Frauenfußball-EM:DFB-Team strahlt "positive Arroganz" aus

Germany Women's Training And Press Conference

Da trainiert sich's gleich viel besser: Das deutsche Team will den neunten EM-Titel.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Die deutsche Frauen-Fußball-Nationalmannschaft startet am Montag in die Europameisterschaft in den Niederlanden.
  • Das Team von Steffi Jones genießt dabei optimale Rahmenbedingungen und hat den Titel als Ziel ausgegeben.
  • Ein Erfolg wäre bereits der siebte EM-Triumph in Serie.

Von Anna Dreher, Sint-Michielsgestel

Das große Taktieren ging schon los, noch bevor die deutsche Frauenfußball-Nationalauswahl richtig angekommen war. Lina Magull, Mandy Islacker und Almuth Schult saßen an einem Tisch im Mannschaftshotel, sie wirkten konzentriert, aber nicht besonders ernst. Dabei ging es um eine durchaus seriöse Angelegenheit, und keine wollte verlieren - auch nicht bei einer Runde "Vier gewinnt". Das Aufwärmen vor dem Ernstfall begreift der Titelfavorit dieser Europameisterschaft in den Niederlanden (16. Juli bis 6. August) als ganzheitliche Angelegenheit, auch abseits des Fußballplatzes.

Dabei ist die Stimmung vor dem Start des Turniers auffällig gelassen. Nach der Ankunft waren die Nationalspielerinnen vor allem lachend zu sehen, ob auf oder neben dem Platz. "Wir freuen uns, dass wir jetzt endlich zeigen können, was wir uns in den vergangenen Monaten erarbeitet haben", sagte Bundestrainerin Steffi Jones beim ersten Training am Mittwochnachmittag. "Wir fiebern alle dem Auftakt am Montag gegen Schweden entgegen. Wir wissen, was wir können."

Neun Kilometer entfernt von 's-Hertogenbosch ist ihr Team im idyllischen Sint-Michielsgestel untergebracht - so gut wie in den vergangenen Jahren nicht. In Schweden und bei der Weltmeisterschaft in Kanada beispielsweise schliefen die Nationalspielerinnen noch mitten in der Stadt, zum Teil in den gleichen Hotels wie die Konkurrenz. Jones' Vorgängerin Silvia Neid beschwerte sich nicht nur einmal über mangelnde Professionalität der Fifa und erzählte von unangenehmen Treffen mit Gegnerinnen im Fahrstuhl oder in der Lobby.

Zwanghafter Smalltalk auf dem Weg zum Frühstück bleibt der Nationalmannschaft in diesem Jahr also erspart, und auch sonst scheinen die Rahmenbedingungen so ideal zu sein wie selten. Erstmals muss der Tross der Frauen nicht zu den einzelnen Spielen umziehen, sondern kann wie die Männer während der Gruppenphase an einem Ort bleiben. "Ich bin überwältigt davon, wie wir hier leben können, was für einen Luxus wir während des Turniers haben", sagte EM-Neuling Linda Dallmann, "darüber können wir uns wirklich freuen, das ist nicht selbstverständlich."

Wer aus der langen Allee aus dem typisch niederländischen Städtchen mit Backsteinhäusern und schmalen Straßen in die Einfahrt des "De Ruwenberg Hotel" kommt, wähnt sich eher in einer Filmkulisse mit dem von Teichen umsäumten Hof und einem weißen Hotel, das mit seinem Turm an eine Kirche erinnert. Die Olympiasiegerinnen belegen einen kompletten Gebäudeflügel, jede Spielerin hat ein Einzelzimmer. "Wir fühlen uns hier super wohl", schwärmte auch Sara Däbritz auf der ersten Pressekonferenz am Donnerstag. "Wir wurden von allen so freundlich empfangen, die Leute hier sind wirklich nett."

Die Elf ist positiv arrogant

Sie alle, das war deutlich heraus zu hören, würden gerne möglichst lange in den Niederlanden bleiben. Das Ziel ist klar: Die Mannschaft will zum neunten Mal Europameister werden, es wäre der siebte Gewinn des kontinentalen Titels hintereinander. "Die Spielerinnen sind davon überzeugt, sie zeigen eine große positive Arroganz, so wie ich mir das gewünscht habe", sagt Steffi Jones. Dass diese Europameisterschaft für die 44-Jährige ihr erstes Turnier als Bundestrainerin ist, scheint kaum eine Rolle zu spielen bei der Zielsetzung. Die Ansprüche an sie und die Spielerinnen sind die gleichen wie zuvor unter Silvia Neid. Vom Rekordsieger werden Erfolge erwartet - auch wenn Jones inzwischen schon oft betont hat, dass die EM aus ihrer Sicht noch zu früh kommt. Nur zehn Monate hatte sie Zeit, um einem neu zusammen gestellten Kader ihre Spielidee beizubringen.

Neben dem sportlichen Erfolg bei dem Turnier, an dem erstmals 16 statt zwölf Länder teilnehmen, hätte ein längerer Aufenthalt in den Niederlanden auch finanzielle Vorteile. Der Mannschaftsrat hat mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) eine deutlich höhere Prämie ausgehandelt als noch vor vier Jahren. Während es damals für den Sieg im Finale gegen Norwegen noch 22 500 Euro für jede gab, erhalten die Spielerinnen 2017 im Erfolgsfall 37 500 Euro, für den Finaleinzug 20 000 und fürs Erreichen des Halbfinales immer noch 10 000 Euro. "Wir haben es bewusst so gemacht, dass wir erst ab dem Halbfinale honoriert werden, weil wir einen hohen Anspruch haben. Wir wissen, was in uns steckt", sagte Däbritz, die Teil des Rates ist.

"Irgendwann muss Deutschland verlieren"

Unruhe kam im Team auch nicht auf, als bekannt wurde, dass die niederländische Anti-Terror-Behörde NCTV Ermittlungen aufgenommen hat - wegen Hinweisen auf einen geplanten Anschlag des sogenannten "Islamischen Staats" auf das Spiel England - Schottland am 19. Juli. "Wir haben das mitbekommen, fühlen uns aber sicher. Es kommt keine Angst auf."

"Wir vertrauen auf die Behörden", sagt Sara Däbritz. Bevor die Europameisterschaft am Sonntag mit dem Spiel des Gastgebers gegen Norwegen (18 Uhr/ZDF) eröffnet wird, muss Deutschland sich in der Vorrunde zunächst gegen Schweden (Montag, 20.45 Uhr/ ARD), Italien (21. Juli, 20.45 Uhr/ARD) und Russland (25. Juli, 20.45 Uhr/ZDF) durchsetzen. Schwedens Nationaltrainerin Pia Sundhage wagte schon mal eine Prognose: "Irgendwann muss Deutschland verlieren", sagte sie. "Wir sind einfach dran mit einem Sieg gegen sie, und sie sind dran mit einer Niederlage." Dagegen dürften nicht nur Magull, Islacker und Schult etwas einzuwenden haben. Vor allem, wenn das Spiel dann "Elf gewinnt" heißt.

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