Frauenfußball:Mit Currywurst und Pommes

Horst Hrubesch verabschiedet sich mit einem Unentschieden als Bundestrainer der deutschen Fußballerinnen und übergibt den Job an Martina Voss-Tecklenburg.

Von Anna Dreher, Erfurt

Hach ja, wird sich Horst Hrubesch auch an diesem Abend zwischendurch gedacht haben, wenn ich doch jünger wäre. Der wohlverdiente Ruhestand wäre in angenehmer Ferne, für geplante Reisen bliebe genug Zeit. Und er könnte noch als Bundestrainer der deutschen Fußballnationalmannschaft der Frauen arbeiten. "Wenn ich 60 wäre, würde ich weitermachen", hatte er in diesen Tagen gesagt. Aber den Alterungsprozess beeinflussen, das kann selbst Hrubesch nicht. Und so war es am Dienstag nach einer langen, erfolgreichen Karriere als Spieler, Trainer und in den vergangenen 18 Jahren multifunktional einsetzbarer DFB-Angestellter doch so weit: Es gab das tatsächlich und wirklich letzte Länderspiel von Horst Hrubesch als Nationaltrainer. Zumindest Stand jetzt.

Als die torlosen 90 Minuten gegen Spanien zu Ende waren, ging Hrubesch mit in die Kabine. An seinem letzten Abend als Übergangstrainer zwischen Steffi Jones und Martina Voss-Tecklenburg, die den Bundestrainer-Job am 30. November offiziell übernimmt, wollte er sich bei seinen Spielerinnen bedanken: für die in den acht Monaten immer besser funktionierende Umsetzung seiner Spielidee. Und für Dinge, die Hrubesch ganz persönlich betonen wollte und in den vergangenen Wochen bereits öffentlich angesprochen hatte: "Die Art, wie sie mit mir umgegangen sind, war überragend. Das hat von Anfang an gut gepasst und ist dann immer mehr zusammengewachsen. Es hat auch zwischenmenschlich vieles gestimmt. Es herrscht ein richtiges Miteinander."

firo :  13.11.2018 Fußball, Saison 2018/2019, Frauen , DAMEN  NATIONALMANNSCHAFT Länderspiel Freundschaftsspiel: - Deutschland - Spanien

Beliebt bei Zuschauern und Spielerinnen: Trainer Horst Hrubesch (unten mit Lina Magull).

(Foto: Jürgen Fromme/firo Sportphoto)

Zum Abschied bekam der 67-Jährige ein Trikot der Nationalmannschaft mit persönlichen Widmungen seiner Spielerinnen. "Es war eine prägende Zeit mit Horst", sagte Lina Magull. Von einer solchen Legende lerne man "für sein Spiel, aber auch fürs Leben. Wir schätzen ihn alle sehr". Zum Essen gab es Currywurst mit Pommes und zum Nachtisch Schokoladenkuchen, sein Lieblingsgebäck. Immerhin diesen Wunsch hatte sich der Europameister von 1980 dann doch erfüllen lassen.

Und während das deutsche Team mit Hrubesch in Erfurt zusammen saß und eine sehr erfolgreiche und prägende Zeit abschloss, gab Martina Voss-Tecklenburg nach ihrem letzten Spiel als Trainerin der Schweiz in Schaffhausen Interviews, die sie lieber mit einer anderen Tonalität gegeben hätte. Wie für den Noch-Bundestrainer endete auch der Arbeitstag der Bald-Bundestrainerin mit einem Unentschieden. Blöderweise nicht in irgendeinem Länderspiel, sondern in der entscheidenden Playoff-Partie zur WM-Qualifikation. Das 1:1 gegen die Niederlande reichte der Schweiz nach einem 0:3 im Hinspiel nicht, um nächstes Jahr nach Frankreich zur WM zu reisen. "Ich bin sehr, sehr traurig", sagte Voss-Tecklenburg der Schweizer Zeitung Blick. "Es überwiegt aber die Dankbarkeit für eine wunderbare Zeit, die mir auch eine neue Möglichkeit eröffnet hat, die ich ansonsten eventuell nicht bekommen hätte."

Frauenfußball: Martina Voss-Tecklenburg wird neue Bundestrainerin der Deutschen Frauen-Nationalmannschaft.

Martina Voss-Tecklenburg hat in 125 Länderspielen viermal die EM und einmal fast die WM gewonnen. Wie erfolgreich sie als Bundestrainerin sein wird, kann sie bald zeigen.

(Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Fast sieben Jahre lang hat die 50-Jährige den Schweizer Frauenfußball geprägt und mit der Leitung der Fußballakademie Aufbauarbeit geleistet. Mit Voss-Tecklenburg, die als Spielerin 125 Länderspiele für Deutschland bestritt und vier EM-Titel gewann, qualifizierte sich die Schweiz 2015 erstmals für eine Welt- und 2017 erstmals für eine Europameisterschaft. Mit ihrem Wechsel zum DFB endet in der Schweiz die bisher erfolgreichste Ära im Frauenfußball. Die Sichtweise auf die Duisburgerin ist dort geprägt von Respekt. Sie gilt als eine, die Strukturen verbessert und die Professionalisierung vorangetrieben hat. Als eine, die Spielerinnen eine vertrauliche Ansprechpartnerin war. Und die den Frauenfußball zu größerer gesellschaftlicher Akzeptanz und Aufmerksamkeit geführt hat. Zum Spiel am Dienstag kamen 5148 Zuschauer - so viele wie noch nie bei einem Frauen-Länderspiel in der Schweiz. Voss-Tecklenburgs Leidenschaft für den Sport sei einzigartig, sagte die frühere Potsdamerin Lia Wälti, "auch als Mensch ist sie uns ans Herz gewachsen".

Nicht zuletzt ihre ganzheitliche, engagierte Herangehensweise dürfte entscheidend für die Verpflichtung von Voss-Tecklenburg beim DFB gewesen sein. Deutschland muss aufpassen, als ehemals so dominierende und lange quasi selbstverständlich Titel gewinnende Nation nicht den Anschluss zu verpassen bei der internationalen Entwicklung des Frauenfußballs. Das wurde im vergangenen Jahr bei der EM besonders deutlich, als der Olympiasieger mit Steffi Jones schon im Viertelfinale ausschied. Gestaltet und mit dem Ball gezaubert hatten andere: England, Titelgewinner Niederlande oder Finalist Dänemark unter Nils Nielsen, 47, der Voss-Tecklenburg nun in der Schweiz nachfolgt.

Die zuvor verunsicherte deutsche Mannschaft ist in den vergangenen Monaten wieder selbstbewusster aufgetreten. Die Integration neuer Spielerinnen ist Hrubesch früh angegangen. Sie klappt, weil sich alle als Teil der Mannschaft fühlen und auch das System funktioniert: Wenig Ballkontakte, viel Kommunikation.

Dass Spielerinnen und Funktionäre wieder optimistisch sind, liegt sicher an der künftigen Bundestrainerin - vor allem aber liegt es an Horst Hrubesch.

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