Frauen im Fußball:Am Anfang flogen Steine aufs Spielfeld

Seit 50 Jahren dürfen Frauen wieder Fußball spielen in Deutschland. In der Geschichte dieses Sports wurden Spielerinnen verhöhnt und verehrt.

Von Saskia Aleythe, Anna Dreher und Barbara Klimke

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Kieselsteine

Fußballerin Lotte Specht

Quelle: Eintracht Frankfurt Museum/picture alliance / dpa

Steine flogen auf das Spielfeld. In den Zeitungen erschienen Schmähartikel. Ein Beleg dafür, dass Frauen in Trikotagen schon lange vor dem grotesken Fußballverbot des DFB reaktionärer Ächtung ausgesetzt waren. Lotte Specht war 19 Jahre alt, als sie 1930 per Annonce Mitstreiterinnen für ihren 1. DFC Frankfurt suchte. Es war der erste bürgerliche Damenfußballclub; im Arbeitersport hatten Frauen in Deutschland schon früher gekickt. Dass die Vereinsgründung "frauenrechtlich" motiviert war, hat Lotte Specht nicht verhehlt. Sogar ihr Vater, ein Metzgermeister, war entsetzt. Sie spielten sonntags auf einer Wiese, auf Tore ohne Netze, und mit Baskenmützen, um sich bei Kopfbällen zu schützen - und sie spielten gegen fliegende Kieselsteine und wachsende Widerstände. Manche Mädchen gaben auf, andere fügten sich dem elterlichen Verbot. Und schon ein Jahr später war der 1. DFC Frankfurt mausetot. (bkl)

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Die Einzige

Sybille Brüdgam

Quelle: Rainer Hennies

Mit der Premiere war alles schon wieder vorbei, womit sich Sybille Brüdgam als einzige Frau bezeichnen kann, die jemals eine Nationalmannschaft der DDR als Kapitänin aufs Feld geführt hat. Es war der 9. Mai 1990, Brüdgam spielte eigentlich bei Turbine Potsdam, als die DDR-Auswahl gegen die Tschechoslowakei aufs Feld lief - und 0:3 verlor. Im sonst so ambitionierten Leistungssportsystem der DDR hatte der Frauenfußball keine Lobby; doch als die Auswahl der BRD 1989 EM-Gold daheim holte, wollte man das gewachsene Interesse auch im Osten bedienen und richtete noch schnell besagtes Länderspiel aus - vor 800 Zuschauern in Potsdam. "Ich weiß, dass es ziemlich aufregend war, dass man auch selber ziemlich aufgeregt war", sagte Brüdgam neulich dem Deutschlandfunk. Sie gehörte zu den erfolgreichsten Spielerinnen der DDR und stieg 1994 mit Turbine in die Bundesliga auf. (ska)

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Immer dabei

Silvia Neid geb 02 05 1964 ist eine frühere deutsche Fußballspielerin und Trainerin sie absolvierte

Quelle: Thomas Zimmermann/imago

Als Bärbel Wohlleben 1974 das 3:0 im ersten Meisterschaftsfinale schoss, war nicht absehbar, welche Folgen das für den deutschen Fußball haben würde. Denn auch ein Mädchen aus dem Odenwaldkreis sah den später zum ersten Tor des Monats einer Frau gewählten Treffer: Silvia Neid. "Für mich war das motivierend als Elfjährige", hat sie in einer ARD-Doku gesagt. "Da hatte man schon das Gefühl gehabt, ich bin ja nicht alleine, die Fußball spielt, da gibt es noch mehr." Sie trat einem Verein bei und wurde besser und besser und schließlich eine der Besten. Mit der SSG 09 Bergisch Gladbach und dem TSV Siegen gewann die 56-Jährige sieben Meisterschaften und sechs Mal den Pokal. Mit ihr als Spielerin, Co-Trainerin und Bundestrainerin holte der DFB acht EM- und zwei WM-Titel, drei Mal Bronze und Gold bei Olympia. So sehr wie Neid hat wohl kaum eine den deutschen Frauenfußball geprägt. (and)

