Freiburg - Mainz:"Wir drehen die Mechanismen um"

Nach der Niederlage gegen Freiburg schien Trainer Schmidt vor dem Rauswurf zu stehen. Doch die Mainzer widerstehen dem Reflex der Branche.

Von Christoph Ruf

Noch 20 Minuten nach dem offiziellen Ende der Pressekonferenz war Martin Schmidt umringt von einer Schar Journalisten und ging noch mal die Szenen eines Spiels durch, nach dem es lange Zeit so aussah, als sei es sein letztes als Mainzer Cheftrainer gewesen. Bis am Sonntagmittag der Mainzer Sportdirektor Rouven Schröder am Trainingsgelände vor die Presse trat und sprach: "Schmidt bleibt definitiv Trainer bis zum Saisonende."

Schmidt hat es in den vergangenen zwei Jahren ja stets so gehalten, dass er den Journalisten so lange Rede und Antwort gestanden hat, bis keine Fragen mehr offen waren. In einer Branche, in der immer mehr über kostenpflichtige Kommunikationskanäle geredet wird, während Pressekonferenzen zu Floskel-Orgien verkommen, ist das fast schon ein Alleinstellungsmerkmal des Schweizer Trainers, der den Medientermin am Samstag allerdings auch dazu nutzte, um nach der fünften Niederlage in Serie Werbung in eigener Sache zu betreiben. "Es spricht nicht viel dafür, dass ich der völlig falsche Mann bin, wenn die Verantwortlichen die Situation analysieren", sagte Schmidt und ließ noch mal eine Partie Revue passieren, die mit dem 1:0 für Freiburg tatsächlich kein gerechtes Ergebnis gehabt hatte.

Da beide Mannschaften gleichermaßen zum schaurigen Niveau dieser Partie beigetragen hatten, hätte es eigentlich nur ein 0:0 als adäquates Ergebnis für 90 Minuten gegen dürfen, die aus Zweikämpfen im Mittelfeld, blind nach vorne geschlagenen Bällen und jeder Menge Fehlpässen bestanden hatte. Ähnlich hatte es sicher auch Schmidt gesehen, der allerdings auf die beiden Mainzer Torchancen durch Pablo de Blasis (48.) und Fabian Frei (88.) verwies und nicht zu Unrecht feststellte, dass Mainz dem Sieg näher war als Freiburg, das nunmehr auch offiziell die Abstiegsgefahr für gebannt erklärt. "Wenn wir 1:0 gewonnen hätten", seufzte Schmidt, "würde man jetzt von einem 'hart erkämpften Sieg' sprechen."

SC Freiburg v 1. FSV Mainz 05 - Bundesliga

Fachsimpeleien unter Gleichgesinnten: Die Trainer Martin Schmidt (Mainz, links) und Christian Streich (Freiburg) tauschen sich aus.

(Foto: Thomas Niedermueller/Getty)

Das stimmt wohl, zumal der Gegentreffer bestens zur Gemengelage passte. Denn mindestens so oft, wie man zuletzt verdientermaßen verlor, war ja in dieser Rückrunde auch eine gehörige Portion Pech im Spiel gewesen. So auch am Samstag, als 05-Keeper Jannick Huth in seinem ersten Bundesligaspiel den Mitspieler Danny Latza im Strafraum umrempelte. Und da der benommen am Boden liegen blieb, stand Freiburgs Nils Petersen bei seinem 18. Tor als Joker nicht im Abseits (70.) und schloss damit zum bisherigen Top Joker Alexander Zickler auf. "Im Moment bringen wir unsere eigenen Spieler zu Fall", ächzte Schmidt, der sich zuvor allerdings ausführlich beim Freiburger Trainer bedankt hatte. Dass Streich ihm im Vorfeld beigesprungen war, indem er es schon am Donnerstag ein "Unding" nannte, einen Trainer, der "eine Toparbeit" mache, in Frage zu stellen, sei alles andere als selbstverständlich. "Du bist für mich das Gewissen der Liga. Meinem Umfeld und meiner Familie hat das gutgetan." Auch am Samstag brach Streich erneut eine Lanze für den Kollegen, indem er die Mainzer als "absolut intakte Mannschaft" adelte, die "fußballerisch besser" gewesen sei als sein eigenes Team.

In Wahrheit waren zwei Mannschaften aufeinandergetroffen, die 90 Minuten lang ziemlich konsequent all das verweigerten, was Erstliga-Fußball von dem in niedrigeren Spielklassen unterscheidet. Dafür gab es allerdings durchaus Gründe. Beim SC fehlten mit Maximilian Philipp und Nicolas Höfler zwei ballsichere Spieler, mancher junge Akteur wirkt zudem gegen Ende der Saison überspielt. Und in Mainz, das auch an besseren Tagen nicht als sonderlich filigrane Mannschaft durchgehen darf, war manchen Profis die Angst vor der zweiten Liga anzumerken. Auch dadurch mag sich mancher ohne jede Not getätigte Befreiungsschlag erklären - oder das reichlich brutale Sinnlos-Foul von Latza an Vincenzo Grifo in der ungefährlichsten Zone. "Es ist eben alles nicht so einfach im Abstiegskampf", sagte Verteidiger Alexander Hack nach der Partie. Es war das mit Abstand beste Fazit zu einem Spiel, nach dem im Mainzer Lager nicht alle so gesprächig waren wie Schmidt.

Gleichauf mit Zickler - Nils Petersen bester Joker der Bundesliga

Nils Petersen ist - zusammen mit Alexander Zickler - der erfolgreichste Joker der Bundesliga-Historie. Allein in dieser Spielzeit erzielte der 28-Jährige bereits acht Treffer nach seiner Einwechslung. Die Liste der Rekordjoker:

1. Alexander Zickler 18 Tore (Dynamo Dresden, Bayern München),

Nils Petersen 18 (Energie Cottbus, Bayern München, Werder Bremen, SC Freiburg)

3. Claudio Pizarro 16 (Bayern München, Werder Bremen)

4. Mehmet Scholl 14 (Karlsruher SC, Bayern München),

Hans-Jörg Criens 14 (Borussia Mönchengladbach, 1. FC Nürnberg)

6. Frank Ordenewitz 13 (Werder Bremen, 1. FC Köln, Hamburger SV),

Nelson Valdez 13 (Werder Bremen, Bor. Dortmund, E. Frankfurt),

Robert Lewandowski 13 (Borussia Dortmund, Bayern München),

Günter Thiele 13 (Fortuna Düsseldorf, Borussia Mönchengladbach),

Stefan Kohn 13 (Bayer Leverkusen, Hannover 96, VfL Bochum, Werder Bremen, 1. FC Köln, Schalke 04)

Als die vergangenen Wochen analysiert und alle Akkus runtergefahren waren, wurde Schmidt der Rücken gestärkt - ein branchenunübliches Ergebnis eines Reflektionsprozesses, das zumindest Streich ausgesprochen sympathisch finden dürfte. "Wir drehen die Mechanismen um", sagte Sportdirektor Schröder. "Die Frage nach dem Trainer brauchen sie mir jetzt nicht mehr zu stellen."

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