Eigentlich stecken Kanadas Nationalspielerinnen gerade mitten in den Vorbereitungen auf den SheBelieves Cup. Das Einladungsturnier markiert für sie den Start ins WM-Jahr, am Donnerstag treten sie gegen die Weltmeisterinnen aus den USA in Orlando an, anschließend gegen Brasilien und Japan. Alles anspruchsvolle Gegnerinnen, ideal, um herauszufinden, woran es noch hapert. Ganz aufs Sportliche können sie sich jedoch nicht konzentrieren - der Streit zwischen ihnen und dem kanadischen Fußballverband um Einsparungen und angeblich mangelnde Unterstützung ist eskaliert.
Am Freitag veröffentlichten die Olympiasiegerinnen von 2020 ein Statement, in dem es hieß, das Nationalteam sei empört und tief beunruhigt angesichts angekündigter erheblicher Kürzungen wenige Monate vor der WM, die vom 20. Juli bis 20. August in Australien und Neuseeland stattfindet. Das Training und Besprechungen am Samstag boykottierten sie.
"Von diesem Moment an werden wir an keinen Aktivitäten teilnehmen, bis alles geklärt ist - ob das Training ist, ob das Spiele sind. Genug ist genug", sagte Kapitänin Christine Sinclair dem kanadischen Fernsehsender The Sports Network (TSN). In dem Schreiben kündigten die Spielerinnen an, bereit zu sein, "alles Erforderliche zu tun, um ein öffentliches Bewusstsein für diese Krise zu schaffen und Canada Soccer zu zwingen, die Nationalteams angemessen zu unterstützen". Vorerst also streikten sie, wie in der Vergangenheit bereits die Nationalspielerinnen Australiens, Dänemarks und Spaniens.
"Wir sind es leid, anhaltend für eine faire und gleiche Behandlung kämpfen zu müssen", schreiben die Spielerinnen
Der kanadische Verband verteidigte sich, die Gehaltsgerechtigkeit stehe im Mittelpunkt der Verhandlungen, ohne sie werde auch Canada Soccer keinem Deal zustimmen. Deshalb sei nach monatelangen Gesprächen "bereits eine einvernehmliche rückwirkende Zahlung veranlasst" worden. Es brauche einen Tarifvertrag, um die Zukunft verantwortungsbewusst zu planen. Ähnlich wie in den USA werden die Spielerinnen und Spieler von zwei unterschiedlichen Gewerkschaften vertreten, beide verhandeln derzeit über einen neuen Kontrakt, dabei geht es auch um die Angleichung der Entlohnung. Vor Monaten sei beiden Nationalteams ein "auf Gerechtigkeit basierender Vorschlag" vorgelegt worden, teilte der Verband nun mit, "wir warten immer noch auf eine endgültige Antwort auf die Bedingungen".
Der Vorschlag jedoch scheint Sinclair und ihren Kolleginnen nicht weitreichend genug zu sein. Gegenüber TSN sagte die 39-jährige Rekordnationalspielerin ihres Landes (319 Spiele) und beste Torschützin aller Nationalteams (190 Tore) gar, der Verband habe das Entschädigungspaket pausiert und wolle sein Angebot umstrukturieren: "Sie haben in ihrer Aussage einfach nur gelogen, und jetzt wird die Öffentlichkeit belogen. So funktionieren sie." Das Männer-Team unterstützt die Position der Frauen und veröffentlichte ebenfalls ein Statement. Im Sommer 2022 war es im Streit über Preisgeldverhandlungen für die WM in Katar - ebenfalls fünf Monate vor Turnierstart - selbst in den Streik getreten und zeigte sich nun "zutiefst enttäuscht". Wie Canada Soccer Gelder zuweise oder verwende, sei unklar und geheim, entsprechende Anfragen seien abgelehnt oder ignoriert worden.
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Die Nationalspielerinnen beklagen, dass die WM-Vorbereitung "durch die anhaltende Unfähigkeit von Canada Soccer, seine Nationalteams zu unterstützen" kompromittiert werde. Der Verband habe die Umfänge der Trainingslager gekürzt, die Anzahl teilnehmender Spielerinnen und Mitarbeiter verringert sowie Maßnahmen der Nachwuchsteams weiter eingeschränkt. Außerdem herrsche große Ungewissheit über die Vergütung. Mehr als ein Jahr sei verhandelt worden: "Wir sind es leid, anhaltend für eine faire und gleiche Behandlung kämpfen zu müssen." Den Frauen werde gesagt, es sei nicht genug Geld für eine adäquate Finanzierung vorhanden. Dabei sei Fußball in Kanada so beliebt und die Nationalteams - auch finanziell - so erfolgreich wie nie.
Der Streik ist vorbei, der Konflikt aber längst nicht beigelegt
Um ihren Standpunkt zu unterstreichen, veröffentlichte beispielsweise Sinclair bei Twitter eine Finanzübersicht der Canadian Soccer Association. Während 2021 ca. elf Millionen kanadische Dollar (7,7 Millionen Euro) für die Männer ausgegeben wurden, waren es für die Frauen 5,1 Millionen (3,5). Für vergangenes Jahr sind die Zahlen noch nicht bekannt. Im Sender TSN merkte Sinclair an, dass schlecht verhandelt werden könne, wenn unklar sei, was vor der WM 2022 für die Männer aufgebracht worden sei. "Wir werden von Canada Soccer erneut zutiefst respektlos behandelt", hieß es im Statement der Nationalspielerinnen. Dass bei der WM 2023 eine Top-Leistung erwartet werde, obwohl sie nicht die gleiche Unterstützung erhielten, sei "eine inakzeptable Belastung".
Dennoch war der Streik nach nur einem Tag vorerst beendet. Am Samstag setzten sich beide Seiten für eine Krisensitzung zusammen, Vertreter des Verbandes mit Vertretern der Gewerkschaft Canadian Soccer Players Association. Die Bedenken seien im Detail diskutiert worden, teilten die Nationalspielerinnen mit. Sollten sie jedoch nicht gegen die USA antreten, habe ihnen der Verband vor dem Treffen Konsequenzen angedroht. Nicht nur würde man "rechtliche Schritte einleiten, um uns zurück auf den Platz zu zwingen, sondern auch Schritte in Erwägung ziehen, um Schadensersatz womöglich in Millionenhöhe" von der Gewerkschaft und dem aktuellen Kader zu fordern: "Dieses Risiko können wir nicht eingehen", teilten die Spielerinnen mit. Der Verband entgegnete, er respektiere das Vereinigungsrecht, ein Streik sei jedoch gemäß dem Arbeitsrecht von Ontario gar nicht legal.
"Um das klarzustellen", schrieb Christine Sinclair bei Twitter: "Wir werden gezwungen, kurzfristig wieder zu arbeiten. Es ist nicht vorbei. Wir werden weiterhin für alles kämpfen, was wir verdienen, und wir werden gewinnen." Ihr Zorn auf den Verband dürfte nur noch größer sein, auch wenn Canada Soccer auf die Forderungen eingehen will und anerkannte: "Es gibt noch viel zu tun."