil ich gut erzogen bin und nicht unhöflich sein wollte". Im Interview vor den TV-Kameras hat er sich hingegen den Spaß erlaubt, recht nüchtern aufzutreten und auf die erwartungsfrohe Frage nach seinem emotionalen Zustand übertrieben sachlich zu antworten: "Ich bin zufrieden." Auf den Einwand des Sky-Reporters, dass man dies seiner Mimik aber gar nicht ansehe, antwortete Streich ironisch: "Wie soll ich denn gucken? Lächeln? Ah, okay, dann lächle ich."

Es handelt sich dabei um den besonderen Streichschen Humor. Ein Trainer, der im elften Jahr mit seinem SC Freiburg die bislang beste Saison spielt, der sich für die Champions League qualifizieren könnte und erstmals seit neun Jahren im Pokal-Halbfinale steht, tut so, als müsse er sich mit lakonischem Kommentar ein Lächeln geradezu abringen. Dabei dürfte er sich innerlich kaputtgelacht haben vor lauter Begeisterung.

"Hätte er die Kugel in dieser Szene doch einfach aus dem Stadion gedroschen"

In diesem Jahr erscheint für Freiburg der erste Pokaltriumph der Vereinsgeschichte realistisch, und am kommenden Samstag gastiert man in der Bundesliga bei RB Leipzig und könnte mit einem Sieg auf jenen vierten Platz vorrücken, der am Saisonende zur Teilnahme an der Champions League berechtigte. Von der lukrativen europäischen Meisterklasse träumt Streich nach eigenem Ermessen jedoch nicht. "Ich träume andere Sachen", sagt er wieder betont nüchtern und meint zum saisonalen Restprogramm: "Wir sind im Halbfinale und haben in der Meisterschaft schon jetzt so viele Punkte, dass wir keine Sorgen haben müssen - so kann's weitergehen."

Dem VfL Bochum, zumal in der Verlängerung mit den besseren Torchancen, hätte der Einzug ins Pokal-Halbfinale nicht minder viel bedeutet. Es ist 34 Jahre her, dass eine mit allerhand Klublegenden gespickte Mannschaft 1988 ins Halbfinale und mit einem Sieg gegen den Hamburger SV auch ins Endspiel vorgedrungen war, in dem man Eintracht Frankfurt unterlag. Das ganze Stadion rechnete am Mittwochabend bereits mit dem Elfmeterschießen, als dem jungen Bochumer Innenverteidiger Maxim Leitsch in der 120. Minute ein fatal misslungener Rückpass zum Torwart unterlief, den Freiburgs Roland Sallai zum Siegtreffer nutzte.

Freiburg mit spätem Tor im Halbfinale: Roland Sallai erzielt nur Sekunden vor Ablauf der 120 Minuten das Tor für Freiburg.

Roland Sallai erzielt nur Sekunden vor Ablauf der 120 Minuten das Tor für Freiburg.

(Foto: Ina Fassbender/AFP)

"Hätte er die Kugel in dieser Szene doch einfach aus dem Stadion gedroschen", lamentierte der VfL-Trainer Thomas Reis hinterher, versprach allerdings genauso wie die Spieler, Leitsch darob keine Vorwürfe zu machen. Der Stürmer Sebastian Polter, Schütze des zwischenzeitlichen Bochumer 1:1-Ausgleichs (64.) nach Nils Petersens 1:0-Führung (51.), zeigte sich als Meister des positiven Denkens, als er sagte: "Wir stecken das im Kollektiv weg; das macht uns als Mannschaft nur noch stärker." Dies wäre den Ruhrpott-Fußballern bereits am Samstag förderlich, wenn sie mit drei Punkten gegen das Schlusslicht Greuther Fürth einen großen Schritt in Richtung Klassenerhalt machen könnten.

Die Freiburger mit drei Pflichtspielsiegen in Serie surfen derweil auf ihrer Erfolgswelle weiter nach Leipzig, wo der Gastgeber seinerseits auf vier Pflichtspielsiege nacheinander kommt. Das sind beste Voraussetzungen für ein Topspiel. Dass die Freiburger zurzeit gute Nerven haben, konnten sie in Bochum eindrucksvoll beweisen.

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