Süddeutsche Zeitung

DFB-Spielerin:Für Marozsan ist es eine WM zum Vergessen

  • Für Mittelfeldspielerin Dzsenifer Marozsan ist das Aus der deutschen Nationalmannschaft besonders bitter.
  • Im Auftaktspiel brach ihr eine Chinesin den Zeh - und bei ihrem Comeback gegen Schweden konnte sie kein Wunder mehr herbeizaubern.

Von Tim Brack, Rennes

Kurz wirkte es so, als warteten die DFB-Spielerinnen ab, was Dzsenifer Marozsan als Nächstes tun würde. Im Roazhon Park schritt die Mittelfeldspielerin unter der Last der Niederlage über den Rasen. Sie führte unbemerkt einen Trauerzug an, hinter ihr hatte sich eine Traube von Spielerinnen gebildet, die alle in dieselbe Richtung gingen. An wem sollte man sich nach dem Aus im WM-Viertelfinale orientieren, wenn nicht an der Regisseurin?

Aber auch Marozsan, 27, schien unschlüssig zu sein, wohin mit ihrer Trauer. Letztendlich fand sie in den Armen der schwedischen Kapitänin Caroline Seger -Zuflucht. Die beiden kennen sich aus ihren gemeinsamen Tagen beim französischen Klub Olympique Lyon, wohin sie 2016 beide gewechselt waren. Marozsan spielt noch dort, Seger ist nach einer Saison weitergezogen. Nun ist es die Schwedin, die bleiben darf, und Marozsan diejenige, für die es nicht weitergeht.

Es ist das traurige Ende einer WM zum Vergessen für Marozsan. 20 Tage lagen zwischen ihrem ersten und ihrem letzten Einsatz in Frankreich. Im Auftaktspiel hatten die Chinesinnen so beherzt und absichtlich zugetreten, dass am Ende Marozsans Zeh gebrochen war. Mit ihrem Ausfall gingen dem deutschen Spiel die Ideen einer der besten Mittelfeldspielerinnen der Welt ab. Den umständlichen deutschen Angriffen hätten Marozsans Pässe als Wegbeschreibung zum Ziel dienen können.

Ihre Rückkehr war vor der Partie gegen Schweden erwartet worden. Nur ob sie starten könnte, war nicht sicher. Vor der Partie hatte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg das Geheimnis um Marozsans Fitnesszustand gehütet, als handle es sich um Atomcodes. Die Einwechslung zu Beginn der zweiten Hälfte war dann die frühestmögliche. "Wir wussten, dass es nicht über 90 Minuten, gegebenenfalls eine Verlängerung, gehen würde", sagte Voss-Tecklenburg. Bei Marozsan überlagerte am Ende der Frust alle positiven Gefühle. "Im ersten Moment freut man sich, wieder auf dem Platz stehen zu dürfen und zu können", sagte sie, "aber jetzt haben wir verloren, deswegen ist das auch enttäuschend für mich."

"Wenn man so eine Spielerin hat, hofft man immer auf den magischen Moment"

Der Zeitpunkt, auf den Rasen zurückzukehren, auf dem sie ihre Verletzung erlitten hatte, war geschickt gewählt. Das DFB-Team hatte sich in der Pause sammeln können. Der Auftritt von Marozsan war als Signal zu verstehen, dass Voss-Tecklenburg den Ernst der Situation begriffen hatte. Marozsan sollte mit ihrer Spielweise die Verunsicherung in der deutschen Elf eliminieren.

Drei Minuten später fiel allerdings das 2:1 für Schweden, und Marozsan, deren Zeh ja noch immer gebrochen ist, konnte nicht die nötige Kraft entgegenstemmen, um die Niederlage in einen Sieg zu verwandeln. "Wenn man so eine Spielerin hat, hofft man immer auf den magischen Moment", sagte Verteidigerin Marina Hegering im ZDF. Man dürfe aber auch keine Wunder erwarten. Für Marozsan war die Fokussierung auf ihre Person sowieso ein Leid. "Das ist jetzt alles scheißegal. Wir haben verloren, und das ist bitter", sagte sie und verabschiedete sich in den Urlaub, wo sie ihrem Zeh und ihrer Seele die nötige Erholung geben kann.

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SZ vom 01.07.2019/vit
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