Frauen-WM 2011: Nordkorea:Ein Klecks im Turniertableau

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Keine Interviews, keine Geschichten und jetzt auch noch falsche Sammel-Bildchen: Die Nordkoreanerinnen werden bei der WM nur als anonymes Team geführt - sie sind lediglich als Einheit anwesend, als Element, um das Spieltableau komplett zu machen. Als Individuen existieren sie nicht.

Holger Gertz

Die Firma Panini gibt seit Ewigkeiten Fußball-Sammelbilder heraus, Sticker mit zum Teil bemerkenswert frisierten Männergesichtern. Jetzt sind zum ersten Mal Frauen drauf, 336 WM-Fußballerinnen. Die Kollektion ist eine Herausforderung für die Sammler, aber auch für Panini: Bei jedem abgebildeten Fußballer stehen Geburtsdatum, Größe und Gewicht, bei den Frauen haben sie auf die Angaben zum Gewicht verzichtet, weil das charmanter ist. Zum ersten Mal hat Panini außerdem ein Sammelbild zweimal im Album, Jon Myong Hwa (Bildnummer 214) sieht exakt so aus wie Kim Kyong Hwa (Bildnummer 206).

Gestatten, Jon Myong Hwa. Oder doch Kim Kyong Hwa? Das Bild ist im Panini-Heft dasselbe. (Foto: Panini)

Der Fehler lag bei Panini, hat deren Sprecherin inzwischen zugegeben, sie haben da was durcheinandergebracht und einem Spielerinnengesicht zwei Namen zugeordnet. Ein peinliches, aber nachvollziehbares Versehen, weil auch sämtliche Teamkolleginnen von Jon Myong Hwa und Kim Kyong Hwa so ähnlich aussehen wie Jon Myong Hwa und Kim Kyong Hwa. Zumindest lassen sich alle beim selben Experten die Haare schneiden.

Rechts- oder Linksfuß? Wer weiß.

In Nordkorea ist Frauenfußball Staatssport, der bemerkenswert frisierte Diktator Kim Jong Il fordert den Weltmeister-Titel. Anders als die Männer haben Nord-koreas Frauen tatsächlich eine Chance, sie sind schnell und bestens trainiert, und ihre Verwechselbarkeit könnte sogar ein Wettbewerbsvorteil sein, ein taktischer Trick, eine moderne Variante des Hase-und-Igel-Spiels.

Wie soll sich, zum Beispiel an diesem Dienstag, im Spiel der Gruppe C eine amerikanische Verteidigerin einstellen auf eine Stürmerin, die den Ball plötzlich mit dem rechten Fuß dressiert, wo sie doch gerade noch Links- füßerin war?

Profifußball ist eine von vielen Kameras umstellte Bühne, jeder Spieler ist gleichzeitig Darsteller. Er nutzt die Gelegenheit, sich dem Publikum vorzustellen, durch sein Spiel, seine Interviews; durch Fotos in Magazinen, auch durch sein Styling auf den Panini-Bildchen. Die Sportler prägen sich dem Publikum ein, inzwischen weiß jeder, der es wissen will, dass die Mexikanerin Lupita Worbis eine Art Intellektuelle ist.

WM 2011: Stimmen zum Auftakt
:"Da war Leben im Spiel"

Die ARD bejubelt die Einschaltquoten der ersten WM-Partien, die Polizisten freuen sich über einen frühen Feierabend und Bundeskanzlerin Angelan Merkel staunt über aufregende Szenen. Reaktionen auf den ersten Frauenfußball-WM-Tag.

Und dass der Vater der amerikanischen Torfrau Hope Solo in Vietnam gekämpft hat und danach, traumatisiert, allein im Wald lebte. Von den Nordkoreanerinnen kennt niemand eine Geschichte, man kriegt keine Interviews, ihre Namen hat jeder sofort wieder vergessen.

Die Nordkoreanerinnen bestreiten ihr erstes Spiel am Dienstag gegen die USA. (Foto: AP)

Die Nordkoreanerinnen sind nur als Team anwesend, als Element, das das Spieltableau komplett macht. Als Individuen existieren sie nicht. Bei den Männern 2010 war es genauso: Es gab Gerüchte, die Spieler würden ins Arbeitslager gesteckt, nachdem sie schon in der Vorrunde rausgeflogen waren, einige von ihnen tauchten später immerhin bei den Asian-Games wieder auf, aber wer sie eigentlich sind, weiß keiner. Die Teamführung lässt niemanden an die Mannschaft ran, so wie das Regime niemanden ins Land lässt - und wenn, dann nur an ausgesuchte Plätze.

Tischfußball-Figuren ohne Stange

Fußballbilder-Alben sind immer Dokumentationen ihrer Zeit. Früher standen die deutschen Nationalspieler wie Soldaten, Hand an der Hosennaht. In den Siebzigern ähnelten die Porträts der Fußballer denen, die auf dem Terroristenfahndungsplakat in der Hauptpost hingen.

Die Nordkoreanerinnen sehen aus, wie Ostblocksportlerinnen zu Zeiten des Kalten Krieges ausgesehen haben. Kein Lächeln, kein Schmuck. Keine Freude, aber - im Gegensatz zu den Sowjetkämpferinnen früher - auch keine Spur von Bedrohlichkeit. Als wären Tischfußball- Figuren kurz von den Eisenstangen genommen worden, für ein Porträt in Nahaufnahme.

Bei Briefmarkensammlern würde ein Fehldruck wie der von Panini als Rarität gehandelt, Kim Kyong Hwa und Jon Myong Hwa wären so etwas wie Erbinnen der Blauen Mauritius. Bei Fußballbildersammlern muss man schon fünf Kims hinlegen für die deutsche Kim Kulig, genannt The real Kim.

Sie zählen nicht viel, die Frauen aus Nordkorea. Das ungefähr erzählt auch das Album von Panini.

© SZ vom 28.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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