Süddeutsche Zeitung

Fußballerinnen bei großen deutschen Klubs:Es fehlt die Luft zum Atmen

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Keine 400 Zuschauer im Schnitt: Dass immer mehr Topteams im Frauenfußball unter dem Dach von Männer-Bundesligisten spielen, führt nicht zu mehr Aufmerksamkeit - sondern zu fragwürdigen Tendenzen.

Kommentar von Ulrich Hartmann

Die Fußballerinnen von Borussia Dortmund haben ihre Premierensaison am Mittwochabend mit dem Aufstieg in die Bezirksliga abgeschlossen. Den 4:0-Sieg in der Kreisliga gegen den Stadtteilklub TV Brechten II sahen etwa 1000 Zuschauer. Auf einen vergleichbaren oder höheren Zuschauerschnitt bei Heimspielen kamen in der Frauen-Bundesliga in dieser Saison von zwölf Klubs: fünf.

Bis die BVB-Frauen die Bundesliga bereichern, werden aber noch mindestens fünf Jahre vergehen. Der Klub hat wie der FC Schalke 04 entschieden, seine Fußballerinnen den langen Weg auf sich nehmen zu lassen, statt einem höherklassigen Verein kurzerhand die Lizenz abzuluchsen. Wenn alles glatt geht, steigen Borussia Dortmund und Schalke 04 noch fünf Mal in Serie und 2027 dann Seite an Seite in die Bundesliga auf.

Es gibt also gewisse Gründe, das Jahr 2027 herbeizusehnen. Eine Frauen-Bundesliga ausschließlich mit Markennamen aus dem traditionsreichen Männerfußball suggeriert maximale Attraktivität. Wahr ist aber auch: Werder Bremens Bundesliga-Frauen kamen in der vergangenen Saison auf 365 Zuschauer pro Heimspiel, Bayer Leverkusen auf 333. Frauenfußball ist nicht an allen Standorten bei den Fans beliebt. Trotzdem nehmen auch solche Standorte den Traditionsklubs des Frauenfußballs die Luft zum Atmen.

"Man sollte nicht immer behaupten, wie toll wir sind", sagt Almuth Schult

Aus der Bundesliga verschwunden sind in den vergangenen Jahren die originären Frauenfußballklubs FSV Gütersloh, SC Bad Neuenahr, VfL Sindelfingen, BV Cloppenburg, Herforder SV und zuletzt per Abstieg der SC Sand. Brauweiler-Pulheim hat sich dem 1. FC Köln angeschlossen, der FCR Duisburg dem örtlichen MSV, der USV Jena dem FC Carl Zeiss und der 1. FFC Frankfurt der Eintracht.

Diese Form der Kolonialisierung hat dem Frauenfußball bislang noch nicht den erhofften Erfolg gebracht. Die Wolfsburger Torfrau Almuth Schult, die im Sommer nach Los Angeles wechselt in eine wahrlich aufstrebende Frauenfußball-Branche, sagte dieser Tage bei einem Medientermin: "Man sollte nicht immer behaupten, wie toll wir sind, obwohl wir's doch eigentlich nicht sind."

Das klingt hart, von einer kritischen Insiderin aber umso denkwürdiger. Noch vor 15 Jahren waren von zwölf Bundesliga-Vereinen nur vier bekannte Namen aus der Männer-Bundesliga. In der kommenden Saison sind in Turbine Potsdam und der SGS Essen nur noch zwei traditionelle Frauenfußballklubs vertreten. Auch die Essenerinnen wären um ein Haar abgestiegen, gewannen aber ihr letztes Saisonspiel vor 912 Zuschauern auf einem Ausweich-Sportplatz, nachdem die Fans von Rot-Weiss Essen tags zuvor im Aufstiegsrausch den Rasen im Stadion an der Hafenstraße umgegraben hatten.

Letzter wettbewerbsfähiger reiner Frauenklub ist mithin jener FFC Turbine Potsdam, der in der Bundesliga als Vierter die Champions League knapp verpasst hat und am Samstag in Köln versucht, dem Meister VfL Wolfsburg den achten Pokalsieg in Serie zu verwehren. Das wird schwierig. Im Vorverkauf sind bislang etwa 14 000 Tickets verkauft worden.

In den zwölf Jahren, in denen das Frauen-Pokalfinale nun immer im großen Kölner Stadion ausgetragen wurde, war es nie ausverkauft. Für solch eine Konstellation bedürfte es dereinst vermutlich der Partie Borussia Dortmund gegen Schalke 04 - mit Bengalos, Tumulten und Polizeiaufmarsch. Wenn die Frauen-Bundesliga irgendwann genauso aussieht wie die Männer-Bundesliga - wären dann erst alle zufrieden?

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