Frauenfußball-EM:Nervosität lähmt die deutsche Elf

  • Zum Auftakt der Frauenfußball-EM fehlt der deutschen Nationalmannschaft vor allem die Präzision im Angriff.
  • Vor dem nächsten Spiel gegen Italien will die Bundestrainerin die Startaufstellung ändern.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen im Frauenfußball.

Von Anna Dreher, Breda

Dzsenifer Marozsán legte die Stirn in Falten, kratzte sich an der Augenbraue und schaute sehr nachdenklich. Die Spielführerin der deutschen Frauenfußballnationalmannschaft saß im Scheinwerferlicht bei der Pressekonferenz. In Gedanken aber schien die 25-Jährige noch auf dem Rasen des Rat-Verlegh-Stadions in Breda zu sein. Ihr Auftaktspiel zur Europameisterschaft in den Niederlanden hatten die Deutschen gegen Schweden zwar nicht verloren, aber eben auch nicht gewonnen. 0:0 trennten sich die beiden Mannschaften.

Die ehrgeizige Marozsán schien das zu beschäftigen. Dass sie vom europäischen Fußballverband Uefa zur besten Spielerin an diesem Abend gewählt wurde, war nur ein schwacher Trost. Sie bedankte sich knapp dafür und nickte kurz - die Stirn immer noch in Falten gelegt. "Ich versuche immer, das Positive zu sehen. Wir haben von Anfang an den Kampf angenommen und uns gute Chancen erspielt", sagte sie. "Aber wir waren nicht präzise genug und in der ersten Halbzeit waren wir zu nervös und hatten großen Respekt vor dem Gegner."

Die Statistik hatte für das Team von Bundestrainerin Steffi Jones gesprochen: Elf Siege in 13 Pflichtspielen, darunter das Finale der Olympischen Spiele von Rio 2016 und das Halbfinale der EM 2013 im Heimatland des skandinavischen Dauerrivalen. Aber an diesem Abend war die Statistik eben nur Statistik und die vielen Floskeln aus "Jedes-Spiel-beginnt-bei-null" oder "Was-in-der-Vergangenheit-war-ist-egal", die vor dem Anpfiff von manchen Spielerinnen gesagt wurden, bekamen ihre Berechtigung.

Dabei war Schweden so aufgetreten wie gedacht: Tiefstehend, defensiv kompakt und auf die Schnelligkeit ihrer Offensivspielerinnen bauend. Die erhofften drei Punkte waren dennoch nicht drin. "Ich habe der Mannschaft gleich gesagt, dass sie nicht enttäuscht sein soll. Das war unser erstes Spiel, ich sehe das auch als Lernprozess für das ganze Team", sagte Jones. "Wir waren alle froh, dass das Turnier endlich für uns losgegangen ist."

Steffi Jones steht angespannt am Spielfeldrand

Die Freude auf das erste Spiel wich nach den ersten Minuten aber ziemlich schnell dem Ernst bei der Suche nach Lösungen. Jones stand ununterbrochen am Rand ihrer Coachingzone, sie war angespannt und versuchte, ihre Spielerinnen durch die engen Räume zu dirigieren. Das klappte auch ganz gut, zumindest bis der Strafraum näher kam. Spätestens dann fehlte es an Ruhe und Präzision, oft wurde der Abschluss gesucht, obwohl die schwedische Viererkette um Abwehrchefin Nilla Fischer den Weg zum Tor dichtmachte.

Dass sie vor allem in der ersten Hälfte viel zu nervös waren, darüber waren sich nachher alle Spielerinnen einig. "Mit der ersten Halbzeit können wir nicht zufrieden sein, auch wenn es uns Schweden echt schwer gemacht hat", sagte Anja Mittag, die beim schwedischen FC Rosengård unter Vertrag steht. "Das waren Schusselfehler, wahrscheinlich aufgrund der Nervosität."

Bundestrainerin Jones kündigt Wechsel an

Die Erwartungen an die deutsche Nationalmannschaft waren vor dem Spiel gegen Schweden so, wie sie bei anderen Turnieren auch sind: groß. Das Team um Jones war damit von Beginn an souverän umgegangen, auch deshalb, weil sie selbst überzeugt davon sind, den Titel gewinnen zu können. Entsprechend zuversichtlich war Jones in das schwierige Duell am Montagabend gegangen. "Es ist mein erstes Turnier als Trainerin und dann direkt der Klassiker gegen Schweden zum Auftakt", sagte die 44-Jährige. "Aber es ist nicht so, dass ich irgendwelche Ängste hätte." Ihre Mannschaft sei wahnsinnig ausgeglichen und variabel, außerdem habe sie spielerisch draufgelegt.

Doch Marozsán, die mit ihren Toren in der Vergangenheit Begegnungen gegen Schweden entschieden hatte, konnte das Spiel der Deutschen nicht wie sonst gestalten und lenken. Sobald die Spielerin von Olympique Lyon am Ball war, kam mindestens eine ihrer Bewacherinnen und störte sie im Spielaufbau. Dass sich Schweden tief in die eigene Hälfte stellte und auf Konter lauerte, machte es der deutschen Mannschaft nicht einfacher. Wenn Deutschland vor das Tor der Schwedinnen kam - was in der zweiten Hälfte öfter gelang -, war entweder der Abschluss zu ungenau oder Schwedens Torhüterin Hedvig Lindahl stellte sich in den Weg. Die Frische der Deutschen, die an diesem Abend mit fünf EM-Neulingen spielten, und die große Erfahrung im schwedischen Kader glichen sich phasenweise aus.

Dass sich ihre Mannschaft bis zum nächsten Spiel am Freitag gegen Italien (20.45 Uhr / ARD) in der Offensive noch steigern muss, bedurfte keiner intensiven Analyse. "Auf Italiens Spielstil müssen wir uns noch mal anders einstellen, aber unsere Spielerinnen sind alle gut - ich kann wechseln und ich werde wechseln", sagte Steffi Jones. Dzsenifer Marozsán war da längst nicht mehr auf dem Podium - und in Gedanken wohl immer noch auf dem Platz.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: