Süddeutsche Zeitung

Frauen:Yu Fu macht den Unterschied

Tiefpunkt eines schwierigen Jahres für die deutschen Frauen: Erstmals seit 2011 blieb das Team bei einer Europa­meister­schaft ohne Medaille. Wenigstens waren die Olympiatickets für 2020 in Tokio schon gesichert.

Von Ulrich Hartmann, Nantes/München

Das vorolympische Sportjahr 2019 gerettet hatten die deutschen Tischtennisfrauen bereits am 29. Juni. Damals, in Minsk, haben sie im Endspiel der European Games den amtierenden Europameister Rumänien souverän mit 3:0 besiegt und sich damit drei Startplätze für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio reserviert: einen für die Mannschaft und zwei im Einzel-Wettbewerb. Olympia ist das Maß aller Dinge, aber wirklich nur deshalb lässt sich einigermaßen verschmerzen, dass 2019 ansonsten als miserables Jahr in die Geschichte eingehen wird für die deutschen Tischtennisfrauen. Denn nachdem bei der Individual-WM im April in Budapest schon keine einzige von vier deutschen Starterinnen auch nur die dritte Runde erreicht hatte, ist das deutsche Team am Freitag bei der Mannschafts-Europameisterschaft in Nantes auch noch bereits im Viertelfinale gegen Portugal ausgeschieden. Erstmals seit 2011 blieb das Team bei einer EM damit ohne Medaille. Zuvor hatte es vier Mal nacheinander das Finale erreicht und drei Mal gewonnen.

"Wir sind enttäuscht, da gibt es nichts zu diskutieren", sagte Richard Prause als Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bunds. "Wir sind hergekommen, um das Turnier zu gewinnen." Doch die Qualität und vor allem die Stabilität deutscher Tischtennisspielerinnen ist auf europäischer Ebene nicht zu vergleichen mit der Dominanz der deutschen Männer. "Bei den Frauen", sagt Prause, "gibt es in Europa vier oder fünf Mannschaften, die alle in etwa auf einem Level spielen und den Titel holen können." Den Unterschied habe diesmal Portugals chinesisch-stämmige Spielerin Yu Fu gemacht. "Mit ihr in dieser Form und einer starken Shao Jieni muss man auch Portugal zu den Topnationen hinzuzählen."

Petrissa Solja verliert beide Einzel

In der Setzliste war Deutschland auf Position zwei eingeordnet worden hinter Rumänien und fünf Ränge vor den Portugiesinnen. Nach zwei ungefährdeten 3:0-Siegen in der Gruppe gegen Slowenien und Italien standen die deutschen Frauen erwartungsgemäß im Viertelfinale, aber hier war dann unerwartet direkt Schluss, weil Petrissa Solja beide Einzel verlor. Die beiden chinesisch-stämmigen Deutschen Han Ying und Shan Xiaona gewannen ihre Einzel, das Küken Nina Mittelham verlor gegen Yu Fu, und so hätte Solja als Nummer 21 der Weltrangliste und demnach derzeit beste deutsche Tischtennisspielerin von ihren beiden Einzeln nur noch eines gewinnen müssen. Doch sie verlor zunächst 2:3 gegen Yu Fu (39. der Weltrangliste) und ganz am Ende auch noch 2:3 gegen Shao Jieni (88. der Weltrangliste). Nach einer 2:0-Satzführung und einem nur knapp verlorenen dritten Durchgang (9:11) verlor Solja die Kontrolle über das Spiel. "Ich habe gut begonnen, aber dann ist sie stärker geworden, und ich habe den Faden verloren", haderte sie.

Han Ying versuchte zu trösten: "Wir haben ein starkes Team, aber gegen eine Mannschaft mit einer starken Spitzenspielerin wie Yu Fu kann so eine Niederlage mal passieren." Auch Bundestrainerin Jie Schöpp wollte die grundsätzliche Stärke ihrer Equipe nicht in Abrede stellen lassen: "Wir gehören nach wie vor den besten Teams Europas, hatten diesmal aber leider nicht die Topform wie bei den European Games." Nur diese bleibt Schöpp und ihren Spielerinnen derzeit als gutes Argument. Ansonsten ist 2019 für die deutschen Tischtennisfrauen ein ganz schönes Desaster.

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Quelle:
SZ vom 08.09.2019
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