Frauen-WM 2011: Gruppe B:Bardsleys Fehlflug

Lesezeit: 4 min

Ein kurioses Fernschusstor einer Mexikanerin kostet die favorisierten Engländerinnen im zweiten Spiel in Gruppe B den Sieg. Japan gewinnt dank der Unterstützung von mehr als 6000 eigenen Fans und Aya Miyamas Freistoßtor sein Auftaktspiel gegen Neuseeland mit 2:1 - und gilt weiterhin als heimlicher Kandidat für den Titel.

Ulrich Hartmann und Boris Herrmann

Die Chefin des Organisationskomitees hatte ihrem WM-Volk versprochen: "Es wird keine Hubschrauber-Jones geben." Das war vor allem deshalb erstaunlich, weil ein gewisser Hubschrauber-Beckenbauer bis heute zu den belieb-testen Menschen in diesem Land gehört. Steffi Jones will trotzdem per Bahn und Flugzeug ihr Turnier bereisen. Höchstens zwei Mal müsse sie auf einen Helikopter ausweichen.

Karen Bardsley flog und streckte sich - doch gegen Monica Ocampos Fernschuss konnte sie nichts machen. (Foto: dpa)

Das war eine mutige Ansage. Einen Hubschrauber-Joker hat Steffi Jones nämlich gleich am zweiten Spieltag dieser Weltmeisterschaft verfeuert, als sie von Bochum nach Wolfsburg flog, um rechtzeitig dem Spiel zwischen Mexiko und England beizuwohnen, das 1:1 (1:1) endete.

Nun, ganz pünktlich schaffte sie es nicht. Die Mannschaften mühten sich bereits gute zehn Minuten in der Sommer-hitze ab, als sich die Silhouette eines schlanken Flugobjektes auf dem Dach der Arena abzeichnete. Die Zuschauer skandierten umgehend etwas, das man sowohl als "Me-xi-ko! Me-xi-ko!", aber auch als "Ste-ffi-Jones! Ste-ffi-Jones!" deuten konnte. Für die zweite Version sprach, dass das Publikum jede Verstärkung gebrauchen konnte. Selbst unter Einbeziehung allerlei Wolfsburger Schulklassen, waren viele Sitze frei geblieben.

Man kann auch sonst nicht sagen, dass sich die Sonderreise für Jones nicht gelohnt hätte. In jedem Fall war sie rechtzeitig da, um den gut getimten Bogenkopfball der Engländerin Fara Williams zu sehen, der sich nach 21 Minuten über Freund und Feind hinweg ins mexikanische Tor senkte. Vor allem aber sah Jones gute zehn Minuten später eine noch wesentlich schönere Bogenlampe, die diesmal dem Fuß der Mexikanerin Monica Ocampo entsprungen war.

Englands Torhüterin Karen Bardsley hat gerade in einem Gastbeitrag für den Guardian dargelegt, weshalb es ein Klischee sei, dass der Frauenfußball ein Torwartproblem habe. Falls das zutrifft, dann hat Bardsley bei Ocampos Ausgleichstor allerdings ein anderes Klischee bestätigt: England hat ein Torwartproblem.

Auf ein wenig Häme wird sich Bardsley nach ihren Fehlflug in jedem Fall einstellen müssen, da wird ihr auch nicht die Tatsache helfen, dass sie gar nicht in England, sondern in Kalifornien aufgewachsen ist. Die 24-jährige Ocampo wiederum darf sich - unabhängig vom Spielausgang - über ewigen Ruhm freuen. Ihr Fernschuss war erst das zweite Tor, das die Mexikanerinnen jemals bei einer Weltmeisterschaft erzielt haben.

Das erste gelang Ocampos Sturmkollegin Maribel Dominguez, 32, vor zwölf Jahren. Sie wird in ihrer Heimat bis heute so sehr verehrt, wie der Hubschrauber-Beckenbauer in Deutschland und die Teilzeit-Helikopter-Jones in Wolfsburg. Die Engländerinnen müssen für Ruhm und Ehre wohl noch ein bisschen mehr schuften. Das Team von Trainerin Hope Powell sieht sich ja nach eigenem Bekunden auf bestem Weg in die Weltspitze. Für Außenstehende war davon am Montag noch nicht so viel zu erkennen. Vor allem die hochgelobte Spielmacherin Kelly Smith blieb weitgehend unsichtbar.

