Süddeutsche Zeitung

Frauenfußball-EM:Jones bekämpft Schwäche mit Vertrauen

  • Im letzten EM-Gruppenspiel muss die deutsche Nationalmannschaft gegen Russland mindestens unentschieden spielen, um sicher im Viertelfinale zu stehen.
  • Doch die DFB-Elf hadert mit dem Torabschluss - lässt die Souveränität vermissen. Bundestrainerin Steffi Jones glaubt dennoch an die Stärke ihrer Mannschaft.
  • Hier geht es zum Liveticker Deutschland gegen Russland.

Von Anna Dreher , Sint-Michielsgestel

Steffi Jones machte die Übung langsam vor. Erst das linke Bein über den Ball, dann das rechte. Noch mal: Links, rechts, Übersteiger. Verstanden? Der kleine Junge nickte schüchtern, dann machte er die Übung nach, konzentriert, er kannte sie ja noch nicht. Aber es klappte ganz gut, und Jones freute sich. Während die Bundestrainerin vor dem Training mit der Frauenfußballnationalmannschaft Zeit für trickreiche Basisarbeit fand, liefen sich die Spielerinnen warm. Die Übungen, die sie später erwarten sollten, musste Jones nicht so langsam zeigen - mit Grundsätzlichem hatten aber auch sie zu tun: Die deutsche Mannschaft trainierte Torabschlüsse. Mal wieder.

Vor dem Beginn der Europameisterschaft in den Niederlanden war eine deutliche Dominanz dieser Mannschaft erwartet worden, die nun mal für einen Verband antritt, der dieses Turnier sechs Mal in Serie gewonnen hat, mehr Favorit geht nicht. Doch nun steht für Steffi Jones schon früher als gedacht die erste Bewährungsprobe als Trainerin bevor.

Deutschland ist nach den Gruppenspielen gegen Schweden (0:0) und Italien (2:1) punktgleich Zweiter hinter den Skandinavierinnen. Die Ausgangslage auf dem Weg ins Viertelfinale ist mit vier Zählern nicht die schlechteste. Aber die Torausbeute hinterlässt eine gewisse Verunsicherung ob des erwarteten, erklärten und vom Team auch oft bestätigten Ziel. "Wir wollen wieder Europameister werden", hatte Jones vor dem Turnier gesagt: "Ich habe eine sensationelle Truppe. Das einzige Team, das uns schlagen kann, sind wir selbst."

Damit hat sie mehr Weitblick bewiesen, als ihr momentan lieb sein dürfte. Gegen Italien war die Mannschaft auf einen Torwartfehler und einen Elfmeter angewiesen - und auf ihre Innenverteidigerinnen Josephine Henning und Babett Peter. Im letzten Gruppenspiel gegen Russland am Dienstagabend (20.45 Uhr im SZ-Liveticker) muss Deutschland mindestens unentschieden spielen, um unabhängig vom Ergebnis Schwedens ins Viertelfinale zu kommen. Gegen einen Gegner, der bei einer EM noch nie die Gruppenphase überstanden hat, dürfte das kein Problem sein. Selbst Russlands Trainerin Jelena Fomina sagte vor der EM: "Unsere Mannschaft kann die Deutschen nicht schlagen."

Wenn da nur die momentane Abschlussschwäche nicht wäre.

Jones war zuletzt deutlich geworden. "Die Mannschaft weiß, dass sie sich steigern und ihre Qualität abrufen muss", sagte die 44-Jährige, sie vermisst in ihrer Mannschaft die Souveränität. Doch sie spricht auch von Zuversicht, "dass der Knoten platzen wird". Jones war selbst Nationalspielerin, sie weiß aus eigener Erfahrung, wie sich solche Situationen anfühlen. 111 Mal spielte die frühere Innenverteidigerin zwischen 1993 und 2007 für Deutschland, wurde dreimal Europa-, einmal Weltmeisterin und gewann zweimal Bronze bei Olympischen Spielen. Sie gehörte zu jener Generation, die den Frauenfußball in Deutschland populär machte.

Nach ihrer Profikarriere war sie dann zunächst in die Organisation beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) eingebunden. Ihre Premiere als Trainerin im September 2016 als Nachfolgerin von Silvia Neid, der sie zuvor ein Jahr lang assistierte, war entsprechend mit Skepsis betrachtet worden - die Erwartungen an die deutsche Mannschaft sind nun mal immer hoch. Die Frankfurterin besänftigte ihre Kritiker mit klaren Konzepten und ihrer kommunikativen Art. Und trotzdem: Zur EM fuhr sie nur mit der Erfahrung aus zehn Länderspielen.

Dass sie dem Anspruch nicht gerecht werden könnte, steht für Jones, die Perfektionistin, nicht zur Debatte. Sie betont immer wieder, dass sie ihrer Mannschaft vertraut. Aber: "Wir müssen aus unseren Fehlern lernen, und die Spielerinnen müssen es jetzt umsetzen", sagt Jones, "sonst wird es schwer, unsere Ziele zu erreichen."

Ihr Anspruch war und ist, den Frauenfußball weiterzuentwickeln. Und so hat sie auch als Trainerin einiges verändert bei der Nationalmannschaft. Sie veränderte Abläufe und das Team hinter dem Team, probierte viel aus und entschied sich schließlich für ein neues, offensiver ausgerichtetes Spielsystem. Auch grundsätzliche Themen bespricht Jones im offenen Austausch mit ihren Spielerinnen - das gab es in dieser Form vorher nicht. "Wer seine Leistung bringt, bekommt eine Chance bei Steffi", sagte kürzlich Torhüterin Almuth Schult in einem Interview: "In der Mannschaft herrscht eine richtige Euphorie. Das ist super für unseren Mannschaftsgeist. Das war nicht immer so."

Als Jones im September 2016 das erste Mal als Bundestrainerin an der Seitenlinie stand, spielte ihre Mannschaft gegen Russland. Steffi Jones blickt zwar lieber nach vorne, als zurück. Diesmal dürfte sie zur Einstimmung eine Ausnahme machen. Damals schoss Deutschland vier Tore - und gewann 4:0.

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SZ vom 25.07.2017/tbr
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