Der Offene Brief ist an den Chef persönlich adressiert, Gianni Infantino, Präsident des Fußball-Weltverbands Fifa, Fifa Straße 20, P.O. Box 8044, Zürich, Schweiz. Zwei dicht bedruckte Seiten beginnen mit einem gefetteten Satz, der gleich klarmacht, dass es sich nicht um Fanpost handelt: „Das Sponsoring von Aramco ist ein Mittelfinger an den Frauenfußball.“
Was dann folgt, ist scharfe Kritik von mehr als 100 Profifußballerinnen aus 24 Ländern, gerichtet an den Weltverband. Die Fifa hatte im April eine Partnerschaft mit dem saudi-arabischen Ölkonzern Aramco bekanntgegeben, der bis 2027 gültige Vertrag gewährt auch die Sponsorenrechte für die Männer-WM 2026 und die Frauen-WM im folgenden Jahr. Würde dieses Sponsoring wirksam werden, heißt es in dem Brief, wäre das ein Schlag in die Magengrube, würde die jahrzehntelange Arbeit von Fans und Spielerinnen untergraben: „Ein Unternehmen, das eklatante Verantwortung für die Klimakrise trägt und im Besitz eines Staates ist, der LBGTQ+-Personen kriminalisiert und Frauen systematisch unterdrückt, hat keinen Platz, unseren schönen Sport zu sponsern.“
Fußball-Weltverband:Die Geldmaschine des Fußballs stottert
Präsident Gianni Infantino hat Rekordeinnahmen versprochen. Doch tatsächlich knirscht es finanziell bei der Fifa gewaltig - wie sich besonders rund um die neue Klub-WM zeigt. Der Einfluss von Saudi-Arabien wird so immer stärker.
Unter anderem die deutsche Nationalspielerin Paulina Krumbiegel, die frühere US-Kapitänin Becky Sauerbrunn sowie die niederländische Stürmerin Vivianne Miedema haben das Schreiben unterzeichnet. Auf der Webseite der Initiative können Aktive und Ehemalige sich dem Anliegen anschließen und Alternativen zu Aramco vorschlagen. Auch andere Spielerinnen dürften gewiss der Meinung der bisherigen Unterzeichnerinnen sein: Ein solcher „Albtraumsponsor“ werfe den Sport „derart weit zurück, dass es schwierig ist, das zu verdauen“.
Vergangenes Jahr stellte sich der Fußball der Frauen schon einmal gegen Geld aus Saudi-Arabien - mit Erfolg
Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Fußball der Frauen gegen Geld aus Saudi-Arabien stellt. Bei der WM 2023 in Australien und Neuseeland ging es um die Tourismusbehörde des Wüstenstaates. Die gastgebenden Verbände wehrten sich, Kritik kam auch von Menschenrechtsorganisationen und Spielerinnen wie DFB-Kapitänin Alexandra Popp und den US-Profis Alex Morgan und Megan Rapinoe. Vivianne Miedema sagte damals, „die Fifa sollte sich schämen“. Der Deal kam letztlich nicht zustande.
Ein ähnlicher Effekt wird im aktuellen Fall nicht zu erwarten sein, die Dimension ist eine andere. Zu viel Geld dürfte bei dem Aramco-Geschäft fließen, der Umfang der Partnerschaft und Saudi-Arabiens Einfluss dürften zu groß sein. Die Bande sind eng, die Männer-WM 2034 ist im Grunde nach Saudi-Arabien vergeben, vor der Abstimmung des Fifa-Kongresses gibt es keinen anderen Bewerber. Auf den Offenen Brief reagierte die Fifa nun erwartbar mit dem Argument, dass von dem Aramco-Deal auch der Frauenfußball profitiere, weil die Einnahmen in dessen Entwicklung reinvestiert würden.
Aber selbst wenn alles wie gehabt bleiben sollte, ist der Zusammenschluss der Fußballerinnen nicht umsonst gewesen: Weil sie eine klare politische Haltung im Sinne von Menschenrechten und freier Meinungsäußerung zeigen und zumindest versuchen, Einfluss zu nehmen auf einen Verband, der in diesem Punkt ihre Interessen nicht vertritt. Dieses Signal zu senden ist schon mehr, als manch anderer gewagt hat. Ganz abgesehen davon, dass die Strahlkraft so mancher Bewegung bei ihrem Beginn nicht abzusehen war. Wer weiß, wie viele Unterschriften noch unter den Brief gesetzt werden - zu einem ganz eigenen Mittelfinger.