Frauen-WM: Gruppe B:England, wie es lupft und jubelt

So schön und so brotlos: Japan führt den Ball bei der Frauen-WM mit Bedacht über den Rasen. Doch am Ende siegt England mit 2:0. Neuseeland erreicht noch ein Unentschieden gegen Mexiko - trotz eines deutlichen Rückstands. Und Nigeria besiegt Kanada - obwohl im Stadion der Strom ausfällt.

Thomas Hahn

Manchmal, wenn den Japanerinnen wieder ein Flankenwechsel gelungen war oder sie mit feinen Flachpassfolgen den Raum durchmaßen, dann meldete sich ein Liebhaber, der irgendwo auf der Tribüne des Augsburger WM-Stadions unter den 20700 Zuschauern saß. "Schööön", rief er und klatschte. Und war es nicht tatsächlich schön, wie die Japanerinnen zumindest in der zweiten Halbzeit spielten? So gepflegt? Mit so viel Respekt vor dem Ball, den sie nicht einfach irgendwie vors Tor holzen wollen, sondern mit Bedacht über den Rasen führen?

Frauen-WM: Gruppe B: Torfrau Karen Bardsley (rechts) feiert mit Casey Stoney und Sophie Bradley den Sieg gegen Japan: England übernimmt dank des 2:0 noch die Tabellenspitze der Gruppe B.

Torfrau Karen Bardsley (rechts) feiert mit Casey Stoney und Sophie Bradley den Sieg gegen Japan: England übernimmt dank des 2:0 noch die Tabellenspitze der Gruppe B.

(Foto: AP)

Allerdings ist Schönheit nicht die Kategorie, in welcher es im Fußball Punkte gibt. Und so blieb den Japanerinnen nach dem 0:2 (0:1) in ihrem letzten Gruppenspiel gegen England nur der Trost, dass sie zwar die Tabellenführung in Gruppe B an ihren britischen Bezwinger abgeben mussten, aber sich an ihrer Viertelfinal-Teilnahme nichts änderte.

Das Spiel ist ein ziemlich anschaulicher Vergleich zweier sehr gegensätzlichen Fußball-Philosophien gewesen. Auf der einen Seite die feingliedrigen Japanerinnen mit ihrem fast buddhistischen Ansatz: Ball flach halten, Zweikämpfe vermeiden, spielerische Lösungen suchen. Auf der anderen die wuchtigen Engländerinnen mit ihrem schweißtreibenden Arbeiterfußball: Ball auch mal hoch spielen, Zweikämpfe suchen, direkte Wege zum Tor gehen.

Die Unterschiede zwischen Asien und Europa waren schon in den Vorreden zum Spiel zu lesen gewesen. Norio Sasaki, Japans verschmitzter Nationaltrainer, genoss die Gunst zweier Siege in den ersten beiden WM-Spielen gegen Neuseeland (2:1) und Mexiko (4:0) und erklärte die Partie gegen England zum willkommenen Stresstest für die ernsteren Aufgaben des Turniers. "Das wird sehr interessant in der Vorbereitung auf das Viertelfinale, das gegen eine andere starke europäische Mannschaft stattfinden wirkt", sagte Sasaki im gesetzten Ton des Vorausschauenden.

Seine britische Kollegin Hope Powell hingegen sprach wenig von irgendwelchen Deutschländern oder Frankreichen, auf die sie sich im letzten Gruppenspiel vorbereiten könne. Sie verwies ohne Schnörkel auf die technischen Vorzüge der Japanerinnen ("Jede, die den Ball hat, ist gefährlich") und auf ihre taktische Lösung im Kampf gegen diese Vorzüge: "Hart arbeiten. Rennen. Rennen. Rennen."

Was soll man machen, wenn die Klischees so lebendig sind? Und auf dem Feld ging es so weiter. Die Japanerinnen kontrollierten das Offensivspiel, sahen dabei zeitweise ganz gut aus und machten sich nicht schmutzig. Die Engländerinnen hielten mit Kraft dagegen. Und welche Spielweise an diesem Tag als effektiver zu gelten hatte, war auch bald klar.

Englands Stürmerin Ellen White vereinte ihre zupackende Art mit Raffinesse, zielte früh im Spiel aus kurzer Distanz knapp vorbei, prüfte später Torfrau Ayumi Kaihori mit einem Seitfallzieher zur Parade. Und erzielte dazwischen mit einem klugen Heber das 1:0 (15.). Der weite Pass zuvor von Karen Carney war auch ziemlich clever, und so zeigte sich: Ball hoch halten kann sich lohnen.

Die Japanerinnen hatten sich vor der Pause kaum zwingend vors englische Tor gewieselt, sie wirkten auch seltsam unpräzise und fehlerhaft, und es hatte durchaus etwas Ironisches, als sie die zweite Halbzeit mit einer Torchance eröffneten, die sich aus einer Freistoßflanke ergab: Aya Miyama servierte den Ball halbhoch, Stürmerin Yuki Nagasato vom deutschen Meister Turbine Potsdam schoss ihn dann immerhin flach vorbei. Und fortan inszenierten sie wieder ihren Ballkreisel um den Strafraum, den die Engländerinnen mit Interesse verfolgten, um hin und wieder den Fuß dazwischenzuhalten.

