Wenn Frauen Männer zum Weinen bringen, muss etwas Besonderes passiert sein. "Wir Männer geben ja oft nicht gerne zu, wenn wir berührt sind. Aber als endlich der Schlusspfiff kam . . . das war ein sehr spezieller Moment", sagte Siegfried Dietrich und gab dann zu: "Ich habe über die Augen dehydriert." Dem Manager des 1. FFC Frankfurt schossen nach dem aufwühlenden 2:1 (1:1)-Erfolg der Frankfurterinnen gegen Paris Saint-Germain ebenso Tränen in die Augen wie seinem Trainer Colin Bell. "Ich bin einfach nur dankbar", meinte der Engländer, "und ich werde diesen wunderbaren Mädels ewig dankbar sein." Denn der Gewinn der Champions League, der vierte Europapokaltitel in der Vereinsgeschichte, sicherte dem Verein nicht nur doch noch einen Titel in dieser Saison, sondern auch "eine Perspektive", wie es Verónica Boquete nannte.
"Wir haben die Saison nicht immer gut gespielt", sagte die spanische Regisseurin, "wir wollten dem Klub mit diesem Spiel jetzt etwas zurückgeben, und wir sind stolz, dass wir das geschafft haben." Schließlich wird der Konkurrenzkampf unter den europäischen Spitzenklubs im Frauenfußball härter: Seit ein, zwei Jahren ist spürbar mehr Geld im Wettbewerb, was sich am Transfermarkt bemerkbar macht. Begehrte Spielerinnen können längst zwischen den Kontinenten wählen; die mit den professionellen Bedingungen zunehmende Dynamik und Härte im Spiel der Frauen beantworten diejenigen Klubs am besten, die eine kluge, für die Belastung mehrerer Wettbewerbe angelegte Kaderpolitik betreiben.
Verbleib von Nationalstürmerin Sasic ist ungewiss
Die Topspielerinnen selbst schauen bei ihrer Vereinswahl nicht mehr nur auf das Geld, sondern auch auf die Möglichkeiten der Infrastruktur und der Weiterentwicklung. Daneben haben sich Marktführer wie Olympique Lyon, der VfL Wolfsburg oder eben auch das aufstrebende Paris Saint-Germain mit seinem international besetzten Team in der Wahrnehmung ihrer Klubvorstände etabliert: Die Außenwirkung eines vielleicht sogar europäisch erfolgreichen Teams wird inzwischen bei mehr und mehr Männerklubs gern gesehen und unterstützt.
FFC-Manager Dietrich deutete daher auch den Titel der Frankfurterinnen als Zeichen an die Konkurrenz: "Es ist so ein wichtiger Sieg und mit Blick auf unsere Zukunft auch ein Ausrufezeichen", betonte er nach dem späten Siegtreffer durch die eingewechselte Mandy Islacker in der Nachspielzeit (90.+2). Reine Frauenfußballklubs wie Frankfurt oder etwa auch Turbine Potsdam hätten es im verschärften Wettbewerb zunehmend schwerer und müssten künftig härter arbeiten, um nicht den Anschluss an die Frauen-Filialen finanzkräftiger Klubs zu verlieren. "Was wir in letzter Zeit von den Männerklubs gefordert haben, nämlich mehr in die Frauen zu investieren, müssen wir jetzt von uns selbst fordern - wir müssen unsere finanziellen Möglichkeiten ausbauen", sagte Dietrich, "und dafür ist der Champions-League-Titel natürlich Gold wert." Ob Frankfurt bei der Titelverteidigung in der nächsten Saison auch wieder auf Boquete oder Nationalstürmerin Célia Sasic setzen kann, die den FFC mit ihrem 14. Champions-League-Treffer dieser Saison in der 32. Minute per Kopfball in Führung gebracht hatte, ist allerdings ungewiss. Die 28-jährige Boquete, die verschiedene Angebote hat, will sich nun mit den FFC-Verantwortlichen besprechen und "in den nächsten Tagen, auf alle Fälle vor der WM", eine Entscheidung fällen. Sasic, die ihren Vertrag in Frankfurt aufgekündigt hat, um sich in Ruhe Gedanken über die Zukunft machen zu können, hielt sich auch in der Euphorie des Titelgewinns bedeckt. Sie wolle jetzt "noch einmal alle Kräfte mobilisieren" und sich "erst einmal voll auf die Weltmeisterschaft konzentrieren", alles andere "ist jetzt kein Thema".
PSG könnte sich die Halbfranzösin Sasic gut in seiner Elf vorstellen, schließlich muss sich auch der französische Hauptstadtklub neue Gedanken über seinen Kader machen. Nach dem Abpfiff nämlich wurde PSG ebenso wie die auf der Tribüne sitzende Bundestrainerin Silvia Neid von einer Nachricht von Nationalspielerin Fatmire Alushi überrascht. Sie sei im Finale "nicht bei hundert Prozent gewesen, das hat man auch gesehen", meinte PSG-Trainer Farid Benstiti.
Kurz darauf wussten auch alle, warum: Alushi, die mit Zweitligaprofi Enis Alushi vom FC St. Pauli verheiratet ist, ist im vierten Monat schwanger und hat deshalb nun auch ihre Teilnahme an der anstehenden WM in Kanada (6. Juni bis 5. Juli) abgesagt. "Natürlich hätte ich auch gerne noch die WM gespielt, aber es gibt Dinge im Leben, die sind einfach wichtiger als Fußball", teilte die 27-Jährige am Freitag in einer DFB-Nachricht mit.
Dem Nationalteam steht ein Umbruch bevor
Zu Beginn der Woche hatte Neid die Mittelfeldspielerin noch für den vorläufigen WM-Kader nominiert, der sich ab kommendem Montag in Feusisberg in der Schweiz auf das Turnier vorbereitet. Mit Alushis Absage beschleunigt sich nun der Erneuerungsprozess beim Europameister noch einmal mehr: Spielführerin und Torhüterin Nadine Angerer, 36, machte Mitte der Woche bekannt, dass sie nach der WM ihre Karriere beenden wird. Der Abschied von Bundestrainerin Neid selbst steht für 2016 bereits fest. Nach der WM in Kanada wird die eine oder andere verdiente Nationalspielerin folgen. Die designierte Neid-Nachfolgerin Steffi Jones muss sich also bereits jetzt nicht nur mit der Auswahl ihres Trainerteams, sondern auch mit dem Neuaufbau der Nationalelf beschäftigen.
Immerhin muss die deutsche Elf bei der WM nicht noch auf eine weitere Erfahrene verzichten: FFC-Mittelfeldspielerin Simone Laudehr, 28, gab nach ihrer verletzungsbedingten Auswechslung gegen Paris Entwarnung. Eine MRT-Untersuchung noch in der Nacht in einem Berliner Krankenhaus ergab eine Außenbandzerrung im Knie. Ihre WM-Teilnahme sei nicht gefährdet, hieß es seitens des DFB.