SC Freiburg:Vorübergehend auf Diät gesetzt

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Besuch von alten Freunden: Jan-Niklas Beste (am Ball, hier gegen Marnon Busch) debütierte für Freiburg gegen seinen Ex-Verein Heidenheim. (Foto: Robin Rudel/Sportfoto Rudel/Imago)

Um weniger Gegentore zu kassieren, nimmt sich der SC Freiburg spielerisch stark zurück. Der Lohn ist ein zäher 1:0-Arbeitssieg gegen Heidenheim. Debütant Jan-Niklas Beste bleiben nur wenige Minuten, in denen es ihm aber gelingt, positiv aufzufallen.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Man näherte sich bereits dem Ende dieses Fußballnachmittags, da wurden die Zuschauer doch noch mal aus ihrer Lethargie gerissen. Tatsächlich lief da doch dieser Mann mit der Vokuuba-(Vorne kurz, unten Bart)-Frisur zur Seitenlinie, um kurz darauf eingewechselt zu werden. Auf ihn hatten sich viele der 33 000 Zuschauer gefreut – manch einer mit jeder Minute, die zuvor verflossen war, ein Stück mehr: Jan-Niklas Beste, gerade von Benfica Lissabon angeheuert, betrat also unter wohlwollendem Applaus das Feld und hatte in den verbliebenen neun Minuten immerhin noch Zeit für drei Aktionen, eine etwas misslungene und zwei, bei denen er zeigte, warum er geholt wurde. Einer mit seiner Technik, Spielintelligenz und Dynamik täte wohl jeder Bundesligamannschaft gut, der Freiburger ganz gewiss.

Es war ein ausgesprochen zähes 1:0, das der Sportclub seinen Fans am Samstag zeigte. Gähnend langweilig im ersten, etwas besser im zweiten Durchgang, immer geprägt von Quer- und Rückpässen. Dass sich daran selbst der so spielfreudige Torschütze Vincenzo Grifo (30.) beteiligte, legte den Verdacht nahe, der sich nach dem Spiel bestätigte: dass dieser pragmatische, ergebnisorientierte Ansatz von Trainer Julian Schuster exakt so gewollt war. Schließlich galt es nach zwei hohen Niederlagen mit je vier Gegentoren gegen Frankfurt und Stuttgart nicht nur Punkte zu sammeln, sondern im Idealfall ohne Gegentore zu bleiben. Gegen Heidenheim, dem ja im Sommer nicht nur besagter Beste, sondern auch Eren Dinkci (ebenfalls Freiburg) und Tim Kleindienst abhandengekommen waren, genügte dafür eine zögerliche Spielweise mit viel Ballbesitz – genau wie in der Vorwoche, als in Bochum ebenfalls ein minimalistisches 1:0 zu verbuchen war.

Unterhaltsam oder gar schön anzusehen ist es nicht, was der SC derzeit spielt, aber effektiv: Freiburg liegt auf Platz sechs, hat 33 Zähler aus 21 Partien geholt und führt gerade den nächsten Lernerfolg unter Schuster vor: 36 Gegentreffer hatte Freiburg bislang kassiert, das sind (zusammen mit Dortmund) die zweitmeisten unter den ersten 14 Teams, aber in den vergangenen beiden Partien sind eben keine weiteren hinzugekommen. Heidenheims Trainer Frank Schmidt sprach zu Recht von einem Freiburger „Arbeitssieg“ und prägte für sein eigenes Team das schöne Wort „Arbeitsniederlage“. Kampf und Einstellung hätten gestimmt – mithin die Basis für den Klassenerhalt: „Für uns geht es nicht mehr um Potenzial. Wir müssen die Liga halten, wir müssen punkten.“

Solch existenziellen Druck hatte der Sportclub in dieser Spielzeit nie. Sie wird aller Voraussicht nach mit einer ordentlichen Platzierung enden. Und es ist nicht auszuschließen, dass die gegenwärtige Phase nur ein Zwischenschritt ist auf dem Weg zu einem Fußball, der wieder mehr Atmosphäre ins zuletzt arg heruntergekühlte Freiburger Stadion bringt. Schuster hat ja, seit er Christian Streichs Job übernahm, viele kleine Änderungen am Spielstil vorgenommen. Man attackiert grundsätzlich etwas früher und ist deutlich mehr auf eigenen Ballbesitz bedacht, ein streng rationaler Fußball mit viel Positionstreue und taktischer Disziplin.

Grifo zeigt immer mal wieder sein Können – aber eben auch Rückpässe über 40 Meter

„Das Hauptaugenmerk lag nach den vielen Gegentoren auf der Defensive“, gab Verteidiger Philipp Lienhart zu. „Wir wollten an Stabilität gewinnen.“ Esprit, Tempo und Spielfreude, also Elemente, deretwegen Menschen sich eine Eintrittskarte kaufen, bleiben oft auf der Strecke. Auch am Samstag tat es zuweilen regelrecht weh mitanzusehen, wie allein der formidable Ritsu Doan mit seinen Ideen auf dem rechten Flügel blieb, während Grifo auf dem anderen zwar immer mal wieder sein Können zeigte – aber eben auch Rückpässe über 40 Meter. Die Zentrale blieb bis zur Einwechslung von Merlin Röhl ein kreatives Vakuum, und in der Sturmspitze überzeugten weder Lucas Höler noch der eingewechselte Junior Adamu. Eine der wenigen gelungenen Kombinationen des ganzen Spiels nutzte Grifo per Kopf zum Tor des Tages, Doan hatte nach einem Doppelpass eine außergewöhnlich gute Flanke geschlagen. Von dieser Szene zehrten die Zuschauer bis zur 70. Minute. Dann traf Doan mit einem Aufsetzer die Latte. Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Bestes Verpflichtung eine gute Idee war – die 82 Minuten bis zu seiner Einwechslung lieferten ihn.

Taktisch diszipliniert verhielten sich die Freiburger auch nach der Partie. Allen voran Grifo und Kapitän Christian Günter, auf deren Positionen Beste idealtypisch einzusetzen wäre – dem Vernehmen nach ist für ihn eher die Position vor dem Abwehrverbund vorgesehen. Grifo, der in den vergangenen Tagen schon gewitzelt hatte, er habe stets Boxhandschuhe im Kofferraum dabei, war voll des Lobes über den Konkurrenten, der ein „sehr, sehr angenehmer Mensch und ein guter Spieler“ sei.  Als letzterer dürfte er am Samstag beim FC St. Pauli in der Startelf stehen. Und noch hat auch niemand angekündigt, dass für ihn ein anderer guter Fußballer weichen muss.

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