Sie wurden besser, aber die japanische Kunst war endgültig als brotlos entlarvt, als Karen Carney in der 66. Minute ihre nächste Flanke in den Strafraum schickte. Der Ball landete bei der eingewechselten Rachel Yankee, die keine großen Umstände machte. Ein paar Schritte, ein Lupfer, Ayumi Kaihori reckte sich vergebens. Das 2:0 setzte den japanischen Bemühungen noch kein Ende, aber irgendwie vergaßen sie vor lauter schönem Spiel den Abschluss. Auch die begabtesten Fußballkünstler müssen ab und zu mal schießen.

Neuseeland kontert

Das Wunder blieb aus, der vage Viertelfinal-Traum platzte - und auch mit dem ersten WM-Sieg wurde es am Ende nichts: Die Mexikanerinnen verpassten beim 2:2 (2:0) im abschließenden Gruppenspiel gegen Neuseeland in Sinsheim durch zwei Gegentore in den letzten fünf Minuten ihren ersten Sieg bei einer WM leichtfertig. Mit der Ausbeute von zwei Punkten treten sie die Heimreise an. Auch ein Sieg hätte allerdings nicht zum Einzug in die Runde der letzten Vier gereicht, da England im Fernduell gegen Japan siegte.

Vor 20.451 Zuschauern sah es nach den Treffern von Stephanie Mayor (2.) und Torjägerin Maribel Dominguez (29.) schon nach einem sicheren Sieg für Mexiko aus, doch Neuseeland konterte. Die Wolfsburger Bundesligaspielerin Rebecca Smith in der 90. Minute und Hannah Wilkinson (90.+4) bescherten dem Außenseiter doch noch den ersten Punktgewinn bei der dritten WM-Teilnahme.

Bei schwülwarmen Temperaturen gelang dem mexikanischen Team ein Traumstart. Nach einem Ballverlust Neuseelands im Mittelfeld schaltete Dominguez am schnellsten und schickte Mayor steil. Die Mittelfeldspielerin tunnelte die neuseeländische Keeperin Jenny Bindon und erzielte die frühe Führung.

In der Gewissheit, dass nur durch einen hohen Sieg die Minimalchance auf das Viertelfinale gewahrt werden konnte, beschleunigte Mexiko weiter das Spiel. Die Wahl-Spanierin Dominguez zeigte ihre Torjägerqualitäten, als sie eine Kopfballvorlage von Worbis aufnahm und nach einem schönen Alleingang cool zum 2:0 abschloss.

Nach dem Wechsel mühte sich die favorisierte Elf von Trainer Cuellar weiter. Allerdings verzettelten sich die ballverliebten Mexikanerinnen zunehmend in Einzelaktionen. Neuseeland steckte nicht auf. Chancen gab es in der zweiten Hälfte einer durchwachsenen Partie allerdings nur wenige - bis zur turbulenten Schlussphase.

(sid)

Nigerias lichter Moment

Nach einem Stromausfall erfolgte die Erleuchtung: Während die deutsche Elf beim 4:2 gegen Frankreich den Gruppensieg sicherstellte, verabschiedeten sich Kanada und Nigeria mit einer versöhnlichen Leistung von der WM, bei der sich beide Teams sicherlich mehr erwartet hatten. Im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion schaffte Nigeria am Dienstagabend vor nur 13.638 Zuschauern mit dem 1:0 (0:0) seinen einzigen Sieg im Turnierverlauf, den Perpetua Nkwocha in der 85. Minute klar machte.

Beide Teams hatten zuvor ihre Gruppenspiele gegen Frankreich und Deutschland verloren und waren damit bereits frühzeitig ausgeschieden. Beide Mannschaften hatten die Partie der Enttäuschten in stärkster Besetzung aufgenommen. Kanada verfügte zunächst über optische Vorteile, doch der sechsfache Afrikameister zeigte spätestens ab der 15. Minute sein Können. Vor allem die überaus agilen Stella Mbachu auf dem rechten Flügel und Ebene Orji links sorgten für ständige Unruhe im kanadischen Strafraum.

Außerdem waren sie an den klarsten Chancen vor dem Wechsel maßgeblich beteiligt. Orji scheiterte freistehend an Kanadas Torhüterin Karina LeBlanc (19.) und am Pfosten (25.). Mbachu spielte mit einem Solo Nkwocha frei, die ebenfalls nur das Aluminium traf (43.). Dem hatte Kanadas Offensive nur wenig entgegen zu setzen. Lediglich Melissa Tancredi sorgte mit einem Kopfball für erhebliche Torgefahr, traf aber in der 22. Minute ebenfalls nur den Pfosten. Christine Sinclair, wegen ihres Nasenbeinbruches erneut mit Maske spielend, versuchte es in der 32. Minute mit einem Solo, wurde aber zu weit nach außen getragen und konnte die Chance nicht nutzen.

Nach dem Wechsel erhöhte Kanada seine Anstrengungen und war wieder spielbestimmend. Allerdings blieb das Team von Trainerin Carolina Morace beim finalen Pass zu ungenau, um die gut stehende nigerianische Abwehr um die sehr aufmerksame und sichere Torfrau Precious Dede zu überwinden.

Nach einer zehnminütigen Unterbrechung - im Stadion waren alle Lichter ausgegangen - hatte Nigeria dann einen lichten Moment. Nach mehreren Fehlpässen und Abprallern kam der Ball zu Nkwocha, die flach vollendete. Kanada stemmte sich in der Folgezeit gegen die Niederlage, erarbeitete sich auch zahlreiche Chancen, vergab diese aber überhastet oder scheiterte an Dede.

(dpa)

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: