Freiburg - Bremen (15.30 Uhr):Florett und Vorschlaghammer

Jerome Gondorf

"Augen auf" heißt es für Jerome Gondorf und den SC Freiburg am Sonntag beim Heimspiel gegen Bremen.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Nach einigen Umwegen ist Jerôme Gondorf zum Leistungsträger eines Bundesligisten geworden. Den Kontakt zum normalen Leben verliert er dabei nicht.

Von Christoph Ruf

Jerôme Gondorf wirkt gut gelaunt, als er zum Interviewtermin kommt. Das könnte mit der Aussicht auf einen Einsatz im Sonntags-Spiel gegen den ehemaligen Bremer Arbeitgeber zu tun haben. Es könnte aber auch an seinem Naturell liegen. Schon im Trainingslager in Schruns vor dem Beginn der Spielzeit verblüffte der Neuling mit Sätzen, die ganz danach klangen, als sehe sich da jemand wie selbstverständlich als künftigen Stammspieler - das fiel auf und blieb haften in einem Verein, in dem selbst ein Fast-WM-Fahrer wie Nils Petersen betont, dass er sich notfalls auch auf die Bank setzt. Gondorf ist heute übrigens Stammspieler. Und sagt, dass er es damals schon heuchlerisch gefunden hätte, einen auf demütig zu machen: "Jeder Spieler sollte doch den Anspruch haben, in der ersten Elf zu spielen."

Gondorf bezeichnet sich selbst als "Spätentwickler", der den Umweg über die sechste Liga und den SV Spielberg im Karlsruher Umland gehen musste, ehe er mit 27 Jahren sein erstes Bundesligaspiel für Darmstadt bestreiten konnte. Dabei war er in der KSC-Jugend, in der er nicht an einem gewissen Lars Stindl vorbeikam, das, was man damals einen "Schönspieler" nannte: technisch stark, mit gutem Auge, aber eben keiner für die gezielte Grätsche oder das gut getimte Trikotzupfen.

Es wurde also Zeit, dass ihm Dirk Schuster, der all das schon als Spieler hervorragend konnte, bei den Stuttgarter Kickers ein paar rustikalere Stilelemente beibrachte. Später holte er ihn auch nach Darmstadt. Heute beherrscht Gondorf Florett und Vorschlaghammer. Oder wie er es ausdrückt: "Ich will immer den schönen Pass spielen, schätze aber robuste Zweikämpfe." Letzteres dürfte ihm auch am Sonntag zugute kommen. Schließlich stehen seine Chancen gut, nach seinem auskurierten Muskelfaserriss von Beginn an auf seiner Lieblingsposition im zentralen Mittelfeld aufzulaufen. "Fit bin ich jedenfalls, den Rest entscheidet der Trainer." Dort würde er Nicolas Höfler ersetzen, der sich einen Innenbandriss im rechten Knie zugezogen hat und erst in der Rückrunde wieder zum Einsatz kommen dürfte.

Er verließ Bremen der Familie zuliebe

Gondorf ist oft im nur 130 Kilometer entfernten Karlsruhe, wo seine Frau wohnt und die Tochter in die Kita geht. Die Nähe zu seinem Geburtsort war im Sommer ein entscheidender Grund, das Freiburger Angebot anzunehmen und Bremen nach nur einer Saison wieder den Rücken zu kehren. Und das, obwohl er mit Florian Kohfeldt bestens auskam. Den Werder-Trainer, der ihm zu fünf seiner sieben Startelf-Einsätze verhalf und ihm Perspektiven für diese Saison aufgezeigt hatte, lobt er noch heute in den höchsten Tönen: "Zu Florian hatte ich immer ein gutes Verhältnis. Er kommuniziert viel und erklärt seine Maßnahmen. Das macht es viel leichter zu akzeptieren, wenn man mal nicht spielt. Er ist immer offen und ehrlich mit uns umgegangen." Kommt die Rede auf dessen Vorgänger Alexander Nouri (derzeit beim FC Ingolstadt), der im Oktober des vergangenen Jahres in Bremen gehen musste, herrscht hingegen Schweigen.

Gondorf, der als zweitältester von sechs Geschwistern mit seinem Bruder Patric als Jugendlicher früh Verantwortung für die vier jüngeren Geschwister übernahm, gehört zu den wenigen Profi-Spieler, die ohne Berater auskommen. Seinen jetzigen Vertrag hat er unter vier Augen mit Sportdirektor Jochen Saier ausgearbeitet. Gondorf verhandelt nicht nur selbständig, er denkt auch ohne fremde Hilfe: "Wenn ich mir die Entwicklung der Gehälter anschaue, wird mir manchmal schwindlig", sagte er im Sommer der Stuttgarter Zeitung. Der Fußball sei "im Vergleich zu normalen Berufen ganz weit weg vom normalen Leben". Er sehe es auch negativ, dass im Profifußball "die Schere zwischen den Topverdienern und dem breiten Rest immer mehr auseinandergeht."

Und obwohl auch ein Gehalt am unteren Ende der Bundesliga-Skala noch recht hoch ist, scheint Gondorf nicht in der Gefahr zu sein, den Kontakt zum normalen Leben zu verlieren. Mit Bruder Patric, dem Spielertrainer des Verbandsligisten Spielvereinigung Durlach-Aue, bei dem auch die Brüder Fabian, Marvin und Rouven spielen, hat er vor kurzem im Karlsruher Umland ein Restaurant aufgemacht. Es trägt den programmatischen Namen "Fräulein Chicken" und bietet neben halben Hähnchen auch frittierte Geflügelstücke mit Pommes an. "Eher keine Sportlernahrung", weiß Gondorf. "Aber ich halte mich im Alltagsgeschäft da sowieso zurück. Patric ist Gastronom, ich habe einen anderen Hauptberuf."

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