Süddeutsche Zeitung

Frauenfußball:Neuer Plan mit Humor

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Der Saisonbeginn der Bundesliga markiert für den FC Bayern den Beginn einer anderen Ausrichtung, die Titel bringen und internationale Konkurrenzfähigkeit garantieren soll.

Von Anna Dreher

Carolin Simon hat auf sehr angenehme Weise einen Hang zu humorvoller Lockerheit. Während der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen diesen Sommer konnten das auch diejenigen sehen, die sonst nicht so viel mit der 26-Jährigen zu tun haben. Auf YouTube wurden mehrere in Frankreich produzierte Kurzfilme der deutschen Nationalmannschaft veröffentlicht, die Spielerinnen sollten den Fans so näher gebracht werden. Mit "einzigartigen Einblicken in das Innenleben des Teams und einem Eindruck davon, was hinter den Kulissen passiert." Wer, lautete zum Beispiel eine Frage, ist der Clown dieser Mannschaft? Sie wurde schnell von anderen und vom Clown selbst beantwortet: Carolin Simon.

Sie pflegt diese Art auch auf ihren Profilen bei sozialen Netzwerken, die inzwischen ja für die meisten Sportler zum beliebten und direkten Sprachrohr geworden sind. Vergangenen Freitag aber wurde Simon ausnahmsweise ernst. Sie verabschiedete sich von und bedankte sich bei Olympique Lyon, immer noch dem Top-Verein schlechthin im Frauenfußball - 2019 Triple-Sieger mit dem vierten gewonnenen Champions-League-Titel in Serie. Aber wohin zieht es jemanden, der schon täglich mit Weltklassespielerinnen unter besten Bedingungen gearbeitet hat?

"Trotz allem habe ich für mich herausgefunden, dass mein Herz mehr Richtung Heimat schlägt", schrieb Simon, gebürtige Kasselerin. Auf dem Foto, zu dem die Abwehrspielerin ihre Zeilen verfasst hat, hält sie ein rotes Trikot mit der Nummer 30 in die Kamera. Ein Trikot des FC Bayern München. Und so ist dem dreimaligen Deutschen Meister wenige Wochen vor dem am 2. September schließenden Transferfenster eine Art Coup gelungen, die deutsche Nationalspielerin zu verpflichten, an der er schon seit Jahren interessiert gewesen ist. Dass dieser Transfer nun geklappt hat, hängt mit der Neuaufstellung der Mannschaft und der Abteilung zusammen.

Während noch vor nicht allzu langer Zeit Spielerinnen in erster Linie von Bundesligist zu Bundesligist wechselten, ist durch die große Investitionsfreude einer wachsenden Zahl französischer, spanischer und vor allem englischer Männerklubs die Konkurrenzsituation auch bei den Frauen innerhalb kürzester Zeit in eine noch nicht gekannte Dimension übergegangen. Europaweit locken Vereine mit guter Infrastruktur, einer durch umkämpftere Spiele attraktiver werdenden Liga - und mehr Geld. "Die Gründe für solche Wechsel sind unterschiedlich. Aber vor zwei Jahren hat das der Markt noch nicht hergegeben", sagt Bayerns sportliche Leiterin Bianca Rech. "Das ist für alle schwierig geworden und damit werden wir weiter zu kämpfen haben. Nicht nur deutsche Top-Fußballerinnen bekommen gute Angebote von namhaften Klubs."

Den FC Bayern haben Abgänge wie von Sara Däbritz, Leonie Maier, Manuela Zinsberger oder auch Fridolina Rolfö geschmerzt. Alles Nationalspielerinnen, teils lange in München, die eine Weiterentwicklung nur in der geografischen Veränderung sahen. "Wir machen uns seit langem Gedanken, wie wir uns neu positionieren können", sagt Managerin Karin Danner. "In Europa geht schon die Post ab und wird auch weiter abgehen. Entweder wir sind dabei - oder wir fallen hinten runter." Ein Vierjahresplan mit der Vision, bald Wolfsburg als nationalen Bestmarkensetzer abzulösen, wurde erstellt. Er umfasst sportliche, wirtschaftliche sowie vereinsinterne Bereiche. Das überzeugte Nationalspielerinnen wie Giulia Gwinn und Linda Dallmann oder auch die Neuseeländerin Ali Riley - die gar den umgekehrten Weg von der Insel wählte.

Der Plan sah auch einen Wechsel auf der Trainerbank vor. Nach neun Jahren wurde der Vertrag mit Thomas Wörle, der die Mannschaft 2015 und 2016 zur Meisterschaft und 2019 ins Halbfinale der Champions League führte, nicht verlängert. Freiburgs früherer Trainer Jens Scheuer soll ab der am Freitag startenden Saison mit dem um sieben Zugänge und neun Weggänge veränderten Kader fußballerisch jene frischen Akzente setzen, die der Verein im Frauenfußball ganz grundsätzlich stärker setzen will. Die Entwicklung dreht sich in einer Spirale, die Bayern München am liebsten aus der aufsteigenden Perspektive zu betrachten hofft: In der Liga, im Pokal und in der Champions League erfolgreich sein, dadurch für aktuelle und künftige Spielerinnen attraktiv, dadurch weiter sportlich und finanziell erfolgreich usw.

Und es ist nicht so, dass das nicht schon versucht wurde - es ist nur nicht bis in letzter Konsequenz gelungen. Was bis heute fehlt, ist eine herausragende Ausnahmespielerin wie Wolfsburgs Pernille Harder. Es dürfte unmöglich sein, eine solche jetzt noch zu verpflichten, auch wenn Bayern weiter sucht - komödiantisches Talent als Zusatzqualifikation muss gar nicht sein.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2019
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