Frauenfußball-WM:Warnschuss in Ottawa

Germany v Norway: Group B - FIFA Women's World Cup 2015

Geschenk dankend angenommen: Anja Mittag (links) nutzt einen Fehler der norwegischen Torhüterin zum frühen 1:0 für die DFB-Auswahl.

(Foto: Dennis Grombkowski/Getty)

Die deutschen Frauen müssen sich im zweiten WM-Spiel gegen Norwegen mit einem 1:1 begnügen - der Gruppensieg ist dennoch in Greifweite.

Von Kathrin Steinbichler, Ottawa

Dieses Foto, das Elise Thorsnes vorab veröffentlicht hatte, musste die deutschen Spielerinnen nachdenklich machen. Die norwegische Stürmerin hatte vor dem zweiten WM-Gruppenspiel gegen Deutschland ein Foto von sich ins Internet gestellt. Es zeigte sie mit geschlossenen Augen in Trainingsklamotten im Bett liegend, einen Arm hatte sie dabei über eine lebensgroße Pappfigur von Nadine Angerer gelegt. Von der deutschen Nationaltorhüterin also, die im EM-Finale 2013 gegen Norwegen mit zwei gehaltenen Elfmetern dafür sorgte, dass Deutschland den Titel gewann. Was Thorsnes mit dem Foto ausdrücken wollte? Angst, Respekt, noch immer schlaflose Nächte? Oder eher, dass Norwegen das Aufeinandertreffen nicht scheut?

Der Europameister sollte darüber nachdenken nach diesem Weltmeisterschafts-Spiel im Lansdowne-Stadion von Ottawa: Durch ein 1:1 (1:0) gegen Norwegen behielt die Mannschaft von Bundestrainerin Silvia Neid in der Vorrundengruppe B zwar die Führung und damit weiter die Aussicht auf den Gruppensieg. Doch die Nachlässigkeiten in der Chancenverwertung und die Schwerfälligkeit der Innenverteidigung könnten gegen andere große Gegner zu einem gefährlichen Problem werden.

Neid hatte vorher gewusst, dass diese norwegische Auswahl ein Prüfstein sein würde auf dem Weg ins Achtelfinale. Voller Anerkennung hatte sie vom Gegner gesprochen, die Norwegerinnen seien "sehr variabel mit ihren schnellen Spitzen". Die 51-Jährige kennt Norwegens Nationaltrainer Even Pellerud schon lange, sie hat ihm eine ihrer schmerzhaftesten Erinnerungen ihrer Karriere zu verdanken: 1995, im WM-Finale in Schweden, unterlag Neid als Spielführerin der deutschen Elf der Mannschaft von Pellerud, "das war mein bitterster Moment als Spielerin", meinte Neid, "wir waren damals einfach zu unaufmerksam". Diesmal wollte sie von ihrem Team ein konzentriertes Spiel sehen.

Doch das gelang nur teilweise.

Nach 18 Sekunden meldete sich zunächst Dzsenifer Marozsan mit einer ersten Grußbotschaft im Spiel an: Die 23-jährige Mittelfeldspielerin, die in der ersten Partie noch wegen einer Bänderdehnung gefehlt hatte und nun für die angeschlagene Melanie Leupolz auflief, setzte einfach einmal einen ersten Schuss ab. Er ging über das Tor. In der 5. Minute legte Außenverteidigerin Leonie Maier nach, doch Ingrid Hjelmseth im norwegischen Tor konnte parieren. Schon eine Minute später allerdings streckte sie sich vergeblich: Einen weiteren Torschuss von Marozsan ließ Hjelmseth nach vorne abprallen, Stürmerin Anja Mittag war zur Stelle und lupfte den Ball zum 1:0 ins Tor (6.).

Ähnlich wie beim Auftakt gegen die Elfenbeinküste (10:0) hatten die Deutschen das Spiel vom Anpfiff weg im Griff. Diesmal jedoch verschenkten sie fahrlässig ihre Chancen. In den letzten Minuten der ersten Halbzeit leistete sich Neids Mannschaft dann auch noch Unkonzentriertheiten, die für Gefahr sorgten. In der 43. Minute bewahrte Angerer die Deutschen nur mit einem Nadine Reflex vor dem Ausgleich, Isabell Herlovsen hatte aus kurzer Distanz abgezogen. Im Anschluss an den folgenden Eckball musste Angerer erneut eingreifen, diesmal lenkte sie den Ball gerade noch an die Latte.

Die Bundestrainerin ging sichtlich angespannt in die Katakomben - das Spiel war trotz der Überlegenheit der Deutschen längst nicht entschieden. Norwegen verstärkte sein Mittelfeld jetzt mit der erfahrenen Solveig Gulbrandsen, prompt bekam der EM-Zweite mehr Sicherheit in seinen Spielaufbau. Norwegen hatte sich jetzt eingestellt auf das Angriffsspiel der Deutschen und setzte selbst seine schnellen Außenspielerinnen mehr ein. In der 59. Minute wurde Herlovsen schön freigespielt, Saskia Bartusiak war nicht schnell genug und setzte Zentimeter vor dem Strafraum zum Foul an. Es gab Freistoß für Norwegen - und den zirkelte Maren Mjelde zum Ausgleich exakt in den Winkel (61.). Neid wechselte dreimal, um (u.a. mit Lena Lotzen) frische Energie in die Offensive zu bringen. Am Ende aber konnte Deutschland froh sein, dass es beim Warnschuss geblieben war.

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