Frauenbild in der Formel 1:Säume und andere Limits

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Hahn im Korb: Lewis Hamilton, der Mann mit blauer Kappe, umringt von Grid Girls in Silverstone. In Monaco verzichten die weiblichen Claqueure auf Hut. (Foto: imago/LAT Photographic)

Der neue Eigentümer der Formel 1 hat die Grid Girls an der Strecke aus diversen Gründen abgeschafft. In Monte Carlo indes glauben die Veranstalter an das alte Frauenbild - dieses gehöre zur Renntradition.

Von Anna Dreher, Monte Carlo

Lewis Hamilton war vor den meisten anderen da, er wohnt schließlich hier. Als in Monte Carlo noch alles vorbereitet wurde für die Formel 1, da bereitete sich auch der viermalige Weltmeister auf das sechste Saisonrennen vor. Der Brite joggte durch seinen Wohnort, vorbei an den dicht stehenden Hochhäusern, am Hafen entlang, wo sich Yachten in allen Größen und Ausstattungen zeigen. Für Glamour ist im Fürstentum immer Platz. Hamilton lief mit einem Freund und zeigte ihm die Rennstrecke: "Ich sagte: Normalerweise kommen wir aus diesem Tunnel mit 200 Meilen pro Stunde raus. Und er antwortete: 'Das ist doch verrückt!' Es ist schwierig für andere, sich auch nur annähernd vorzustellen, wie das hier ist - aber es ist wirklich etwas ganz Spezielles."

Speziell, dieses Wort gilt für Monte Carlo schon immer. Für diese ganz eigene Atmosphäre, für die engen Gassen des mit 3,337 Kilometern kurzen, aber mit 19 teils tückischen Kurven dichten Stadtkurses. Sie machen ihn zu einer besonderen Herausforderung, weil die Fahrer ihr ganzes Können zeigen und ihrem Auto voll vertrauen müssen. Spielraum für Fehler gibt es nicht. Der frühere Weltmeister Nelson Piquet beschrieb das einst als "Hubschrauberfliegen im Wohnzimmer". Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Der Grand Prix von Monaco, das ist ein besonderes Rennen, das berühmteste im Kalender, das Fahrer wie Zuschauer fasziniert. Es gehört zur Formel 1 seit ihrer Gründung im Jahre 1950. Kein Sieg ist prestigeträchtiger als dieser. Der Ort steht für die Traditionen der Rennserie und möchte diese gern wahren - mit allem, was dazu gehört. Auch mit Grid Girls.

Die Frauen standen jahrzehntelang mit Nummerntafeln auf dem Starterfeld. Für das US-amerikanische Unterhaltungsunternehmen Liberty Media, das 2017 für viel Geld das milliardenschwere Lebenswerk des früheren Formel-1-Bosses Bernie Ecclestone übernahm, gehören die Grid Girls jedoch der Vergangenheit an. Dass seit diesem Jahr bei jedem Rennen auf diese einem veralteten Frauenbild angehörenden Auftritte verzichtet werden soll, fanden die Veranstalter in Monaco nicht gut. Also haben sie sich über die Entscheidung hinweg gesetzt: Beim Grand Prix am Sonntag (15.10 Uhr/RTL) wird es wieder Grid Girls geben. Die Nummern allerdings sollen wie bei den anderen Rennen Grid Kids halten.

"Ich finde, Frauen sind das Allerschönste auf der Welt", begann Lewis Hamilton seine Antwort auf die Frage, wie er die Rückkehr finde. "Ich habe noch nie wirklich eine Frau gefragt, wie sie die ganze Situation sieht, also kann ich das nicht wirklich kommentieren. Wenn man in die Startaufstellung fährt und dort stehen hübsche Mädels - dann ist das schön, das ist Monaco. Aber ich denke definitiv nicht, dass wir je etwas unterstützen sollten, wenn sich diese Frauen unwohl fühlen."

Sich über die Entscheidung der Besitzer hinwegzusetzen, ist auch ein Aufbäumen gegen den abnehmenden Einfluss der früher so mächtigen Streckenbetreiber. Aber dem Automobile Club de Monaco (AMC) dürfte bei seiner Rebellion gegen die neuen Standards vor allem klar gewesen sein, welche Wirkung das nach sich ziehen würde: Aufmerksamkeit - und die ist immer willkommen. Russland will dem monegassischen Beispiel bei seinem Rennen in Sotchi folgen. Der AMC jedenfalls hat schon Erfahrung bei diesem Thema: 2015 wurde auf Grid Girls verzichtet, als diese zwar schon umstritten, aber immer noch fest ins Programm integriert waren. Ihre Rolle nahmen beim Rennen erstmals Männer ein, und schon damals wurde das von manchen als Weiterentwicklung begrüßt. Andere jedoch übten Kritik. "Das Auto abzustellen und mir den Hintern von irgendeinem George oder Dave anzuschauen - das hat mir nicht gefallen", sagte Sebastian Vettel. "Es gibt Traditionen. Und mit den guten sollten wir nicht brechen."

Auch drei Jahre später kann der viermalige Weltmeister aus Heppenheim die Aufregung nicht verstehen. Das Ganze sei unnötig aufgebläht worden. "Ich glaube nicht, dass eines der Grid Girls dazu gezwungen wurde. Ich glaube, alle Frauen, die mitgemacht haben, wollten das", sagte Vettel diese Woche. "Aber das spricht ein bisschen für die Zeit, in der wir leben, dass manchmal viel Lärm um nichts gemacht wird." Mercedes Motorsportchef Toto Wolff bezeichnete die Grid Girls als Teil der Formel-1-Geschichte, er sei froh, dass sie wieder da seien.

Dabei war das ja einer der Gründe, warum Liberty Media Änderungen vorgenommen hat: Weil diese Schaustellung von Frauen nicht mehr als zeitgemäß betrachtet wird - wie auch andere Dinge in den Augen der Amerikaner. Es war früh klar, dass sich durch den Deal mit Ecclestone einiges ändern würde in der Königsklasse des Motorsports. Die neuen Eigner um Geschäftsführer Chase Carey streben Reformen an wie einen Kostendeckel ab 2021, mehr Einheitsteile, eine Umverteilung der Einnahmen und eine Vereinfachung der Motoren. Das alles soll die Formel 1 attraktiver, moderner machen. Letztere Ankündigung aber provozierte Ferrari derart, dass die Italiener gar mit dem Ausstieg drohten. Monacos Verantwortliche haben nie mit einem Ausstieg gedroht - mussten sie auch nicht. Den Veranstaltern selbst und den neuen Formel-1-Besitzern war klar, dass diese Serie ohne den Grand Prix an der französischen Küste nicht in die Zukunft gelenkt werden würde. Die Frage ist nur, ob Klischees dazugehören sollten.

© SZ vom 25.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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