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Mit Köpfchen

Norway v Germany - Women's International Friendly

Quelle: Bongarts/Getty Images for DFB

Die Schüsse kamen mal hart, mal platziert, manchmal wurden die besten Torhüterinnen Deutschlands schlichtweg ausgetrickst. Birgit Prinz kennt sich eben immer noch ganz gut aus mit Abschlüssen. In den Trainingseinheiten bei der WM 2019 sollten die Keeperinnen von ihrer Erfahrung profitieren. Trotzdem war im Viertelfinale Schluss, aber auch da versuchte Prinz, zu helfen. Denn vor allem war die Rekordspielerin und Rekordtorschützin des DFB ja als Sportpsychologin für das Nationalteam mitgereist. Während ihrer Karriere als Fußballerin - in der sie zwei Mal die WM, fünf Mal die EM, neun Mal die Meisterschaft, zehn Mal den Pokal und drei Mal die Champions League gewann - hatte sie Psychologie studiert und war dann zur TSG Hoffenheim gewechselt. Bei dem Bundesligisten gehört die 43-Jährige seit 2012 zum Betreuerstab des Frauenteams. Vergangene Saison schoss die TSG nach dem VfL Wolfsburg die meisten Tore. (and)

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Unter Männern

Inka Grings

Quelle: Ina Fassbender/dpa

Eigentlich ist es ganz gut gelaufen mit dem SV Straelen. Der Verein führte die Oberliga Niederrhein an und kehrte in die Regionalliga zurück. Jene Spielklasse, in der Inka Grings die Mannschaft im April 2019 übernommen hatte und zur ersten Trainerin in den obersten vier Männerligen wurde. "Mir ging es nicht darum, eine Pionierin zu sein", hat die 42-Jährige mal gesagt. "Ich will auch als Trainerin dorthin, wo ich herkomme: ganz nach oben." Und so war es wohl Zeit für etwas Neues. Im Juni hörte sie bei Straelen auf und hospitiert derzeit zwei Etagen höher, bei Düsseldorfs Coach Uwe Rösler in der zweiten Liga. Ihre 314-Bundesligatreffer sind bis heute unerreicht, sechs Mal wurde sie hier Torschützenkönigin, wie auch bei der EM 2005 und 2009. In der Saison 1999/00 traf sie für den FCR Duisburg 38 Mal - auch das hat bis heute keine andere geschafft. Jetzt muss sie das nur noch ihren Spielern beibringen. (and)

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Ohne rote Karte

Bibiana Steinhaus

Quelle: Torsten Silz/dpa

Souverän und unauffällig leitete Bibiana Steinhaus ihre letzte Partie, den Supercup am 30. September 2020. Dann endete eine Rasenepoche, die nur drei kurze Jahre währte. Bibiana Steinhaus, 41, war die erste und bisher einzige Fußball-Schiedsrichterin in der Männer-Bundesliga. Dass ihr der Bayern-Spieler Ribéry zum Einstand 2017 heimlich den Schnürsenkel aufzog - geschenkt. Sie war längst Weltklasse, als der DFB sie nach zehnjährigem Dienst in der zweiten Liga endlich beförderte, der Verzug grenzte an einen Affront. Zu ihren Meriten zählen vier Auszeichnungen als Weltschiedsrichterin, die Nominierung für je drei Welt- und Europameisterschaften - sowie der Fakt, dass sie in 23 Bundesligaspielen nicht einmal die rote Karte ziehen musste. Bibiana Steinhaus bringt ihre Urteilskraft nun weiterhin als Videoassistentin ein. Die Männer der Bundesliga können wieder nach ihrer eigenen Pfeife tanzen. (bkl)

© SZ/tbr
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