Süddeutsche Zeitung

Gladbach in Freiburg:Ärger statt Vorsprung

Gladbach verliert in Freiburg ein Spiel, das es nie hätte verlieren dürfen - und verpasst im Rennen um die Champions-League-Plätze eine Chance. Sportdirektor Eberl sieht nach einem Wutausbruch Rot.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Es war ein turbulentes Spiel, das am Freitag in Freiburg über die Bühne ging. Allein schon wegen der beiden Platzverweise, die sich auch noch bedingten, darunter der ersten roten Karte für einen Funktionär: Nach einer Stunde flog Gladbachs Stürmer Alassane Pléa mit Gelb-Rot vom Platz. Und dann Sportdirektor Max Eberl, weil er sich zu einem Wutausbruch gegenüber dem Vierten Offiziellen hatte verleiten lassen. Die Worte "Du redest nur Scheiße hier!" sollen gefallen sein. Und die Behauptung, die Bestrafung Pléas, der nun gegen die Bayern fehlt, sei ein "Witz" - ein Votum, dem sich auch Trainer Marco Rose ("Witz in der Summe") anschloss.

Der Angreifer hatte in der ersten Halbzeit Gelb gesehen, weil er den Ball weggeschlagen hatte, später trat er Robin Koch eher tapsig als absichtlich auf den Fuß. Es war also eine harte Entscheidung, die die Borussia da traf. Einen Lerneffekt gab`s obendrauf. Einem Mitglied des Schiedsrichtergespanns zu unterstellen, er rede "Scheiße", zieht einen Platzverweis nach sich. Auch wenn Eberl gewiss nicht zu den Ungehobelten in der Branche gehört, und man sich zu erinnern glaubt, schon mal schlimmere Verbalinjurien gehört zu haben. Viel ärgerlicher als all das war aus Borussen-Sicht aber etwas ganz anderes. Denn dieses Spiel hätte Gladbach, das zuletzt 2002 in Freiburg siegte, nie im Leben verlieren dürfen.

Selten seit den ersten Freiburger Gehversuchen in der ersten Bundesliga im Jahre 1993 hat eine gegnerische Mannschaft an der Schwarzwaldstraße solch einen starken Eindruck hinterlassen wie die Borussia im ersten Durchgang. Noch seltener hat es der Gegner dabei nicht geschafft, wenigstens ein Tor zu schießen. Und definitiv noch nie hat er das Spiel dann auch noch verloren.

"Wir hatten das so geplant", sagt Torschütze Petersen über seinen Treffer

Immer wieder kamen die Freiburger Verteidiger gegen die enorm ballsicheren Gegenspieler zu spät und kassierten gelbe Karten. Zum Teil lag dabei gar keine böse Absicht vor, sie waren einfach nur zu langsam gewesen. Es war also fast schon ein ungleiches Duell, das da in der ersten Halbzeit aufgeführt wurde. Und dann noch eines mit vielen Chancen.

Doch weder Pléa (17.), noch Florian Neuhaus trafen (11./37.) Warum es Gladbach nicht schaffte, aus der Überlegenheit mehr zu machen als nichts, blieb so rätselhaft wie die Frage, warum Gladbach im zweiten Durchgang nichts mehr zustande brachte. Das muss man auch dann nicht verstehen, wenn man um das vielleicht größte Dilemma der Hochbegabten weiß. Falls die Mannschaft im bisherigen Rückrunden-Verlauf ein Problem hatte, war es fehlende Konstanz. Seit dem Neustart gelangen zwei deutliche Siege, die allerdings durch das Remis in Bremen (0:0) und die Heimniederlage gegen Leverkusen (1:3) relativiert wurden.

Und tatsächlich geriet Gladbach auch in Freiburg in Rückstand, als der gerade eingewechselte Nils Petersen einen Freistoß von Vincenzo Grifo einköpfte (59.). Das wiederum war fast schon ehrenrührig, denn dass Freiburg sehr viel Akribie darauf verwendet, gute Standards ins Repertoire zu bekommen, ist nichts Neues. "Wir hatten das so geplant", berichtete Petersen. "Wir stellen ein paar Spieler ins Abseits, die darauf hoffen, dass die Abseitslinie verschoben wird." Die Gladbacher Defensive war so frei, die Linie zu verschieben. Bei einem Sieg hätte Gladbach auf Platz drei klettern und im Rennen um die Champions-League-Plätze mit Leipzig und Leverkusen vorlegen können. Die Laune von Rose hob das nicht: "Natürlich ist es jetzt im Endspurt, wenn man bestimmte Ziele verfolgt und mit dem Zustandekommen der Niederlage, noch ärgerlicher."

Tatsächlich hatte Freiburg sogar noch mehrfach die Chance, die Führung auszubauen. Doch Koch (76.) und Lucas Höler (84.) vergaben ein mögliches 2:0. "Die Mannschaft hat brutal gearbeitet und ist im Laufe der Partie immer besser reingekommen", kommentierte SC-Trainer Christian Streich wahrheitsgemäß. "Ich bin sehr glücklich, dass wir gegen einen so starken Gegner nicht unverdient 1:0 gewonnen haben." Sein Team hat in dieser Spielzeit auch schon gegen Leipzig und Wolfsburg gewonnen und gegen Dortmund und Leverkusen gepunktet. Die Punkte 39, 40 und 41 veranlassten Streich dann auch zu einer nüchternen Feststellung: "Jetzt steigen wir nicht ab."

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