Den gut 18.000 Schaulustigen war es egal. Wenn in Deutschland WM ist, dann dreht sich die Welle zur Not auch über reglose Schalensitze hinweg. Und sie hätte sich in Wolfsburg wahrscheinlich auch gedreht, wenn auf dem Rasen bloß ein Hubschrauber gelandet und wieder in die schöne WM-Luft entschwunden wäre.

(Boris Herrmann)

Frauen-WM: Gruppe B
:Heber, Kopfball, Freistoßtor

Japan besiegt in einer rasanten Partie Neuseeland durch sehenswerte Treffer mit 2:1 und festigt seine Stellung als Favorit in der Gruppe B der Frauen-WM. Mexiko und England trennen sich 1:1, weil einer Lateinamerikanerin ein sehenswerter Treffer gelingt.

Bildern

Man hätte mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Japan gegen Neuseeland am grauen Zweitliga-Standort Bochum, Fußballfrauen vom anderen Ende der Welt inmitten des Ruhrgebiets unter sich. Beim dritten Spiel dieser Weltmeisterschaft hätte ein signalgebender Eindruck davon entstehen können, wie viele Menschen sich in Deutschland wirklich für ein Frauenfußballspiel zweier auf der anderen Seite des Globus beheimateter Mannschaften interessieren.

Jubel mit Schützin Aya Miyama: Die japanischen Fußballerinnen gewinnen gegen Neuseeland. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Aber weil Bochum bloß eine halbe Autostunde von Düsseldorf entfernt ist, wo mit sechseinhalbtausend Japanern die größte japanische Gemeinde Deutschlands lebt, hatten die Asiatinnen am Montag im sonnendurchfluteten Stadion eine Art Heimspiel.

Überall flatterten Fähnchen mit rotem Punkt auf weißem Grund, gewedelt von fröhlichen Menschen aus Fernost, sehr viele von ihnen Kinder. Dieser Großteil der 12.538 Zuschauer geriet im Laufe des Spiels aber bloß zwei Mal wirklich aus dem Häuschen, als nämlich die japanischen Fußballerinnen ihre beiden Tore zum 2:1 (1:1)-Sieg erzielten.

Der Blick auf die Japanerinnen lohnt sich aber auch für deutsche WM-Fans, denn die versierten Asiatinnen könnten im Viertelfinale Gegner der deutschen Elf werden. Japan ist Vierter in der aktuellen Weltrangliste, und der Trainer Norio Sasaki hatte vor der WM provokant mitgeteilt, dass man den Titel holen wolle. Japan war zwar auch schon bei allen vorherigen fünf WM-Turnieren dabei, hat aber erst ein einziges Mal, 1995, das Viertelfinale erreicht.

Man wolle der nach dem Tsunami gebeutelten Heimat zu guten Nachrichten verhelfen, hatte Stürmerin Yuki Nagasato gesagt. Die 23-Jährige spielt für Turbine Potsdam und setzte ihr Vorhaben nach fünf Minuten in die Tat um. Sie erzielte jenes 1:0, das nur sechs Minuten währte, weil die neuseeländische Topstürmerin Amber Hearn in der 12. Minute per Kopf zum 1:1 traf.

Angesichts eines flotten und mitnichten einseitigen Spiels fokussierten sich die frohen Zuschauer auf den mehrfachen Umlauf einer Tribünen-Welle und huldigten der bei dieser WM ungezwungeneren Stimmung als bei manchem Bundesligaspiel. Bis zur 68. Minute ließen sich die zunehmend überlegenen Japanerinnen schließlich Zeit, ehe Aya Miyama per Freistoß das doch verdiente 2:1 erzielte.

Mit Rechtsaußen Kozue Ando vom FCR Duisburg und Innenverteidigerin Saki Kumagai aus Urawa, die von der kommenden Saison an für den FFC Frankfurt spielt, besitzen zwei weitere Spielerinnen einen Draht zum deutschen Fußball und fürchten weiterhin den Kontakt zu ihren Klubkolleginnen im Viertelfinale. Ihr Nationaltrainer Sasaki rechnet damit, dass sich erst im letzten Gruppenspiel gegen England entscheidet, wer im Viertelfinale als Gruppenzweiter voraussichtlich auf Deutschland trifft und wer als Gruppensieger diesem entgeht.

"England ist unser stärkster Konkurrent in der Gruppe", hatte der Coach vor dem Turnier gesagt. Die Neuseeländerinnen, die im siebten WM-Spiel ihrer Geschichte die siebte Niederlage erlebten, haben zumindest angedeutet, dass sie mithalten können.

(Ulrich Hartmann)

© SZ vom 28.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: