Süddeutsche Zeitung

Frauenfußball:Im Zeichen des Angriffs

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Ein Jahr nach dem bislang größten Umbruch folgt der nächste: So will der FC Bayern den Plan umsetzen, mit seinen Bundesliga-Fußballerinnen kontinuierlich Titel zu holen.

Von Anna Dreher

Die Tränen von Verena Schweers sind schon ein Zeichen der bevorstehenden Veränderung gewesen. Der letzte Spieltag der Saison, durch das Coronavirus eine der ungewöhnlichsten für die Fußballbundesliga der Frauen, war gerade abgepfiffen worden. Der FC Bayern München hatte dank eines 3:0 bei der SGS Essen am Sonntag noch den zweiten Rang hinter Meister VfL Wolfsburg verteidigt und sich damit erneut für die Champions League qualifiziert. Und Schweers stand auf dem Platz, umarmte und wurde umarmt, und Tränen kullerten ihre Wangen hinunter. Aber es waren keine Tränen der Erleichterung darüber, auch nächste Saison international zu spielen. Oder Tränen der Freude auf das Finalturnier der diesjährigen Champions League Ende August, bei dem Bayern im Viertelfinale auf Titelverteidiger Olympique Lyon trifft. Es waren Tränen des Abschieds.

Vor einem Jahr hatte der FC Bayern München einen seiner größten Umbrüche des Frauenteams in Kombination aus Jens Scheuer als neuem Trainer sowie neun Weggängen und sieben Zugängen vollzogen. Seit Dienstag ist offiziell, dass erneut ein größerer Personalwechsel kommt, er steht im Zeichen des Angriffs.

Im März hatte der FC Bayern bekannt gegeben, dass er eine seiner wichtigsten und prägendsten Spielerinnen der vergangenen Jahre verliert: Kapitänin Melanie Leupolz wird künftig für den englischen Meister Chelsea LFC spielen. Vor der Partie in Essen gab Nicole Rolser ihr Karriereende bekannt. Ebenso stand fest, dass die frühere zweimalige Bundesliga-Torschützenkönigin Mandy Islacker nach Köln umzieht. Erst am Dienstag jedoch wurde die Liste komplettiert: Auch Dominika Škorvánková (Montpellier HSC), Verena Schweers, Emily Gielnik, Jacintha Weimar und Nationalspielerin Kathrin Hendrich gehen. Letztere, wie vergangenes Jahr Fridolina Rolfö, zu Dauerrivale Wolfsburg.

Dass nur ein Jahr nach dem größten Umbruch direkt wieder so viele Spielerinnen den Klub verlassen, war in dieser Form nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Dass viel neues Personal kommt, hatte Bayerns Sportliche Leiterin Bianca Rech indes im April angekündigt, "mit dem ein oder anderen Transfer, der überraschen wird - wir wollen angreifen". Rech und Managerin Karin Danner verfolgen den Plan, national nach den Meisterschaften 2015 und 2016 wieder Titel zu gewinnen und den Klub international weiter zu etablieren - um auch dadurch auf dem Transfermarkt chancenreich zu bleiben.

Wie ambitioniert Rech und Danner ihrem Vorhaben nachgehen, zeigten bereits Zugänge wie Giulia Gwinn, Carolin Simon und Linda Dallmann, die zuletzt besonders hervorstach. Wenn es schon schwieriger geworden ist, internationale Topstars in die Bundesliga zu locken, die meist lieber nach England, Spanien oder Frankreich wechseln, so will Bayern für deutsche Nationalspielerinnen zur ersten Adresse werden. Klara Bühl (SC Freiburg) und Lea Schüller (Essen) sollen für eine hohe Torquote und Marina Hegering (Essen) für Stabilität in der Defensive sorgen. Hinzu kommt die österreichische Mittelfeldspielerin Sarah Zadrazil (Turbine Potsdam) - sowie in der schwedischen WM-Dritten Hanna Glas (Paris Saint Germain) und der drittbesten Torschützin der französischen ersten Liga Viviane Asseyi (FC Girondins Bordeaux) international bekannte Namen.

So sollen nächste Saison jene Ziele erreicht werden, die schon diese Spielrunde verfolgt, aber nicht geschafft werden konnten. Ein Titel zum Start, so hatte sich das Scheuer vorgestellt. "Der Weg, wie wir ihn jetzt bestritten haben, war beeindruckend. Genauso wollen wir auch künftig auftreten - immer souverän, immer dominant und immer mit Spielfreude", sagte er zum Abschluss seines Premierenjahres. Letztlich konnte einzig die Champions-League-Qualifikation erreicht werden, abgesehen von der bleibenden Hoffnung auf eine große Sensation im August. Im Pokalachtelfinale schied Scheuers Team gegen den VfL Wolfsburg aus, der sich auch in der Liga als zu stark erwies. "Bayern hat das gleiche Potenzial, aber unnötigerweise hier und da Punkte liegen lassen", analysierte VfL-Sportdirektor Ralf Kellermann treffend.

Genau das machte am Ende die Differenz von acht Punkten aus und zeigte, dass Bayerns Kader zwar stimmig zusammengestellt, nach dem Umbruch aber noch nicht so gut eingespielt war. Das zu ändern, wird auch nun die Herausforderung sein. Was die Konkurrenz also womöglich ungern hört: Der Umbruch diesen Sommer soll vorerst der letzte in dieser Dimension gewesen sein. Irgendwann soll der Plan schließlich aufgehen.

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SZ vom 02.07.2020
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