Transfers beim SC Freiburg:Wie beim Umtausch im Kaufhaus

Würzburger Kickers v SC Freiburg - DFB Cup: First Round

Verabschiedete sich relativ kurzfristig aus Freiburg: Baptiste Santamaria

(Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty)

Der SC Freiburg verliert quasi über Nacht seinen besten Spieler, hat aber ebenso schnell Ersatz parat. Beim Transfer von Maximilian Eggestein profitiert der Sportclub von "gegenläufigen Entwicklungen" - und einem guten Gedächtnis.

Von Philipp Selldorf

Wäre da nicht dieser Cyber-Kriminelle in Frankreich gewesen, und wären die Leute in der Presseabteilung des französischen Erstligisten Stade Rennes nicht so verdammt übereifrig, dann wäre es ein typisch lautloses Freiburg-Geschäft geworden - eine Transaktion, bei der die Diskretion auf allen Seiten mindestens so effizient gewahrt wurde wie beim Versand von erotischen Spielzeugen. So jedoch kamen noch mal Unruhe und Hektik auf in der Geschäftsstelle des Sportclubs an der Schwarzwaldstraße. Der anonyme Hacker, der Rennes' Website gekapert hatte, griff als X-Faktor ins Geschehen ein.

Das deutsche Fußball-Publikum hat davon kaum etwas mitbekommen. Es horchte womöglich auf, als am Dienstag infolge der Enthüllung durch den Hacker-Angriff gemeldet wurde, dass Baptiste Santamaria lediglich ein Jahr nach seinem Wechsel aus Frankreich zum SC Freiburg wieder in die Heimat zurückkehren wollte - unglücklicherweise hatten nämlich die Leute in Rennes das Profil des erwarteten neuen Spielers bereits auf der Klub-Seite hinterlegt. Aber bevor das Thema in interessierten Kreisen einen Diskurs entfalten konnte - Santamaria ist immerhin der teuerste Einkauf, den sich die Freiburger je geleistet haben -, hatte ihm der Sportclub auch schon ein Ende bereitet.

Der Verein teilte mit, Mittelfeldspieler Santamaria, 26, werde tatsächlich nach Rennes gehen und Maximilian Eggestein vom SV Werder Bremen an seine Stelle treten. Angeblich zahlen die Franzosen rund 14 Millionen Euro Ablöse, ein Anteil (von fünf bis sechs Millionen ist die Rede) wird gleich nach Bremen weitergeleitet. Über diese Personalien hätten sich Transfermarkt-Freaks wochenlang in ihren Gesprächsforen streiten können, aber so selbstverständlich, wie der SC Freiburg den Dreiecks-Handel präsentierte, glich die Sache einem Umtausch im Kaufhaus, der nicht länger als fünf Minuten gedauert hätte.

Vor ein paar Jahren wäre der Transfer sicher in umgekehrter Richtung erfolgt

In Wahrheit war den Verantwortlichen bewusst, dass sie mit einem Vorgang zu tun hatten, der nicht in schwieriges Fahrwasser geraten dürfte. Als der anerkannt wichtige Stammspieler Santamaria unter Verweis auf familiäre Anliegen kurzfristig den Wunsch zur Rückkehr äußerte, brachte er die Freiburger durchaus in Gewissensnot, der heikle Fall sei sozusagen "vom Himmel gefallen", sagt Sportvorstand Jochen Saier, 43. Man wollte dem Spieler den Wunsch nicht versagen, aber die finanziellen Bedingungen mussten stimmen, und es musste sofort Ersatz her. Die Scouting-Abteilung kannte immerhin einen Kandidaten: Eggestein, 24, hat zwar mit Werder ein entsetzliches Jahr hinter sich, dem nun auch schon ein paar entsetzliche Auftritte in der zweiten Liga gefolgt sind, aber die Freiburger konnten sich auch noch gut daran erinnern, dass er vor zweieinhalb Jahren von Jogi Löw zum Nationalteam gebeten wurde und Borussia Dortmund ihn dringend haben wollte.

Ein Transfer wie dieser wäre vor ein paar Jahren garantiert in umgekehrter Richtung erfolgt. Der SV Werder hätte einen teuren Spieler an einen zahlungskräftigeren Klub verloren und für den Verlust umgehend Ersatz beim vergleichsweise kleineren Sportclub geordert. Nun ist der Sportclub der zahlungskräftige Geschäftspartner und der SV Werder bedürftig. "Die Entwicklungen sind ein Stück weit gegenläufig", stimmt Saier zu, eine Feier der Karriere seines Klubs liegt ihm aber fern: Werder sei "ein Einzelfall, der auf einen schwierigen und extrem unglücklichen Weg geraten ist", sagt Saier.

Bremen dient den Freiburgern als abschreckendes Lehrstück

Das Bremer Schicksal verfolgt man in Freiburg mit Mitgefühl. Die beiden Vereine sind sich trotz unterschiedlicher Merkmale nicht unähnlich, wohl auch deshalb findet Saier den Absturz "erschreckend - weil man sieht, wie schnell es gehen kann". Existenzängste gehören zum Freiburger Selbstverständnis. Auch in der vorigen Saison, die der SCF scheinbar entspannt auf Platz zehn beendete, und die nach herrschender Meinung seine Zugehörigkeit zum Establishment der Liga bestätigte, dominierten im Innenleben des Klubs lange Zeit die Sorgen. Am achten Spieltag hatte der SC lediglich sechs Punkte und lag zur Pause des Heimspiels gegen die bis dahin sieglosen Mainzer 0:3 zurück. "Da wurde auch bei uns mit Emotionalität nicht gegeizt", erzählt Saier.

Der Unterschied zu früheren Zeiten ist allerdings der, dass der Cheftrainer Christian Streich aufgehört hat, an jedem Spieltag obligatorisch eine Benachteiligung seiner "kleinen Freiburger" zu beklagen. So klein sind sie ja auch längst nicht mehr, nach der zweiten Länderspielpause zieht der Klub ins neue Stadion um. Das bietet nicht nur mehr Platz für Besucher, sondern auch ein Spielfeld, das der Norm entspricht.

Ein wehmütiges Seufzen ist trotzdem beim Hausherren zu vernehmen. Der alte Sportplatz war fünf Meter zu kurz und hatte ein Gefälle von einem Meter, die Gästekabine besaß die Anmutung einer ordentlichen, aber bescheidenen Frühstückspension, und die Ränge ragten in die Schwarzwaldhänge hinein wie bei einem Dorfverein, doch das waren all die Jahre lauter Eigenheiten, die "uns nicht geschadet haben", wie der seit 2003 im Klub tätige Saier anmerkt: "Wir wissen, dass es eine große Herausforderung ist, das neue Stadion zu unserer neuen Heimat zu machen."

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