Frankreich - Nigeria:Die Musterschülerin trifft

Dank spielerischer Reife und einem Tor durch Marie-Laure Delie gewinnt Frankreich das erste Spiel dieser Frauen-WM gegen Nigeria mit 1:0. Nun sind die Französinnen in Gruppe A der härteste Konkurrent der deutschen Elf.

Thomas Hahn, Sinsheim

Tore sind Marie-Laure Delies Leben. Sie hatte schon als Kind ein Talent dafür, welche zu erzielen. Sie ist als Jugendliche ans Fußballgymnasium von Clairefontaine gegangen, um dieses Talent zu veredeln. Seither hat sie alles gelernt, was man von den Toren wissen muss, um sie zu erzielen, und während ihrer Lehre ist sie U19-Europameisterin für Frankreich geworden unter dem damaligen Nachwuchstrainer Bruno Bini.

Fussball-WM: Nigeria - Frankreich

Jubel mit Rudelbildung: Schützin Marie-Laure Delie freut sich mit Louisa Necib und Elise Bussaglia.

(Foto: dapd)

Heute ist Marie-Laure Delie 23 und ein Beispiel für den Erfolg der neuen französischen Frauenfußball-Lehre. Sie ist Tore-Erzielerin bei Montpellier HSC in der ersten Liga, Bruno Bini, der heute die französische A-Mannschaft trainiert, hat sie zur Nationalspielerin befördert. Delie ist jetzt bei der WM in Deutschland, und die Lehre, die sie einst genoss, mündet nun in diesem Erlebnis, das sie am Sonntagnachmittag in Sinsheim hatte, als sie in der 56. Minute das siegbringende 1:0 für Frankreich im WM-Eröffnungsspiel gegen Nigeria erzielte.

Ein Eröffnungsspiel ist immer ein besonderes Spiel, es löst die Spannung und baut neue auf. Es schafft die Tatsachen, um die alle vorher immer herumreden mussten, und verdichtet, was vorher geschah, alle Tests und Spekulationen auf eine Begegnung, für die es im Grunde auch nur drei Punkte gibt und die doch so viel mehr wert ist.

Es ist seltsam, wie 90 Minuten eingesperrt sein können zwischen der Freude, dass es endlich losgeht, und der Freude, dass der erste Akt vollbracht ist. Jedenfalls muss die Ungeduld groß gewesen bei den Spielerinnen, bis sie endlich alle Besprechungen und Pressekonferenzen hinter sich lassen konnten, und dieser erste WM-Sonntag gekommen war, die Abfahrt Richtung Stadion, der letzte Appell der Trainer.

Ein bisschen mussten sie sich noch gedulden, ehe sie an den Ball durften. Ein rührendes Lied noch vom deutschen Mädchen-Duo Sternblut. "Komm, wir malen uns das Leben", eine kleine fröhliche Hymne an die Fantasie und die Farbenlehre der Welt.

Ein kurzer Schaulauf von Mädchen in Weiß vor den 25.000 ZuSchauern in der Rhein-Neckar-Arena von Sinsheim, etwas Tanz, die Präsentation der 16 Teilnehmer-Fahnen, die Hymnen. Dann endlich spielten sie vor der raunenden, wogenden, bunten Kulisse des sonnendurchflutenden Stadions und zu den Klängen einer Art nigerianischen Samba, welche eine kleine Gruppe in Grün-Weiß mit Trommeln und Trompeten intonierte.

Frankreich dominiert, Nigeria reagiert

Frankreich übernahm das Kommando. Nigeria reagierte, und nach einer halben Stunde waren die ersten Akzente gesetzt. Vor allem von den Französinnen: Elise Bussaglia zwang Nigerias Torfrau Precious Dede aus der Distanz zur Parade, Gaetane Thiney traf den Pfosten und Wendie Renard hätte fast eine kleine Strafraumverwirrung Dedes zum 1:0 genutzt.

Frankreich - Nigeria: Rudelbildung ohne Jubel: Nigerias Ebere Orji zwischen den Französinnen  Wendie Renard und Berangere Sapowicz.

Rudelbildung ohne Jubel: Nigerias Ebere Orji zwischen den Französinnen  Wendie Renard und Berangere Sapowicz.

(Foto: AP)

Dagegen stand ein Konter Nigerias, nach dem Desire Oparanozie auf einmal allein auf Torhüterin Berangere Sapowicz. Aber Desire Oparanozie brachte den Ball nicht aufs Tor. Die Nerven? Desire Oparanozie ist erst 17 Jahre alt.

Die Französinnen waren im Vorteil mit ihrer reifen Spielanlage. Sie standen gut und inszenierten einen kontrollierten Vorwärtsgang mit dem ein oder anderen Überraschungsmoment; Precious Dede musste wachsam sein und bewahrte ihre Mannschaft vor der Pause noch einmal vor einem Rückstand, als sie Louisa Necibs Fernschuss um den Pfosten lenkte.

Aber immer wieder blitzte Nigerias Spielwitz auf, der Mut zu Doppelpass und Dribbling, zum kleinen Wahnsinn, aus dem große Tore entstehen können. Frankreich konnte sich seiner nicht sicher sein, und wurde zu Beginn der zweiten Halbzeit unsanft daran erinnert: Ebere Orji kam im Luftkampf gegen Berangere Sapowicz zum Kopfball. Die amerikanische Schiedsrichterin Kari Seitz erkannte auf Foul der Afrikanerin, eine Warnung war die Aktion trotzdem.

Kapitänin Sandrine Soubeyrand, die alte Steuerfrau in Frankreichs Mittelfeldzentrale, kehrte zur zweiten Halbzeit nicht zurück, und für ein paar Augenblicke wirkte es, als geriete das Spiel der Blauen deshalb ein bisschen durcheinander.

Doch dann kam der Treffer von Marie-Laure Delie, ihr erfolgreicher Schuss aus der Strafraummitte, der Jubel nach einer sauberen Kombination über die rechte Seite, wie sie die 37-jährige Regisseurin nicht besser hätte einfädeln können. Und die Ruhe kehrte zurück ins Spiel der Französinnen. Die Französinnen wirkten nicht immer gleich souverän in der Abwehr, und die Nigerianerinnen bemühten sich sehr, die Ruhe zu stören. Sie rannten, sie kämpften.

Frankreich überließ ihnen ein bisschen die Kontrolle, mit der Nigeria allerdings nicht viel anfangen konnte. Die Ruhe kam und ging und kam wieder, und bald wurde aus der Ruhe die Sicherheit, dass Marie-Laure Delies Tor reichen würde für einen gelungenen WM-Auftakt der aufstrebenden Französinnen.

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