Süddeutsche Zeitung

Frauen-Bundesliga:Mit Tentakeln und Sprungfedern

Das Topspiel zwischen Meister und Pokalsieger hätten die Fußballerinnen des FC Bayern wohl gewonnen - hätte nicht Wolfsburgs Torhüterin Almuth Schult brilliert. Die ohnehin enge Bundesliga wird immer spannender.

Von Anna Dreher

Immer wieder stand Almuth Schult im Weg. Es schien fast schon egal zu sein, aus welchem Winkel und aus welcher Distanz es die Fußballerinnen des FC Bayern versuchten, sie kamen einfach nicht an der Torhüterin des VfL Wolfsburg vorbei mit ihren Schüssen. Irgendwie fühlte sich dieses Bundesligaspiel also an wie früher: Im Campus-Stadion brachten fast 2000 Zuschauer jene Atmosphäre zurück, die seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie vermisst worden war. Und Schult verteidigte zwischen den Pfosten, als hätte sie Tentakel und an den Füßen Sprungfedern montiert. Wenn es noch einen Beweis dafür gebraucht hat, dass die 30-Jährige nach einer Schulter-Operation und der Geburt von Zwillingen wieder in bester Form ist - am Samstag beim 0:1 (0:0) erbrachte sie ihn.

"Das war für mich das beste Heimspiel, das wir bis jetzt abgeliefert haben", sagte Münchens Trainer Jens Scheuer. "Ich glaube, wir hatten 12:2 Torschüsse. Auch wenn Almuth Schult überragend gehalten hat, muss da einfach ein Tor fallen." Tat es aber nicht. Giulia Gwinn in der siebten Minute, Klara Bühl in der 13., Linda Dallmann in der 33. - sie alle konnten Schult nicht überwinden, die auch noch den von Jovana Damnjanović geköpfelten Ball mit einer starken Parade ablenkte (39.).

Kurz vor der Pause tauchte Damnjanović gar frei vor dem Tor auf, eine riesen Chance, doch Schult war erneut nicht zu überwinden. So ging es unentwegt weiter: Bühl (48.), Lineth Beerensteyn (50.) und Dallmann (55./80.) versuchten es in der Folge. Den Schlussakt bildete die erste Minute der Nachspielzeit, als Schult erst einen Eckball wegboxte und schließlich noch den Nachschuss von Gwinn entschärfte. "Wir haben ein tolles Spiel gemacht, aber Fußball ist manchmal grausam", sagte Scheuer beim BR.

Bayern rutscht gleich zwei Ränge runter - ausgerechnet durch ein Tor der Ex-Kollegin Hendrich

Dass dieses Ergebnis noch keine Vorentscheidung in der Meisterschaft sei, hatte er zu Recht betont. Die Vormachtstellung in der Liga wurde in den vergangenen Jahren aber letztlich durch die direkten Vergleiche der beiden Titelkandidaten entschieden. Vergangene Saison bekam der FC Bayern auch deshalb die Schale überreicht, weil gegen Wolfsburg ein Remis und ein Sieg gelangen. Diese Saison sind die Abstände zwischen den Klubs der oberen Tabellenhälfte insgesamt noch knapper. Wodurch die Liga freilich nur gewinnen kann. Es erscheint sogar nicht ausgeschlossen, dass der Titel erstmals seit 2013 nicht nach München oder Wolfsburg gehen könnte.

Die erste Niederlage der Bayern gab es gegen Eintracht Frankfurt, nach der zweiten am achten Spieltag sind sie nun von Platz eins verdrängt worden. Mit dem ersten Sieg gegen die Dauerrivalinnen seit dem 30. September 2018 hat dagegen Wolfsburg die Tabellenspitze erstmals in dieser Saison eingenommen. Für die Münchnerinnen bedeutet das aber nicht nur den Verlust der Spitzenposition, sondern von gleich zwei Rängen. Weil Hoffenheim am Sonntag 7:1 gegen Leverkusen gewonnen hat und damit wie Wolfsburg auf 19 Punkte kommt, ist der FCB nun mit 18 Zählern punktgleich vor der Frankfurter Eintracht und Turbine Potsdam Dritter.

Es war eine umkämpfte, intensive Partie, in der alles nach einem Treffer der dominierenden Gastgeberinnen aussah. Wäre Schult nicht gewesen, die FCB-Frauen hätten wohl auch gewonnen. Und dann war es ausgerechnet eine ehemalige Mitspielerin, die den Bayern die gute Laune verdarb: Nach einer Flanke prallte ein Kopfball von der Latte ab zu Kathrin Hendrich, die zum 1:0 einköpfte (69.). Bis vergangene Saison stand die Verteidigerin noch bei den Münchnern unter Vertrag. "Ich hab gedacht, komm, jetzt geh auch mal nach vorne", erzählte die 29-Jährige, "dass der Ball dann so perfekt auf meinen Kopf kommt - ich musste ihn ja nur noch einnicken, wie man so schön sagt"

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg schaute sich das alles auf der Tribüne genau an, sowohl beim Meister München als auch beim Pokalsieger hat sie ja einige Spielerinnen zu begutachten. Und sie machte sich reichlich Notizen. Schon am 26. November geht gegen die Türkei und vier Tage später gegen Portugal die WM-Qualifikation weiter. Vor allem Schult dürfte sich weiter in den Fokus gerückt haben. "Almuth ist ein Stabilisator, sie ist ja auch ein guter Coacher und es ist natürlich wichtig für die Mannschaft, dass sie heute spielen kann", sagte Voss-Tecklenburg in der Pause.

Zurück in den DFB-Kader hat Schult es bei den vergangenen Partien bereits geschafft. Als Nummer eins gesetzt gilt für Voss-Tecklenburg seit der Auszeit von Schult im Anschluss an die WM 2019 jedoch nach wie vor die Frankfurterin Merle Frohms. Und weil mit Ann-Katrin Berger (FC Chelsea) eine weitere starke Kandidatin für den EM-Kader 2022 in Frage kommt, hat der Konkurrenzkampf längst begonnen. Auch für Münchens Laura Benkarth, die im Topspiel ausgerechnet in der entscheidenden Szene chancenlos war.

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